Lorsch. In wenigen Tagen sind wieder bekannte Lieder auf den Straßen zu hören: „Ich gehe mit meiner Laterne / und meine Laterne mit mir“ oder „St. Martin ritt durch Schnee und Wind / sein Ross, das trug ihn fort geschwind“. Auch in Lorsch werden zahlreiche Kinder gemeinsam mit Eltern und Großeltern unterwegs sein und stolz ihre leuchtenden Laternen tragen. Wer zum klassischen Datum Mitte November einen Termin für einen öffentlichen Laternenumzug sucht, dem er sich anschließen könnte, wird diesmal aber vor Ort nicht wie bislang gewohnt fündig.
Ein großer Martinszug für alle Interessierten wird in Lorsch jedenfalls nirgendwo angekündigt – und das ist offenbar keinem Versehen geschuldet. Es gibt schlicht keinen mehr, und das hat Gründe.
Jahrzehntelang hatte die Pfarrgemeinde St. Nazarius zuverlässig zu einem Martinsspiel, einer Andacht und einem Martinsumzug eingeladen, unterstützt von Helfern der Feuerwehr, Polizei und der Stadt. Oft ritt auch die Lorscherin Inge Ludwig in der Rolle des Heiligen auf dem Pferd voran und der lange Laternenzug der ihr folgenden Teilnehmer zog sich von der Kirche bis zum Festplatz hinter dem Kloster, manches Mal musikalisch begleitet von einer Kapelle. Zum Abschluss gab es Martinsbrezeln am Feuer, Gebete und einen Segen.
Oft kamen 500 Teilnehmer
Bekanntlich aber verlieren die katholischen Gemeinden Gläubige beziehungsweise durch Austritte Kirchensteuerzahler, müssen insgesamt mehr sparen und sind auch personell längst nicht mehr so gut ausgestattet wie früher. Fallen dann aber als Folge beliebte Veranstaltungen wie etwa zu St. Martin aus, werden diese von vielen Familien plötzlich doch sehr vermisst. Rund 500 Teilnehmer wurden beim großen Laternenzug in Lorsch in der Vergangenheit jeweils gezählt.
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Früher gab es in St. Nazarius – abgesehen vom Pfarrer – auch einen Pastoralreferenten und einen Gemeindereferenten, manchmal zudem auch noch einen Kaplan, der sich um Angebote wie einen Martinszug kümmern konnte. Derzeit aber sind allein Pfarrer Michael Bartmann und Pfarramtssekretärin Sabine Notter im Dienst. Die langjährige Pastoralreferentin Beate Bläsius-Stephan verabschiedete sich im Sommer in den Ruhestand, die frühere Gemeindereferentin Astrid Klüsener wie auch der zumindest für einige Zeit in Lorsch tätige Pastoralreferent Peter Schoeneck wechselten bereits vor einigen Jahren an andere Arbeitsstellen. Beide hatten oft den Martinszug organisiert.
Stelle bei der Pfarrei nicht besetzt
Auf einen neuen Gemeindereferenten im katholisch geprägten Lorsch wird schon seit einiger Zeit gehofft, der vielleicht in Zukunft wieder für einen Zug sorgen könnte. Bislang ist es aber nicht gelungen, die freie Stelle zu besetzen, bedauert man in St. Nazarius. Sie werde jetzt noch einmal neu ausgeschrieben, heißt es auf Nachfrage aus dem Pfarramt.
In der Corona-Krise gab es keinen Umzug, anschließend auch nicht mehr wie zuvor, aber es gab eine Alternative, dank der Initiative des Mütter- und Familienzentrums („Mütze“). Dass der Ansturm gewaltig sein kann, wenn man zu einem Laternenumzug einlädt, erlebte dann auch die „Mütze“. Unterstützt von der Pfarrgemeinde, vom Lorscher Reitverein, Feuerwehr und DRK sowie der Stadt und Bäckermeister Friedel Drayß hatte der Vorstand 2022 einen Umzug auf die Beine gestellt und wurde von der großen Resonanz überrascht. Gut 500 zum Teil sehr junge Teilnehmer in der Dämmerung sicher durch verschiedene Straßen zu geleiten, ist jedoch kein Kinderspiel, um dass man sich reißen möchte.
Die nötigen Vorarbeiten, die zu leisten sind, und die Verantwortung sind groß. In diesem Jahr springt die „Mütze“ nicht ein mit einer Einladung für alle Interessierten zu einem Umzug. Auch an der Grundschule heißt es auf eine Nachfrage: Das ist für uns nicht leistbar.
In den Lorscher Kindergärten wird St. Martin aber wie bisher gewürdigt. Die meisten Kitas unternehmen auch einen Laternenumzug, aber im kleinen Kreis nur für die Kinder der eigenen Einrichtung, ihre Eltern und Geschwister. In beiden Kitas in katholischer Trägerschaft – St. Benedikt und St. Nazarius – wird auch Pfarrer Bartmann zugegen sein. „Die Kinder wissen, was wir feiern“, berichtet Monika Wilhelm, Leiterin von St. Benedikt, von den Vorteilen einer kleinen und übersichtlich bleibenden Veranstaltung, auf die sich alle Teilnehmer gut vorbereiten können. Auch die Lieder, die gesungen werden, kennen alle Kinder. Vorsingen werden sie diese auch den Senioren im Johanniterhaus.
Ein richtiger Martinszug ist nicht bloß ein Laternen-Spaziergang. Gepflegt wird die Erinnerung an den römischen Soldaten Martin, der mit einem hungernden und frierenden Bettler seinen Mantel geteilt haben soll, sich später taufen ließ. Seit Jahrhunderten wird der Heilige als Vorbild für Nächstenliebe und das Teilen verehrt.
Familiengottesdienst zu St. Martin
Zwar gibt es keinen Martinsumzug von St. Nazarius, erinnert wird an St. Martin kirchlicherseits aber weiterhin. Am 12. November (Sonntag) gestaltet die Gruppe „Labyrinth“ und das „Team St. Martin“ den Gottesdienst um 10 Uhr inhaltlich und musikalisch zum Thema St. Martin. „Sei wie Sankt Martin – zeige Herz“ lautet das Motto der Martinsfeier am 12. November, die das Jugend- und Sozialwerk veranstaltet. Der Trägerverein des Paulusheims lädt nach dem Gottesdienst an der katholischen Kirche zu einem „Sonntagstralala“ mit Stockbrot, Martinsbrezeln, Glühwein und Punsch ein. Im vergangenen Jahr wurde das Angebot gut angenommen.
Auch in St. Michael Einhausen, mit der Pfarrgemeinde wird Lorsch in wenigen Wochen fusioniert sein, wird der Martinsumzug nicht erst seit diesem Jahr nicht mehr auf die Beine gestellt, gleichfalls wegen fehlender Kapazitäten. Immerhin aber organisierten Gemeinde und Feuerwehr im vorigen Jahr ein Angebot und auch diesmal setzt sich ein Zug in Bewegung. Start ist am 10. November um 18 Uhr am Juxplatz.
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