Lorsch. In der Remise, dem kleinen Waldstück zwischen Philosophenweg und Werner-von-Siemens-Schule sind viele Lorscher gern unterwegs: Jeden Tag kann man dort Spaziergänger mit ihren Hunden treffen, Jugendliche, die zur Schule radeln, Mütter, die mit ihren Kindern Eichhörnchen beobachten und Erholungssuchende, die sich an der Natur und dem reichen Vogelgezwitscher dort erfreuen. Der Blick auf neue Kahlstellen hat jetzt allerdings nicht wenige Lorscher erschreckt.
Vom Fichtenweg aus schaut man etwa auf mehrere große Bäume, die frisch gefällt am Boden liegen. Das Areal dahinter ist jetzt ziemlich licht geworden. Von einigen Eichen, zuvor zum Teil knapp zehn Meter hoch gewachsen, sind nur noch Stümpfe im Boden geblieben, die als traurige Stummel aus der Erde ragen. Einige der Bäume waren immerhin mehr als 100 Jahre alt. Beim näheren Betrachten der Jahresringe fallen aber auch gleich die Löcher in den Stämmen auf. Gebohrt hat sie der Eichenbock oder der in den vergangenen Jahren vermehrt hinzugekommene Prachtkäfer.
Die Schädlinge nisten sich bevorzugt in älteren oder durch Trockenheit geschwächten Bäumen ein, fressen sich durch Rinde und Kernholz, saugen dem Baum die Nährstoffe aus und bewirken, dass ihr „Wirt“ schließlich abstirbt. Mehrere der Käferarten, gegen die es bislang kein effektives naturverträgliches Mittel gibt, zählen hierzulande zu den gefährdeten und geschützten Arten. Bis man erkennt, dass sie einen Baum befallen haben, ist es für dessen Rettung meist zu spät.
Hinterm Zaun wächst neues Grün
Es gibt in der Remise nicht nur Kahlstellen, sondern auch erfreulichen Nachwuchs. Auf dem Gelände, das dem lichten Areal zur Schule hin gegenüber liegt, sprießt es üppig. Der Wald dort entwickelt sich gut, auch mit Unterstützung der Freunde der Remise, die ein Auge auf ihn haben.
Das Areal, das der Lorscher Gewerbeverein zu seinem 125-jährigen Bestehen für eine große Baumpflanz-Aktion ausgewählt hatte, stimmt gleichfalls zuversichtlich. Es ist inzwischen umzäunt, damit Rehe nicht an den kleinen Eichen und Douglasien knabbern. Die Aktion zeigt aber natürlich auch, dass es Jahrzehnte dauert, bis ein Baum zu einem eindrucksvollen Prachtexemplar gewachsen ist. „Es ist nicht mehr der gleiche Wald“, heißt es daher bei Remise-Freunden mit Wehmut. sch
„Es sieht furchtbar aus“, heißt es aktuell auch von Aktiven im Freundeskreis Remise über das Lorscher Grüngelände. Die Gruppe, in der sich rund 20 bis 30 Lorscher engagieren, kümmert sich ehrenamtlich seit vielen Jahren um das kleine Waldstück. Die Remise-Freunde gießen Pflanzen, wenn es zu wenig regnet, sie schneiden Gestrüpp etwas zurück, wenn es den Aufwuchs junger Bäume behindert oder nachwachsende Kiefern zu ersticken droht. Sie entfernen Müll, den andere in die Landschaft werfen. Sie haben freie Flächen hin und wieder auch mit einer widerstandsfähigen Douglasie bepflanzt oder mit einer Flatter-Ulme geschmückt und entlang von Fichten-, Kamm- und Drei-Eichenweg auch Wegebegleitgrün gesetzt.
Letzteres ist den jüngsten Baumfällarbeiten allerdings zu einem großen Teil zum Opfer gefallen. Um die Bäume zu entfernen, ging es bei der Fäll-Aktion offenbar mit vergleichsweise schwerem Gerät in die Remise, sagen diejenigen, die auf die noch deutlich sichtbaren Reifenabdruckspuren auf dem Boden hinweisen. Die Fahrzeuge haben jedenfalls keine besondere Rücksicht auf die schönen Berberitzen nehmen können, ein schmaler Weg wurde durch die Fahrzeuge unfreiwillig deutlich verbreitert.
Es sehe aus, als sei „ein Taifun“ über die Remise gefegt. Das Lorscher Erholungswaldstück sei „zerstört“, formuliert Werner Groß, Sprecher des Freundeskreises. Die Wege könnten die Remise-Freunde aber wieder in Ordnung bringen, beruhigt er. Die Mitarbeiter der Firma hätten professionell gearbeitet, unterstreicht er. Darüber wolle niemand „meckern“. Sehr gefreut hat es Groß auch, dass drei Eßkastanien, die von den Waldfreunden gepflanzt wurden und gefährlich nahe am Einsatzort stehen, verschont blieben. Auch der „Wollige Schneeball“, ein Blickfang von Strauch mit weißen Blüten, ist zwar ramponiert worden, wird sich aber wohl wieder fangen und den Einsatz überleben.
Sorgen machen sich er und manche Lorscher gleichwohl über die Zukunft der Remise, den „Restwald“. Bleibt die lichte Stelle, an deren unschönen Anblick man sich nicht gewöhnen mag, vielleicht auf Dauer so kahl? Wenn es nach Knud Dockendorf geht, der bei Hessen-Forst für das Revier Lorsch und Bürstadt zuständig ist, muss man diese Befürchtung nicht haben.
23 Bäume mussten weg
Ja, es ist richtig, dass mehr als 20 große Bäume, vorwiegend Eichen, in der Remise fallen mussten, bestätigte Dockendorf gestern auf BA-Nachfrage. 23 Exemplare waren es, die entnommen werden mussten, berichtet er. Aus „Verkehrssicherungsgründen“, erklärt der Fachmann. Die betroffenen Bäume stellten in dem stark frequentierten Gebiet in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern, Schule und einem Spielplatz andernfalls eine Gefährdung dar.
„Leider Gottes“, bedauert Dockendorf, seien derzeit viele Bäume „abgängig“. Gegen den Prachtkäfer könne man „nicht wirklich etwas tun“ – zumindest dann nicht, wenn man den gefräßigen unerwünschten Bewohner nicht schon sehr früh im Baum erkennt. Und das ist schon deshalb schwierig, weil dieser meistens zuerst in die Krone gehe.
Eiche und Kiefer folgen noch
Beendet ist die Aktion in der Remise zudem noch nicht ganz. Zwei weitere Bäume müssen weichen, so Dockendorf. Die noch auf der Liste stehende Eiche und die Kiefer müssten wegen einer nahen Stromleitung von oben abgetragen werden.
Dass die bereits erfolgten Fällungen der anderen Bäume mit besonders schweren Geräten ausgeführt worden seien, sei nicht richtig, sagt er. Es habe sich um „normales forstwirtschaftliches“ Gerät gehandelt.
Das Stammholz der gefällten Bäume soll noch wegkommen, ein Teil der Eichen soll als Brennholz verkauft werden. Eine Aufforstung ist für den Herbst vorgesehen, so Dockendorf auf Nachfrage. Mit welchen Baumarten die Begrünung geschieht, ist derzeit noch offen. Dass auch wieder Eichen dabei sein werden, ist nicht ausgeschlossen. Es sei grundsätzlich auch künftig mit ihnen zu rechnen.
Sorgen, dass die gelichtete Remise nicht mehr grün, sondern vielleicht kahl und irgendwann dann gar Baugebiet werden könnte, teilt Dockendorf nicht. Es handle sich um Landschaftsschutzgebiet, sagt er. Dass „der Wald ein Wald bleibt“, sei „auch unser Interesse“, fügt der Mitarbeiter von Hessen Forst an.
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