Lorsch. Lorsch hat Glück. Das unterstrich Dr. Dorothea Redeker in ihrem Vortrag am Donnerstagabend im Paul-Schnitzer-Saal nachdrücklich. Die frühere Vorsitzende des Vereins Kuratorium Welterbe Kloster Lorsch, seit einigen Jahren in der Nähe von Bonn daheim, beleuchtete die sehr erfolgreiche Lorscher Entwicklung in den Jahren 2008 bis 2015. Ihr Referat „Vermittlung ist (fast?) alles“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum Welterbe-Jubiläum setzte zugleich – ungeplant – den Schlusspunkt der Reihe in diesem Jahr. Denn wegen Corona wurden alle folgenden Termine abgesagt.
Anderswo blieb nichts übrig
Warum hat Lorsch Glück? Redeker berichtete etwa von ihrem Besuch in Prüm. An dem Ort in der Eifel gab es einst ebenfalls ein mächtiges Reichskloster, eine Kirche der Benediktinerabtei wurde ebenfalls im Beisein von Karl dem Großen eingeweiht. Im Gegensatz zu Lorsch aber „ist nichts übrig geblieben“, sagte Redeker. Die Lorscher dagegen hätten das Glück, auf der berühmten Königshalle und den umliegenden Relikten aufbauen zu können.
Oft wurde in Lorsch früher beklagt, dass nur wenig originales Bauwerk übrig ist, die Erwartungen von Besuchern enttäuscht werden. Es wurden dann aber endlich doch die Chancen ergriffen, die die Welterbestätte im Herzen der Stadt bietet. Redeker erinnerte insbesondere an den 19. Juli 2014, als das Klostergelände nach mehrjähriger Umgestaltung neu und großzügig präsentiert wurde. Trotz ungemein heißer Temperaturen war der Andrang Interessierter zu dieser Eröffnung riesig. Den „unvergesslichen Tag“ habe sie persönlich auch als einen Tag der „Ruhe, der Zufriedenheit, der Harmonie und des Aufbruchs“ erlebt.
Redeker schilderte, wie die Welterbestätte den „Praxistest“ bestand. In den Jahren zuvor hatte es schließlich heftige Diskussionen um das Klosterareal gegeben. Die Idee der Planer, die Welterbestätte für Besucher nicht von der Torhalle her zu erschließen, sondern chronologisch vom Altenmünster beginnend und mit der Königshalle als Höhepunkt löste zunächst alles andere als einvernehmliche Begeisterung aus. Die Umkehrung der Perspektive aber gelang.
Harte und heftige Diskussionen
In Lorsch sei mit Hilfe zahlreicher engagierter Mitstreiter erreicht worden, viele „lose Enden zusammenzuführen“, lobte sie. Klostermauern, bis dato hinter viel Gebüsch verborgen, wurden freigelegt, der Kirchenrest „genial geöffnet“ und mit Vertiefungen im Boden wurden mögliche Umrisse einstiger Gebäude sichtbar gemacht. „Sehr eindrucksvoll“ sei auch die Präsentation steinerner Zeugnisse in der zum Schaudepot umgestalteten Zehntscheune gelungen. Nach „harten und heftigen Auseinandersetzungen“ habe es sogar eine überzeugende Lösung für den Kräutergarten gegeben.
Redeker erinnerte die Zuhörer an eine Vielzahl von herausragenden Aktionen. Neben dem Umbau des einstigen Schweinestalles zum schmucken Adalher-Haus, der Digitalisierung der Handschriften der bedeutenden Bibliothek und gut besuchten Ausstellungen nannte sie zum Beispiel die „Baustellen-Führungen“, die das Kuratorium organisierte. Insgesamt 25 der Gratis-Veranstaltungen zu oft umstrittenen Themen wurden geboten, bei denen sich Fachleute an Ort und Stelle auch kritischen Fragen stellten. Eine mitunter „undankbare Aufgabe“, wie die Referentin einräumte.
Besonders eine „Gerüstführung“ auf der Königshalle beschrieb sie als „extrem informativ“. Sie regte in ihrem Vortrag an, über eine ähnliche Neuauflage nachzudenken. Dass dem Kuratorium „Lobbyismus“ vorgeworfen wurde, verschwieg die frühere Vorsitzende nicht. Sie und ihr Team hätten keinesfalls Projekte „abgenickt“, stellte sie klar. Der Förderverein habe vielmehr früh das große Potenzial der innovativen Bildungsstätte Lorsch für die ganze Region erkannt, das jede Unterstützung verdient habe. Und Welterbestättenleiter Hermann Schefers habe mit einer Weitsicht, die auch anderen Stätten zu wünschen wäre, lange schon ein Konzept in der Schublade gehabt, als der Bund damals ein Investitionsprogramm für die Kulturdenkmäler auflegte.
Erzählen statt dozieren
Auch die Skepsis gegenüber Lauresham rief die studierte Geografin in Erinnerung. Ein „Disneyland“ ohne historischen Bezug könnte im Klosterfeld entstehen, hatten die Kritiker eingewendet. Redeker zeigte Fotos vom „Massenandrang“ bei der Eröffnung des mit viel Liebe zum Detail angelegten Areals. Lorsch setze bei der Vermittlung erfolgreich auf einen erzählenden, nicht dozierenden Stil.
Ob mit dem Kloster-Netzwerk, dem interkulturellen Ansatz, dem Gewinnen neuer Partner und nicht zuletzt dem ehrenamtlichen Engagement bewahre Lorsch nicht nur ein Baudenkmal und einen „authentischen Ort des Erinnerns“, sondern punkte als Bildungsstätte. Redeker hob die Museumspädagogik und die Angebote für unterschiedlichste Gruppen hervor. Lorsch sah sie als Vorbild und „Mutmacher für andere Welterbestätten“. Lorsch ermögliche Austausch, Begegnung und Teilhabe. Vermittlung sei nicht alles, aber ohne Vermittlung sei alles nichts, meinte Redeker in Anlehnung an ein Zitat Schopenhauers. Viele Forschungsfragen – allen voran zur Torhalle – seien noch immer nicht beantwortet. Die Perspektiven für die Stadt Lorsch seien gut. „Machen Sie weiter was draus“, appellierte sie an die mit Lorsch verbundenen Zuhörer.
Mitdenken erwünscht
Schefers dankte der Referentin für einen „exzellenten Vortrag“. Sie habe den erfolgreichen Kommunikationsprozess mitangestoßen, man habe in Lorsch viel von ihr gelernt. „Diskutieren Sie mit“, sagte der Welterbestättenleiter auch ins Publikum. Er erhoffe sich auch in Zukunft ein Mitdenken und Mitstreiten.
Kritik am „Disneyland“
Dorothea Redeker erinnerte in ihrem Vortrag auch an die Einwände der Kritiker, als Lauresham entstand. Sie befürchteten, in Lorsch könnte ein „Disneyland“ ohne historischen Bezug entstehen.
Die ungewöhnliche Bezeichnung Experimentalarchäologisches Freilichtlabor machte es Laien zunächst nicht einfach, sich die Arbeit dort vorzustellen, räumte die Referentin ein.
Lauresham-Leiter Claus Kropp habe das aber glücklicherweise nicht angefochten.
Das Areal im Klosterfeld vermittle einen anschaulichen Eindruck vom Alltag in der Karolingerzeit, lasse Besucher selbst aktiv werden und widme sich der Forschung, so Redeker mit Blick etwa auf die Wölbäcker und die Grubenhäuser. sch
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