Lorsch. Es war an der Zeit für ein solches Intro: Mit einem Lied von Hannes Wader hat Moderator Daniel Helfrich am Dienstag den Kultursalon im Theater Sapperlot eröffnet. „Es ist an der Zeit“ spielt am Grab eines jungen Mannes, der im Ersten Weltkrieg gefallen ist.
Der Song beleuchtet die Sinnlosigkeit des Krieges und die Schicksale junger Männer, die voller Ideologie wie Marionetten der Machthaber in den Tod ziehen. Egal wann, egal wo. Ein zeitloser Song, der aber auch die leise Hoffnung ausdrückt, dass es immer mehr Menschen geben wird, das massenhafte Sterben zu verhindern.
Bewegender Auftakt
In den 80er Jahren wurde das Stück zu einer zeitlosen Hymne der Friedensbewegung. Das Original „No Man’s Land“ sang bereits 1976 der schottisch-australische Liedermacher Eric Bogle unter dem Eindruck der Militärfriedhöfe in Flandern und Nordfrankreich. „Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen, so wie sie es mit uns heute immer noch tun“, heißt es im Text. Daniel Helfrich hat das Lied ebenso behutsam wie kraftvoll zum Piano intoniert. Ein intensiver, bewegender Auftakt zu einem Abend, der zwar der leichten Unterhaltung gewidmet war, dem das kritische Intro aber überaus gut zu Gesicht gestanden hat. Die Unmöglichkeit des Unpolitischen – im Kultursalon wurde sie bestätigt. Der lauteste Applaus war zugleich der erste.
Doch die Kultur atmet durch Kontraste. Mit Boris Meinzer hatte Helfrich einen Radiomann eingeladen, der in der Szene als „FFH-Dummfrager“ bekannt ist und in Lorsch tief im Hörfunk-Archiv gestöbert hat. Zwar beschränkte sich sein Auftritt auf das Vorspielen von ein paar Audio-Dateien, doch insbesondere die Versprecher und kombinatorischen Sprachperlen der Nachrichtenkollegen wie „Ratzinger wird Papst, Teufel tritt zurück“ aus dem Jahr 2005 (gemeint war der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel) haben für etliche helle Momente gesorgt.
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Auch jene auditiv falsch verstandenen Formulierungen in Liedzeilen, die man mit Verweis auf den beispielhaften Snap-Songtitel „I´ve Got The Power“ in der Kategorie „Agathe Bauer“ einordnet, sind alles andere als unlustig. Wo einer „Oh, my feelings grow“ singt, kann man ohne viel Fantasie auch „Oma fiel ins Klo“ verstehen.
Etwas gehaltvoller und musikalisch deutlich hochklassiger war der Auftritt von Sängerin Michelle Walker und Gitarrist Daniele Aprile. Das Duo aus Weinheim servierte smoothen Vocal-Jazz und feinste Saitenkunst mit viel Herz und Seele. Aprile kennt man unter anderem als Mitmusiker von Thomas Siffling, Erwin Ditzner oder Cassandra Steen.
Walkers Stimme changiert fein perlend zwischen Jazz, Soul und Pop. Eindrucksvoll nachzuhören bei Titeln wie „Rolling in the Deep“ von Adele oder „Purple Rain“ von Prince. Aber auch bei „Forget Regret“ und dem Standard „Summertime“ offenbarte die studierte Jazzsängerin brutal viel Swing und emotionale Tiefe. Damit ging es in die Pause des Kultursalons, der einmal mehr überaus gut besucht war. Das Format, ein facettenreiches Überraschungsei aus Comedy, Kabarett und Musik – kommt über 13 Jahre nach der Premiere noch immer bestens an.
Und immer wieder streift der Salon auch das Varieté-Genre. Mit Tim Becker, 2016 im Vorentscheid für den Kleinkunstpreis „Lorscher Abt“, war ein alter Bekannter im Sapperlot. Der 41-jährige Niedersachse hat der zumeist etwas brav und bieder daherkommenden Kunst des Bauchredens eine feine Portion Bösartigkeit geschenkt, die dem verbalen Puppenspiel überaus gut tut. Neben einem frechen Karnevalspräsidenten war es am Dienstag vor allem ein zutiefst aggressiver weißer Plüschhase namens Karl, der den Auftritt im positiven Sinn aufgemischt hat und einen nicht minder unterhaltsamen Abgang hatte: über eine winzige Wendeltreppe in seinem Zauberzylinder.
„Der perfekte Mann“
Zum Finale präsentierte „Der unglaubliche Heinz“ alias Comedian Heinz Gröning Ausschnitte aus einem aktuellen Programm „Der perfekte Mann“. Ein Beziehungsratgeber für härtere Charaktere, bei dem der studierte Mediziner zwischen Zoten und Zynismus tänzelt und hinter einer eher kernigen Figuren-Fassade immer wieder mit feinsinnig lakonischen Pointen überrascht – auch in Begleitung einer Stromgitarre, die er in früheren Bühnenprogrammen gerne einmal anzuschreien pflegte.
Auch Daniel Helfrich widmete sich zwischendurch dem Thema Partnerschaft: Sein „Trennungslied“ machte deutlich, dass Abschiede und Distanzen nicht immer schmerzhaft sein müssen. An diesem Abend war es anders: Dieser Kultursalon hätte gerne noch ein paar Takte länger dauern können.
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