Theater Sapperlot

Jubiläumsshow zum 100. Lorscher Kultursalon

Der Kultursalon ist nicht nur eine offene Bühne für Stars und Sternchen der Szene, sondern auch eine Voraussetzung für eine Nominierung zum Kleinkunstpreis Lorscher Abt, der im Vorjahr zum achten Mal vergeben wurde.

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Thomas Tritsch
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Der 100. Kultursalon wurde von Künstlern und Publikum gleichermaßen gefeiert. Auch Preisträger des Lorscher Abts wie Alix Dudel (Bild unten) wirkten mit. © Neu

Lorsch. Jubiläen, die sich lange anbahnen, und das sind ja ausnahmslos alle, schüren eine gewisse Erwartungshaltung. Die 100. Ausgabe des Kultursalons im Theater Sapperlot hat auch die optimistischsten Aussichten erfüllt. Mit einem prominenten Line-up hat sich das Format einfach selbst gefeiert. Aber auch dessen Erfinder und Moderator Daniel Helfrich genoss diesen feierlichen, vierstündigen Kleinkunstwirbel fast 15 Jahre nach der ersten Ausgabe, die am 30. September 2008 über die Bühne gegangen war.

Nur drei Mal musste Helfrich die Regie für diese chronisch kontrastreiche Mix-Show aufgrund unterschiedlicher Indisponiertheiten bislang an einen Kollegen abgeben. Die Jubiläumsshow wenige Tage vor seinem 50. Geburtstag war daher auch ein geballtes Dankeschön an den Weinheimer Klavierkabarettisten, der während der Saison einmal im Monat mindestens vier Künstler, Ensembles oder Bands nach Lorsch einlädt, wo sich die Gäste in 20-minütigen Kurzauftritten dem Publikum präsentieren.

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Der Kultursalon ist aber nicht nur eine offene Bühne für Stars und Sternchen der Szene, sondern auch eine Voraussetzung für eine Nominierung zum Kleinkunstpreis Lorscher Abt, der im Vorjahr zum achten Mal vergeben wurde. 2015 gingen Jury- wie Publikumspreis an Alix Dudel. Die Sängerin hat auch den Jubiläumsabend eröffnet. Gemeinsam mit ihrem Gitarristen Sebastian Albert interpretierte sie wunderbare Chansons von Hildegard Knef („Tapetenwechsel“) über Georg Kreisler („Geben Sie acht!“) bis Friedhelm Kändler, mit dem sie in Hannover Tür an Tür gelebt hatte. Dichter und Diseuse beflügelten sich gegenseitig.

In Lorsch rezitierte sie mit dem typischen Dudel-Timbre Kändlers „Wasserhuhngedicht“ und andere Kostbarkeiten aus ihrem Programm „Zu spät-aber egal“. Dudels skurrile, sarkastischen und subtil erotische Miniaturen wurden von Alberts tiefenentspannter Jazzgitarre soft begleitet. Chanson und Poesie in charismatischer Eleganz – eine famose Eröffnung eines besonderen Abends vor voll besetzter Kulisse.

Glanzstück war eine umwerfende Melange aus „Eins und eins, das macht zwei“ von der Knef und Kändlers „Wilder Honig“, einem Poem, in dem ein abgenutztes Paar die Wonnen einer schlagenden Verbindung für sich entdeckt. Doch zuvor hatte Daniel Helfrich eine Spezialkomposition serviert, die genau auf das Sapperlot und seine Aktivisten abgeschmeckt war. Er dankte den Theatermachern Hape und Silvia Frohnmaier, dem Serviceteam und dem Förderverein Sappalostra sowie Techniker Carsten Keil und dem „schönen Heinz“: ein stets frontal platzierter Stammgast des Hauses, dem Helfrich in seinem Song sogar den Refrain geschenkt hat.

Mit Koffertrommel und Gesang

Mit Mackefisch war noch ein zweiter Abt präsent. Das Duo wurde 2022 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Lucie Mackert und Peter Fischer präsentierten Lieder über die Fragezeichen der Generationengerechtigkeit („Potentieller Enkel“) und über den relativen Nutzen von Liebesbeziehungen, wie sie bei „Anker“ bissig-poetisch gegenübergestellt werden. Mit Tasten, Saiten und Koffertrommel sowie einem fragilen Harmoniegesang läutete die Mannheimer Miniband im Sapperlot das Finale ein, das ohne Zweifel ganz allein dem Hamburger Travestie-Act Elke Winter gehörte. Sie war für den Lorscher Abt 2018 nominiert und begeisterte mit frivolen Premiumzoten, musikalischen Showeinlagen und einer geballten Dosis Improvisation.

Seit 2006 ist Winter Stammgast in der Hamburger „Schmidt Mitternachtsshow“, seit 2008 gehört sie zum festen Stamm. In Lorsch glitzerte sie nicht nur optisch. Ihr schlüpfrig-intelligentes Spiel mit Klischees ist professionelles Entertainment pur – der Bühnenauftritt mit „Raise Your Glass“ von Pink gab die Richtung vor.

Angesichts dieser prallen Bühnenshow wollte man gar nicht glauben, dass die Dame an einer seltenen Organverschiebung leidet („Meine Leber ist im Arsch“).

Zum Glück war ihr Führerschein von der Kur in Bad Flensburg wieder heimgekehrt: „Ich habe einen Geisterfahrer überholt.“ Auch die Stories über ihren Neffen „Pörschelbär“, der eigentlich Pierre-Gilbert heißt, versetzten das Publikum in einen Zustand, den man durchaus als Ekstase bezeichnen darf.

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Mit Michael Eller hatte sich Daniel Helfrich ein Stückchen Sapperlot-Inventar eingeladen. Der Moderator der Reihe Comedy Royal plauderte über die Alterserscheinungen des Mittfünfzigers, der mittlerweile zwei Mal nachts raus muss, damit aber noch ganz gut leben kann. „Schwierig wird es erst, wenn man zwei Mal muss, aber nur einmal aufwacht.“ Auch die Sinnhaftigkeit eines Brokkoli Emojis ist ihm unklar. Wenn man das Bildchen nicht als Einkaufserinnerung nutzt, tauge es bestenfalls zur Visualisierung bestimmter Geschlechtskrankheiten.

In seinem aktuellen Programm „Gefährlich ehrlich“ hält Eller seinen sich pausenlos selbst inszenierenden Artgenossen den filterlosen Spiegel vor und zeigt, wie amüsant und entspannt ein ungeschöntes Leben mit regelmäßigem Reparaturbedarf sein kann. Und warum es riskant wird, wenn sich erwachsene Männer einen Avatar zulegen.

Auch Nosie Katzmann ist ein veritabler Kultursalon-Löwe, allerdings zumeist auf der anderen Seite der Bühne. Der Musikproduzent, der in den 90er Jahren mit mehreren Eurodance-Projekten wie Culture Beat, Jam & Spoon oder Captain Hollywood Project weltweit erfolgreich war, hatte sich vor sechs Jahren in das Format verliebt. Schon 2017 hatte er auf dieser Bühne mit Jo van Nelsen seinen Hit „Erdbeermund“ präsentiert, den er mit ihm und Culture Beat 1989 aufgenommen hatte. Jetzt erlebte das Lorscher Publikum Stücke wie „Mr. Vain“, „Right In The Night“ und „More and More“ in einer komplett neuen Klangfarbe: Eurodance meets Bob Dylan.

Melodiös und schlank arrangiert

Katzmann zog den Elektrosounds einen Wollpulli drüber und machte auf Folk und Country. Mit akustischer Gitarre sang er „Break It Up“ (für Scooter) zu Helfrichs Piano. Der Komponist servierte die Songs so, wie er sie damals komponierte: akustisch, intim, ohne elektronischen Schnickschnack und pompöse Soundeffekte, dafür gefühlvoll, melodiös und schlank arrangiert. Als Hommage ans Sapperlot gab es eine intensiv-leise Version von Elton Johns „Your Song“ als Zugabe.

Einen spontanen Gruß hatte Roland Junghans mitgebracht. Der Mörlenbacher Autor (Bülent Ceylan), Regisseur und Textdichter, der auch als Kunstfigur „Blasser Bertram“ bekannt ist, hat mit Helfrich schon mehrfach zusammengearbeitet und stimmte eine poetische Würdigung an. Auch Bürgermeister Christian Schönung gratulierte zur 100. Ausgabe. Der Geburtstagskuchen der Stadt Lorsch wurde gemeinsam angeschnitten. Nach dem bislang längsten Kultursalon ever.

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