Lorsch. „Mama, Esel!“, rief ein kleines Mädchen aufgeregt und versuchte, seine Mutter Richtung Koppel zu bewegen. Grautiere gab es dort zwar nicht. Der Anblick der Ochsen auf dem Freigelände enttäuschte aber niemanden. Auch die jüngste Generation der Lauresham-Rinder zieht – wie einst die Vorfahren David und Darius – viel Publikum an. Dimo und Don, Nachwuchsgespann im Freilichtlabor, sind jeweils erst vier Jahre alt, gehören aber bereits zu den Stars in Lorsch und sind oft auch bereits als fleißige Arbeitstiere im Einsatz.
Sie sind nicht die einzigen Attraktionen. Als die Schlösserverwaltung am Sonntag zum Herbstfest in Lauresham eingeladen hatte, nutzten hunderte Besucher die Möglichkeit, das Areal im Klosterfeld kostenlos zu erkunden. Für jeden waren spannende Stationen dabei, an vielen konnten Interessierte auch selbst aktiv werden. Der Saisonabschluss sorgte für einen Publikumserfolg und neuen Herbstfest-Rekord. Gezählt wurden 2760 Besucher, wie Lauresham-Leiter Claus Kropp gestern auf Nachfrage erfreut berichtete.
Begeisterte Reaktionen riefen neben den Ochsen unter anderem auch die Hühner hervor. Sie hatten ihren Stall verlassen und unternahmen einen Ausflug in den benachbarten Lauresham-Gemüsegarten, um dort ausgiebig zu scharren. An dem prächtigen Hahn, der mit lautem Kikeriki durch die Beete stolzierte, konnten sich auch viele Erwachsene kaum sattsehen. Er war am Sonntag ein gefragtes Foto- und Video-Motiv.
Wer wissen wollte, was im frühmittelalterlichen Herrenhof angebaut wird, konnte alles bei Christiane Tydecks erfahren. Die diplomierte Forstwirtin klärte darüber auf, dass neben den Minzen keineswegs Liebstöckel gedeiht, wie Besucher annahmen, sondern Sellerie. Sie informierte sehr fachkundig über Bärlauch, Artischocken, verschiedene Kohlsorten und erläuterte, dass der Rosmarinstrauch auch deshalb so üppig auf eher trockenem Boden wächst, weil man in Laureham weiß, dass er „keine nassen Füsse“ mag.
Gänse erinnern ans Martinsfest
Für die bildschönen Lauresham-Gänse, am Rand des Freilichtlabors untergebracht, gab es weniger Aufmerksamkeit. Das war ihnen möglicherweise recht. Der Anblick der wohlgenährten Tiere erinnerte drei erwachsene Besucher schließlich sofort an ein in Kürze bevorstehendes Datum. „St. Martin rückt näher“, stellten sie fest. Von der Gänseschar in Lauresham wird dabei aber kein Mitglied in wenigen Tagen ein Festtagsbraten werden. Das versicherte Claus Kropp gestern auf BA-Nachfrage.
Hunger musste beim Herbstfest sowieso niemand aushalten. Zur Stärkung wurden unter anderem Bratwurst, Waffeln und Popcorn angeboten. Wer wollte, konnte gratis zudem Wein aus Lorscher Klosterlagen probieren, der Welterbe-Förderverein schenkte zum Beispiel einen Roten Riesling aus. Eintopf konnte man in einer einladenden Runde am offenen Feuer genießen. Dort wurde zudem gesungen und ein Musiker spielte.
Töpferwaren, handgeschnitzte Löffel und Handschmeichler aus Pflaumenbaumholz
Stände von Handwerkern aus Lettland bildeten diesmal einen zusätzlichen Schwerpunkt. Die Gäste stammten aus dem Zentrum Ludza und waren vor zehn Jahren am Aufbau von Lauresham beteiligt. Zum Jubiläum hatten sie selbst gefertigte Handwerkskunst mitgebracht, die auch verkauft wurde. Die Töpferwaren beeindruckten viele Besucher ebenso wie die handgeschnitzten Löffel in allen Größen und aus vielerlei verschiedenen Hölzern gearbeitet. Ein Hingucker und Handschmeichler zugleich waren besonders die Schnitzwerke aus Pflaumenbaumholz.
An vielen Stationen wurde gearbeitet. Interessierte durften zuschauen, Fragen stellen und manches auch selbst ausprobieren. So fein gemusterte Wollhandschuhe und Mützen, wie sie beim Herbstfest zu sehen und zu erwerben waren, gelingen aber natürlich nur mit viel Übung und außerordentlichem Geschick. Manche Teile entstanden mit einer einzigen kleinen Nadel.
Weiße Ziegen zogen Leiterwagen durch Lauresham
Wie lange es dauert, bis ein Fischer- oder ein Transportnetz geknüpft ist, konnte man an einem Stand mitverfolgen, der von Mitgliedern der Living-History-Gruppe Familia Carolina betreut wurde. Mit zwei Brettchen in Filettechnik wuchsen aus Hanf – dieses Material ist nässeresistent – Masche um Masche. Die Idee eines Vaters, sein Sohn könne sich in Lauresham vielleicht auch ein Fußballnetz knüpfen, lehnte dieser dankend ab. Mehrere Stunden braucht ein erfahrenes Mitglied der Familia Carolina, bis ein einfaches Netz fertig ist. Solche Geduld wurde von Besuchern sehr bewundert.
Einen etwas schnelleren Erfolg versprach ein Besuch der Töpferwerkstatt. Dort konnte man kleine Objekte selbst kneten. Berenike Neumeister half, wenn es gewünscht wurde. Einen Glücksmoment erlebte etwa ein vierjähriger Dino-Fan, der einen schmucken kleinen Dinosaurier bastelte. Damit dieser unverletzt nach Hause transportiert werden konnte, wurde er im Innern mit Zahnstochern stabilisiert.
Für viel Spaß sorgte erneut Ludwig Bär. Er spannte seine acht weißen Ziegen vor einen Leiterwagen und Kinder konnten sich zur großen Freude auch ihrer Eltern durch Lauresham kutschieren lassen.
In der Saisonpause gibt es keine öffentlichen Führungen in Lauresham, gebuchte Angebote laufen aber. Der erste große Thementag 2025 startet im Januar.
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