Lorsch. Bei Temperaturen von knapp 20 Grad zog es gestern jeden nach draußen – und zahlreiche Bergsträßer steuerten Lauresham an. Denn dort wurde gestern die neue Saison eröffnet. Verbunden war der Start mit einem Frühlingsfest plus Feldtag. Es gab Rinder und Pferde zu sehen, die wie anno dazumal einen der Äcker in Lauresham pflügten, allerlei lebhafte Hühner und Schafe, und wer wollte, konnte manches auch selbst ausprobieren: Wolle schlagen zum Beispiel.
Die Mitglieder der Wollschlägerzunft hauten einst mit Ruten Dreck und Verunreinigungen aus der Rohwolle, um diese so für das Spinnen vorzubereiten. Wie unendlich lange es dauert, bis am Spinnrad dann ein dickes Fadenbündel entsteht, konnte jeder live miterleben. Ulrike Flick und Bärbel Habel hatten Wolle von unterschiedlichsten Schaf- und Ziegenrassen zum Anfassen ausgelegt und antworteten geduldig auf die vielen Fragen der Zuschauer. Wer kennt schon die schwarzen Zackelschafe mit ihren doppelt gedrehten Hörnern oder hat je das Vlies einer Kaschmirziege in der Hand gehalten? Bis die wertvollsten Fasern ordentlich sortiert sind, hat man gut zu tun.
Färben von Wolle und Handwerkskunst des Nadelbindens
Einige Meter weiter ließen sich Mitglieder der Familia Carolina beim Färben der Textilien mit Naturmaterialien über die Schulter schauen. „Das sind Zwiebeln“, war ein Besucher beim Blick in den Kochtopf sicher. Es handelte sich aber um Goldrute. Auch mit Krappwurzeln und Walnüssen wurde Farbe in die Wolle gebracht. Zudem war die Technik des Nadelbindens zu bewundern. Mit einer einzigen kleinen Nadel aus Holz oder Knochen entstehen in unterschiedlicher Knotentechnik zum Beispiel wärmende Arm- oder Beinstulpen. Ein Vorteil des in Nadelbinden gefertigten Werkes: Laufmaschen sind dabei nicht zu befürchten, berichteten die Fachfrauen über diese Handarbeit.
Zwei kräftige dunkle Pferde der selten gewordenen Rasse Pfalz-Ardenner hatte Hubertus Assmann mitgebracht. Seine 14 Jahre alte Stute und ein sechs Jahre alter Hengst zeigten vor viel Publikum, wie ein Acker mit einem Kipp-Pflug bearbeitet wird. Bodenschonend, wie der Bauer berichtete, der sich in seinem landwirtschaftlichen Betrieb längst von Traktoren verabschiedet hat. Um alles außer Zuckerrüben kümmere er sich auf seinen rund 14 Hektar Land, erzählte er im anregenden Gespräch mit Besuchern. Die Zuhörer staunten noch mehr, als sie erfuhren, dass Assmann nicht nur „subventionsfrei“ lebt, sondern mittlerweile sogar gut ohne Strom auskommt.
Informationen über den Vorteil von Zugpferden in Land- und Forstwirtschaft
Lauresham-Leiter Claus Kropp zeigte die Bewirtschaftung der Wölbäcker mit den beiden Rindern Nancy und dem 17 Jahre alten David. Viele Zuschauer hielten Eindrücke der mühsamen Arbeit mit ihren Smartphones fest. „Heute machst du einfach einen Motor an“, stellten die Zuschauer fest.
Mit welchen Hilfsmitteln Ackerböden in früheren Jahrhunderten gelockert wurden, zeigte eine kleine Ausstellung alter Pflüge. Landwirt Thomas Lang erläuterte auf Wunsch gerne die Details zum Beispiel eines schmucken Streichbrettpflugs aus Holz.
Ein paar Schritte weiter hatte Doreen Hanßmann einen Infostand aufgebaut. Gemeinsam mit Mitstreitern informierte die Vorsitzende der Interessengemeinschaft Zugpferde über die Vorteile des Einsatzes solcher Tiere in Forst- und Landwirtschaft. „Das ist keineswegs Nostalgie pur“, erläuterte die Vereinsvorsitzende entschieden. Arbeitspferde sind unter ökologischen Gesichtspunkten die mit Abstand modernsten „Zuggeräte“, weiß Hanßmann. Viele private Waldbesitzer schickten längst lieber bodenschonende Kaltblutpferde als große Maschinen in den Wald, fügt sie an. Die Interessengemeinschaft ist ein bundesweit tätiger als gemeinnützig anerkannter Verein. Am Stand gab es jede Menge Infomaterial über das Holzrücken mit Pferden und sogar ein Bilderbuch für Kinder dazu.
Nachfrage nach privater Hühnerhaltung gestiegen
Ein starker Anziehungspunkt waren gestern auch die Hühnerställe, die Gerhard Knapp und Thomas Holzhauer nach Lorsch transportiert hatten. Prächtige Vertreter der Rasse Dominikaner mit ihrem einzigartigen gesperberten Farbschlag präsentierten sich zum Beispiel. Die Nachfrage nach privater Hühnerhaltung ist seit Corona stark angestiegen, so der Kleintierzüchter. Statt sich reine Legehennen zu kaufen, empfehlen Experten wie Knapp, sich lieber Rassehühner anzuschaffen, die auch Eier legen, denn diese seien meist robuster.
Wie man Eier haltbar macht
Bei den Kleintierfreunden konnte man Erstaunliches erfahren: Dass Hühner über ein beachtliches Erinnerungsvermögen verfügten etwa. Und dass sie nicht nur auf ihren eigenen Namen reagieren, sondern sich auch den einiger Artgenossen merken. Hühner könne man im Übrigen auch ohne Hahn halten, so Knapp mit Blick auf Nachbarn, die sich durch lautes Kikeriki gestört fühlen.
Wie man Eier früher ohne Kühlschrank haltbar machte, lernten Interessierte bei Ina von Lehsten: Man umgab sie zum Beispiel mit Lehn, Wachs oder Kalk. Die Lauresham-Mitarbeiterin zeigte außerdem auch schöne Flaschenkürbisse, die getrocknet höchst praktisch waren, etwa als wasserdichte Gefäße geschätzt wurden.
Eine Lieblingsstation bei jungen Familien war erneut das weiße Ziegengespann, mit dem Kinder über das Areal kutschiert wurden. „Das waren die Autos von früher“, erklärte ein Junge seinem kleinen Bruder. Nicht nur den jungen Besuchern machte dieser Ausflug ins Mittelalter sichtbar großen Spaß. Immer wieder fragten Besucher auch nach, ob sie Tiere streicheln dürften – meistens war es erlaubt. Wer nach Herzenslust selbst kreativ werden wollte, war zum Töpfern eingeladen. Es entstanden unter anderem Igel, Eulen, Würfel und Kerzenständer für daheim.
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