Lorsch. Ist von traditionsreichen Gesangvereinen die Rede, dann ist das oft mit der Sorge um ihren Weiterbestand verbunden. Nachwuchsmangel, Überalterung, Liedgut aus dem vorvorigen Jahrhundert, das kaum noch jemanden lockt, sind die Stichworte. Bei der Lorscher Germania ist das ganz anders. Der Männergesangverein feiert in diesem Sommer sein 125-jähriges Bestehen. Und von Auflösungstendenzen ist bei ihm glücklicherweise überhaupt nichts zu spüren.
Sein stolzes Alter merkt man ihm im Gegenteil nicht an. Er präsentiert sich weder betagt noch müde oder verzagt, sondern mitgliederstark und fidel, vorbildlich trainiert und bestens in Form und blickt daher mit gutem Grund weiterhin zuversichtlich nach vorn. Zum Jubiläumskonzert füllte die Germania locker das Freizeitgelände am Sachsenbuckel. Die Erwartungen der 300 begeisterten Zuhörer wurden nicht enttäuscht. Es gab donnernden Beifall und Bravo-Rufe für das stimmungsvolle Open-Air-Konzert unter der musikalischen Leitung von Marc Bugert.
Drei Zugaben erklatschte sich das hochzufriedene Publikum der See-Reise, die aufs und übers weite Meer führte. „Alle Mann an Bord“ lautete das ausgewählte Motto. Bei vielen bekannten Titeln, wie zum Beispiel dem Segler-Song „I’m sailing“ sangen Zuhörer gerne mit. Die Germania traf genau den Geschmack der Besucher und sorgte für allseits gute Laune.
Premiere mit einem Blasorchester
Zum Erfolgsgeheimnis des Lorscher Vereins gehört Offenheit für Neues. Das Jubiläumskonzert spielte die Germania zum Beispiel erstmals öffentlich gemeinsam mit einem Blasorchester. Die Zusammenarbeit mit dem rund 50 Mitglieder umfassenden Orchesterverein Heidelberg-Handschuhsheim, der erstmals in Lorsch gastierte, gelang bestens.
Die Musiker, im Wechsel dirigiert von Daniela Myslik und Dr. Philipp Forster, führten ihre Zuhörer unter anderem nach New York und – mit der Filmmusik aus „König der Löwen“ – bis in die Steppe Kenias und zu Simba. Beim Abba-Medley klatschte das Publikum auch ohne Aufforderung rhythmisch mit.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Wie schafft es die Germania, immer wieder auch junge Stimmen zu gewinnen? Sie ruft beispielsweise einen Projektchor ins Leben. „Vocal Men Power“ ist für alle diejenigen gedacht, die mit dem Gedanken spielen, in Gemeinschaft zu singen, vor festen Vereinsstrukturen aber Bammel haben. Einige Monate bis zum Jubiläumskonzert konnten Interessierte im Lorscher Projektchor mitwirken.
Nach dem umjubelten Auftritt am Wochenende im Depot, als „Vocal Men Power“ erfolgreich Titel wie etwa „Santiano“ und „Wellerman“ sowie „Leave her, Johnny“ darbot, steht fest: Eine Handvoll der „Vocal Men Power“-Aktiven will die Sängergemeinschaft nicht mehr missen und macht jetzt bei der Germania weiter.
Einen jungen Chor hat der Männergesangverein, der die Lyra im Wappen trägt, sowieso schon lange. Taktfest heißt er. „Weit, weit weg“ von Hubert von Goisern stimmte die Gruppe an, deren Mitglieder die roten Halstücher zum Teil wie Piratentücher um den Kopf gebunden hatten.
Zuhörer mit Gänsehaut
Von Schnee und kaltem Wind handelt der Song des österreichischen Liedermachers. Einer der Zuhörer zeigte seinen Begleitern spontan seinen Arm: Gänsehaut sahen sie – die kam allerdings weder vom speziellen Liedtext noch von den angenehmen Außentemperaturen an dem sommerlich-warmen Abend im Depot, sondern einzig und allein vom Bühnenprogramm, an dem alles stimmte.
Auch „Die Ärzte“ hat die Germania im Repertoire. Bei Refrains wie „Ich hab’ solche Sehnsucht / Ich verliere den Verstand / Ich will wieder an die Nordsee / Ich will zurück nach Westerland“ brauchte das Publikum – darunter Landrat Christian Engelhardt ebenso wie Bundestagsabgeordneter Dr. Michael Meister – kein Textheft, um sicher mitzusingen.
Im ersten Teil kamen unter anderem deutsche Klassiker wie „Die Gitarre und das Meer“ zu Gehör. Sonder-Applaus gab es für die Solisten Nils Engel und Yannick Schmitt sowie für den Leiter Bugert, der die Chöre dirigierte und zugleich Piano spielte. Auch für die reibungslose Technik, gemanagt von Matthias Braun, die Öffentlichkeitsarbeit von Karlheinz Mulzer und die Bewirtung, dankte Germania-Vorsitzender Klemens Diehl-Blust. Dass neben der Stadt Lorsch auch Einhausen einen Beitrag leistete (bei den Bühnenelementen), unterstrich er.
Hervorgehoben wurde auch Daniel Hartnagel, der nicht nur mit Gesang, sondern auch mit dem Akkordeon das Konzert unterstützte. Er ist mit seinem Alter (Anfang 30) zugleich ein gutes Beispiel für den gelungenen Generationen-Mix bei der Germania. Dass er selbst früher angenommen hatte, der Verein sei „ein Club alter Männer“, der „eingestaubtes Liedgut brummle“, damit in Lorsch aber völlig falsch lag, räumt er freimütig ein.
Glückwünsche von Präsidenten
Weil sich die Germania einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat, ist es auch kein Wunder, dass zum Jubiläum viele Glückwünsche auch von weither kamen: von Ministerpräsident Boris Rhein und von Christian Wulff als Präsidenten des deutschen Chorverbandes etwa. Zum Finale stand „The Battle Hymn of the Republic“ auf dem Programm. Ins „Glory, Glory Hallelujah“ stimmten die Besucher ein und man dürfte den eindrucksvollen Abschluss weit übers Depot hinaus vernommen haben.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch_artikel,-lorsch-kein-eingestaubtes-liedgut-fuer-die-lorscher-germania-_arid,2108577.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html