Offener Brief

Förderverein warnt vor Stillstand am Lorscher Welterbe

Welterbe-Förderer rufen zu stärkerem öffentlichem Diskurs auf. In der politischen Debatte finde das Kloster kaum statt. Fehlendes Engagement könne zum langsamen Sterben des Welterbes führen

Von 
Nina Schmelzing
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Die Weltererbe-Förderer vermissen unter anderem eine Debatte über das Konzept für das Museumszentrum, das 1995 eröffnet wurde. Es sei wichtig, die Strahlkraft der Welterbestätte auch außerhalb der Klostermauern fortzusetzen. © Dietmar Funck

Lorsch. Im Vorstand des Vereins zur Förderung der Welterbestätte Kloster Lorsch wird vor einem möglichen „langsamen Sterben des Welterbes“ gewarnt. Der Verein mit Udo Traeger, Markus Langsdorf und Eleonore Jungmann-Ginkel an der Spitze, der in den ersten Jahren unter dem Namen Kuratorium Weltkulturdenkmal Kloster Lorsch bekannt war, will deshalb erreichen, dass das Lorscher Kloster stärker auch von der Politik beachtet wird. Der Vereinsvorstand hat daher einen Offenen Brief verfasst.

Gefährlicher Gewöhnungseffekt verführt zum Nichtstun

Vieles laufe gut, heißt es vom Verein mit Bezug etwa auf Auftritte im Freilichtlabor Lauresham, am Welterbetag und bei Projektförderungen. Der Vereinsvorstand bemängelt allerdings eine „erlahmende Diskussion“ um die Zukunft des Welterbes. „Wir wissen von anderen Welterbestätten, dass sich – sei es in der Bevölkerung als auch in der Lokalpolitik – eine Art Gewöhnung einstellt nach dem Motto: Schön, dass es da ist, da brauchen wir ja nichts mehr beizutragen“, ist im Verein zu hören.

Dies allerdings sei ein „großer Irrtum“, heißt es im Förderverein. „Auch wenn es ein historisches Kleinod ist, bedeutet Stillstand, fehlende Visionen und Engagement das langsame Sterben des Welterbes“, befürchten Mitglieder. Mit ihrem Offenen Brief wollen sie dieser Entwicklung „entschieden entgegentreten“. Die Fraktionen der in der Lorscher Stadtverordnetenversammlung vertretenen Parteien wurden bereits angeschrieben.

„Ziel soll es sein, mit der Politik in Lorsch ins Gespräch zu kommen und die Welterbestätte wieder etwas mehr in den Fokus zu rücken“, erläutern die Verfasser.

Auch die Vereinsmitglieder wüssten zwar nicht, wie viele Besucher wegen des Klosters nach Lorsch kommen, ohne eine Führung an der Welterbestätte oder dem Freilichtlabor zu buchen. Über die Besuchszahlen wurde in den vergangenen Jahren öfter auch öffentlich diskutiert. „Wir können auch nicht sagen, welche Beträge diejenigen, die Lorsch einen Besuch abstatten, am Ende hierlassen“, räumt der Vorstand ein. Unstrittig aber sei, dass es in der Lorscher Ortsmitte ohne das Welterbe anders zuginge.

Die Restaurants, Cafés und Eisdielen, Apotheken sowie der Einzelhandel in Lorschs Innenstadt generell stünden anders da, würden nicht an die hunderttausend Besucher jedes Jahr wegen der Welterbestätte nach Lorsch kommen, so der Förderverein. „Der Benefit für Lorsch ist für jeden, der versucht, sonntagnachmittags auf dem Marktplatz einen freien Tisch zu ergattern, augenfällig – auch ohne, dass Tourismusexperten für viel Geld ermitteln, wie hoch er genau ist“, schreibt der Vereinsvorstand in seinem Offenen Brief.

Kloster findet in der politischen Diskussion kaum statt

„Wir vom Förderverein fragen uns, ob die Stadtverordneten, die die Geschicke der Stadt lenken, sich der Bedeutung der Welterbestätte bewusst sind“, heißt es darin weiter. „In der politischen Diskussion jedenfalls findet das Kloster – trotz zahlreicher Themenfelder, die zu beackern wären – so gut wie nicht statt“, beklagt der Vorstand des Vereins und nennt beispielhaft etwa das Museumszentrum.

„Wir haben mit der Sporthalle Ehlried gerade erst die Erfahrung gemacht, dass Bau- und Modernisierungskosten im Laufe der Zeit nicht geringer werden“, erinnern die Welterbe-Förderer an die lange Zeit bis zum Spatenstich dort. Welches Konzept verfolgt die Stadt als Eigentümerin der ehemaligen Marmeladen- und Kunsthonigfabrik? Das wollen die Welterbe-Förderer wissen, die bei diesem Thema „den öffentlichen Diskurs darüber vermissen, was die Stadt Lorsch tun kann, um die Strahlkraft der Welterbestätte auch außerhalb der Klostermauern aufzugreifen und fortzusetzen“. Dass das Museumszentrum in die Jahre gekommen ist, kann – unabhängig vom Brief des Fördervereins – niemand bestreiten. Eröffnet wurde das Haus 1995.

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Nina Schmelzing
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Enttäuscht von einer bislang fehlenden öffentlichen Diskussion vorab zeigt sich der Vereinsvorstand auch beim von der Entwicklungsgesellschaft Lorsch (EGL) erworbenen Grundstück in unmittelbarer Nähe.. Die Zukunft des Areals, das ehemals vor einer Pizzeria, dann von der sehr gut frequentierten „Klosterbar“ bewirtschaftet wurde, interessiert viele Lorscher. Die Aktiven beim Förderverein fragen: „Finden diejenigen, die Politik in Lorsch gestalten, nicht auch, dass hier ein politischer Diskurs geführt werden sollte?“

Sichern, dass es nicht nur um wirtschaftliches Interesse geht

Vor einigen Wochen wurde in einer öffentlichen Sitzung des Bau- und Umweltausschusses von EGL-Geschäftsführer Matthias Herbener zwar ein Entwicklungskonzept für die Adresse Nibelungenstraße 37 vorgestellt. Danach soll zwischen Museumszentrum und Klostercafé nach dem Abriss der bisherigen Immobilie ein hochwertiger Neubau entstehen.

Im Erdgeschoss ist ein Ladenlokal vorstellbar, im Ober- und Dachgeschoss sollen Wohnungen entstehen. Über das Konzept habe man in Expertenrunden beraten, hieß es in der Sitzung des Bauausschusses Ende Juni. Der Förderverein stellt die Frage: „Ist sichergestellt, dass am Ende nicht ausschließlich die (kurzfristigen) wirtschaftlichen Interessen der EGL im Vordergrund der Überlegungen stehen?“

Und natürlich beschäftigt die Mitglieder des Welterbe-Fördervereins auch weiterhin die Ankunftssituation rund ums Kloster, die viele als nicht optimal beurteilen. „Gibt es tatsächlich nur ein Ganz oder Gar nicht, ein Entweder–Oder, um die Ankunftssituation für die Besucher Lorschs nicht nur befriedigend, sondern attraktiv zu lösen?“, sorgt sich der Verein mit Blick auf die Parkplatzsituation.

„Es scheint, dass mit der Erweiterung des Wohnmobilstellplatzes in der Odenwaldallee Fakten geschaffen werden, um einen weiteren Diskurs zu unterbinden“, schreiben die Vereinsvorstandsmitglieder in ihrem offenen Brief. sch/red

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