Lorsch. So alt wie die Närrischen Drei ist kein anderer Lorscher Fastnachtsverein. 77 Jahre haben sie auf dem Buckel. Ruhig und gesetzt sind die Blau-Weißen aber glücklicherweise keinesfalls – im Gegenteil. In der Nibelungenhalle brachten sie jetzt eine mitreißende Show auf die Bühne, die Zuschauer schon vor dem Finale begeistert auf den Stühlen tanzen ließ.
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Mobiliar wie Gebäude muss schließlich niemand mehr schonen, rief Sitzungspräsident Simon Helwig laut den anstehenden millionenteuren Umbau am Wingertsberg in Erinnerung. Er forderte zum ausgelassenen Feiern der Fastnacht auf. Die N3 gingen mit bestem Beispiel voran. Energiegeladen und mit frecher Schnauze präsentieren sich die Fastnachter in ihrem Jubiläumsjahr.
Der „Sündenpfuhl Einhausen“
Das Publikum in der zwei Mal ausverkauften Halle bekam ein Premium-Fastnachtsprogramm mit jeder Menge Lokalkolorit. So viel gab es allein schon über Lorscher Begebenheiten zu frotzeln und zu spotten, dass die Büttenredner diesmal beinahe nicht dazu gekommen wären, Seitenhiebe auf Einhausen auszuteilen – aber nur beinahe, natürlich. Dass sie ihre katholische Pfarrgemeinde nun wegen der Fusion mit den Nachbarn, ausgerechnet mit dem „Sündenpfuhl Einhausen“, teilen müssen, ist für Ludwig und Karl (Dr. Sebastian Koob und Alexander Löffelholz) selbstverständlich ein ausgemachter Skandal.
Das Duo im Lorscher Fitnessclub will sich eigentlich ein paar Pfunde vom Leib radeln – die Kraft investiert es allerdings weniger in die Beinarbeit als vielmehr ins lose Mundwerk. Die „Container überall im Ort“ beschäftigen Ludwig und Karl ebenso wie die Nibelungenhalle, die angesichts hoher Kosten bald „Tränenpalast“ heißen könnte und die „Zweier-Männer-WG“ im Landratsamt. Diese beiden Vertreter an der Spitze der Behörde in Heppenheim, die seit Wochen in allen TV-Sendungen auftreten dürfen, „nur das Traumschiff fehlt noch“, machten den Lorscher Bürgermeister, der nie im Fernsehen sei, deshalb schon richtig „neidisch“, verraten sie.
"Grenzdebiler Trommelzug" durch Lorsch
Ob Ampel oder Pisa-Schock – die Politik in dem Land, das den Bundesadler gegen einen Pleitegeier getauscht hat, bietet Ludwig und Karl viel Gesprächsstoff. Kurz zusammengefasst: „Nirgendwo funktioniert mehr etwas.“ Der Glasfaserausbau dagegen zieht „Drückerkolonnen“ wie „Abortmücken“ an, stellen sie fest. Wegen der nötigen Digitalisierung wurde bereits die Grundsteuer erhöht, versichern sie. Für ihr Ätzen über den „grenzdebilen Trommelzug“, gemeint sind die „Spaziergänger“, die jeden Mittwochabend demonstrierend durch die Lorscher Innenstadt laufen, gibt es besonders viel zustimmenden Applaus aus dem Publikum.
Die Mitwirkenden
Garde: Florian Fillauer, Andy Gärtner, Patrick Froitzheim, David Koch, Christian Koob, Ferdinand Koob, Jan Niwiadomski, Benjamin Purkert, Christopher Steiner, Sven Theobald, Maximilian Walter.
Mädchengarde: Selina Drax, Zoe Ramser, Marie Rau, Emily Derst, Marie Andes, Merle Adamowicz, Lea Seehaus, Anna-Lena Steyer, Elly Brunnengräber, Lucy Brunnengräber, Adrienne Wachtel, Julia Jünke.
Mädchenballett: Sunisa Rauch, Alena Kristel, Anna-Lena Steyer, Patricia Schumacher, Lena Rudolph, Anna Zintl, Aaliyah Schär, Chantal Schmitt, Eva Maria Elbert, Julia Rothenheber, Elly Brunnengräber.
Trommler: Carsten Klasen, Andreas Diehl, Timo Stockmann, Lars Seehaus, Robert Markgraf, Manuel Hartmann, Marc Speckhard.
Männerballett: Nils Engel, Cyrille Klein, Christoph Helwig, Daniel Helwig, Christian Rogalsky, Mike Feldmeier, Christopher Pabst, Matthias Drax, Alexander Löffelholz, Alexander Volk, Christoph Stolle, Jörg Steffan, Dr. Sebastian Koob, Manuel Bruckdorfer.
Damenballett: Adrienne Wachtel, Celine Steyer, Zoe Ramser, Luisa Froitzheim, Vanessa Emig, Alena Herrmann, Elena Bihn, Lea Dreiss, Valerie Schiro, Selina Wienold, Melanie Petsch, Lara Zöller, Laura Heidkamp, Lilli Eßbach.
N3-Chor: Stephan Koob, Hans Jäger, Christoph Geis, Anna-Lena Geis, Theresa Geis, Ulrike Helwig, Katrin Helwig, Rosi Fetsch, Karin Koob, Mandy Kirpal.
Elferräte: Torsten Wienold, Simon Helwig, Jörg Fink, Rudolph Hutzl, Thomas Jochum, Karl-Heinz Fillauer, Heribert Koob, Hiltrud Koob, Cindy Ludwig, Kerstin Koob, Sven Lautenschläger, Pascal Berg, Matthias Horlebein, Cindy Graf, Sandy Theobald, Anna Dorn, Jenny Ospeld, Volker Reichenstein, Markus Neundörfer, Nicole Fink.
Musikzug Laurissa unter Vorsitz von Markus Maier und Dirigent Tobias Molitor.
Regie: Volker Stein und Markus Neundörfer.
Büttenredner: Enja Hartmann, Manuel Rau, Manuel Hartman, Christine Andes, Tanja Dohrmann, Dr. Sebastian Koob, Alexander Löffelholz, Simon Helwig, Christoph Helwig.
Tanzmariechen: Emily Dohrmann.
Tanzpaar: Kevin Theobald, Lea Dreiss.
Sitzungspräsident: Simon Helwig.
Einen „übermotivierten“ Mitarbeiter aus dem Lorscher Ordnungsamt mimt Manuel Rau. Parkende Autofahrer müssen bei ihm immer mit einem Strafzettel rechnen, neulich hat er sogar die Feuerwehr aufgeschrieben. Auf der Bühne hat es der „korrekte Typ“ mit einem vermeintlichen Klimakleber (Manuel Hartmann) zu tun. Warum er nicht lieber „diese Muttis“ ermahnt, die mit ihren Autos vor der Schule täglich für Chaos sorgen? Da habe er immer gerade Frühstücks- oder Mittagspause, zuckt der Ordnungshüter entschuldigend die Schultern.
Schule wird nicht mehr geputzt
In der Grundschule wird nicht mehr geputzt, die seit Jahren versprochene zweite Schule sei immer noch nicht gebaut, schimpft das Duo. Der zuständige Landrat betätige sich lieber im Internet als „Influencer“.
Frauen in der Bütt? Fehlanzeige bei den N3, lamentieren Tina und Tanja (Christine Andes und Tanja Dohrmann). Im Elferrat hat es doch auch geklappt mit weiblichen Mitgliedern. Sie fordern Frauen dazu auf, endlich aus ihrem „Bau“ zu kommen. Männer-„Jammergestalten“ gibt es schon genug, die offenbar nicht einmal die Spülmaschinentür öffnen können. Oder warum sonst stellen sie die Teller stets obendrauf statt hinein? Männer seien „die größte Plage“, behaupten Tine und Tanja. „Eigentlich lieben wir sie“, fügen sie aber schnell an. Denn wenn im Haus etwas kaputt ist oder sonntags jemand Brötchen holen soll, dann seien sie doch sehr froh über ihre Männer, gestehen die beiden Lorscherinnen vom Schminkteam.
Ein junges Talent empfiehlt sich bereits dafür, die Bütt zu erobern: Enja Hartmann. Erst elf Jahre alt ist sie und übernimmt gleich die anspruchsvolle Aufgabe des Prologs. „Mama hat’s erlaubt“, so der Nachwuchs, der es nicht beim einmaligen Auftritt belassen will. Auch bei den Närrischen Drei sollen schließlich „nicht nur alte weiße Männer“ das Sagen haben, so die Fastnachterin selbstbewusst.
Beeindruckende Tanzeinlagen sorgten für donnernden Applaus
Die N3 wissen schon lange, wie Fastnacht funktioniert, blickt Sitzungspräsident Simon Helwig auf 77 Jahre Lorscher Geschichte zurück. Start war 1947, in der schwierigen Zeit nach dem Krieg. Aktuell seien die Zeiten gleichfalls alles andere als leicht, diagnostiziert er angesichts von Kriegen und Krisen „wie es rumort in unserem Land“. Da sei es mit dem „Frohsinn“ auch nicht einfach. „Es geht nur gemeinsam“, appelliert er mit Nachdruck. Die N3-Fastnacht biete immerhin allen die Chance, „auszubrechen aus dem Alltagsbrei“.
Nach jeder Tanzdarbietung gab es Zugabe-Rufe und donnernden Applaus. Für Solisten wie Tanzmariechen Emely Dohrmann, die Radschlagend über die Bühne wirbelt und in den Spagat springt, ebenso wie für das N3-Tanzpaar Lea Dreiss und Kevin Theobald, das sich schwungvoll mit Hebefiguren aus dieser Rolle verabschiedete. Die Herrengarde begeistert mit ihrer Aerobic-Fitness-Übung, die zwölf Mitglieder der Mädchengarde sowie das elfköpfige Mädchenballett in blauen und weißen Outfits, darunter eine vielfach ausgezeichnete Tänzerin wie Sunisa Rauch, bringen den Saal mit ihrer Tanzkunst in gute Stimmung.
Alte Schlager und der Saal steht
Das mehr als vierstündige Programm bereichern auch der Musikzug, dirigiert von Tobias Molitor, und die Trommler, die durch den dunklen Saal in unterschiedlichen Formationen rhythmisch trommelnd auf die Bühne marschieren. Dass man mit Liebesliedern aus den 1970er Jahren hunderte Zuhörer zum Mitsingen bringen kann, beweist der N3-Chor. Erstaunlich textsicher stimmen die Besucher ein in alte Schlager, etwa „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ und in Wolfgang Petrys „Sieben Tage, sieben Nächte“. Der Saal steht.
Auf die Stühle springen die Fastnachter dann bei Simon und Christoph Helwig, die ausdauernd in italienischer Sprache parlierend auf die „MS Picante“ zu Urlaub im sonnigen Süden einladen, die Metzgerstochter anschmachten und mit Gitarrenriffs in die vor allem vom jungen Publikum ersehnte Partyzeit starten. Die Fans schwenken ihre Handys. „Immer bist du der Bestimmer“, trällern die Helwigs zur Freude aller auch ihren Lieblingshit.
Konfettikanonen und Leuchtraketen setzen die Aktiven auf der Bühne in Szene, die das Finale einleiten. Das Damenballett entführt ins „Hard Rock Cafe“, wirft die dunklen Umhänge ab und tanzt zu „TNT“ von AC/DC. Die Mitglieder des Männerballetts schuften als Bauarbeiter und transportieren, Muckis zeigend, dabei natürlich auch Bierkästen über die Bühne.
Party bis nach Mitternacht
„Seit 77 Jahren schon mit Leidenschaft und Emotion“, unter dieses Motto hat die N3 ihr Jubiläumsjahr gestellt. Patrick Embach, Matthias Vormehr und Barbara Boll sorgten dafür, dass auch nach Programmschluss und weit nach Mitternacht fröhlich weitergefeiert wird, nicht nur in Schunkelrunden.
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