Evangelische Gemeinden

Nachbarschaftsraum: Drei evangelische Gemeinden wachsen zusammen

Lorscher Pfarrer sprechen von Aufbruch, nicht von Abgesang: die Lorscher Protestanten bilden mit Einhausen und Schwanheim ab 2026 einen Nachbarschaftsraum. Rund 5200 Protestanten sind von den Änderungen betroffen.

Von 
Nina Schmelzing
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Bei der Gemeindeversammlung informierten die Pfarrer Olivier und Keller (Mitte) gemeinsam mit Kirchenvorstandsvorsitzender Schulze-Ganzlin. © Jürgen Strieder

Lorsch. Zur Gemeindeversammlung hatten die Lorscher Protestanten eingeladen. Das Treffen am Sonntagvormittag war gut besucht. Thema war schließlich unter anderem der neue Nachbarschaftsraum, den die Gemeinden Lorsch, Einhausen und Schwanheim ab 2026 bilden sollen. Die EKHN (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau) hat die engere Zusammenarbeit von Gemeinden vorgegeben. Mitgliederschwund und Personalmangel erfordern – ähnlich wie bei den Katholiken – entscheidende Neuerungen. Pfarrer Renatus Keller und sein Kollege Dominique Olivier erinnerten im Haus Emmaus an die Verpflichtung, Geld einzusparen.

Die Kirchenleitung hat eine Reduzierung der Ausgaben in Höhe von 140 Millionen Euro bis 2030 beschlossen, referierte Olivier. Alle Gemeinden seien gehalten, möglichst effizient zu arbeiten, Doppelstrukturen zu vermeiden, Arbeitsabläufe zu vereinheitlichen, Ressourcen zu bündeln. Ein „zähes Ringen“ habe es etwa über die künftige Rechtsform gegeben. Mehrere Optionen standen zur Wahl: ein lockerer Verbund als Arbeitsgemeinschaft oder eine Fusion oder eine Gesamtkirchengemeinde. Die Kirchenvorstände hätten sich mit guten Gründen für Letztere entschieden.

Gesamtgemeinde, keine Fusion

Im Unterschied zu einer Fusion erlaube es dieses Modell, vieles gemeinsam zu machen, aber noch eigene Gremien zu behalten und eigenes Profil zu bewahren, so Renatus Keller. Dass die Zahl der Mitglieder schrumpft, sei im Übrigen nicht allein ein Problem der Kirchen. Auch Parteien und viele Vereine litten darunter, dass die Anzahl ihrer Aktiven abnehme, erklärte der Lorscher Pfarrer.

Der neue Nachbarschaftsraum betrifft insgesamt 5200 Protestanten, so Pfarrer Keller auf BA-Nachfrage. Die Zahl der Mitglieder bezifferte er in Lorsch auf 2500, in Einhausen liegt sie bei etwa 1400, in Schwanheim bei 1300.

Keller rief dazu auf, trotz schwierigerer Bedingungen lieber die Hoffnung als den Mangel in den Blick zu nehmen. Eine Reduzierung könnte auch zu stärkerer Verwurzelung führen, legte er dar. Das Dekanat empfehle allerdings, im Nachbarschaftsraum nur noch ein Büro zu unterhalten. In Lorsch soll künftig die Zentralverwaltung sein. Bürostunden soll es auch in Einhausen und Schwanheim geben, zu reduzierten Zeiten.

Nicht in Gemeindegrenzen denken

Bei der Gemeindeversammlung stellte sich auch Charlotte Rendel vor. Für die junge Gemeindepädagogin ist der Nachbarschaftsraum bereits selbstverständlich, denn sie arbeitet schon in allen drei Gemeinden. „Ich denke nicht in Gemeindegrenzen“, versicherte sie in ihrer Rede. Bei vielen jungen Leuten sei das ähnlich.

„Dieser Reformprozess ist kein Abgesang auf die Kirche“, unterstrich Dominique Olivier. Er wolle auch nicht von einem „Umbruch“ sprechen, sondern lieber von einem „Aufbruch“, sagte der junge Pfarrer in seiner Ansprache. Denn dieser Begriff trage „Hoffnung in sich“. Olivier, der seit vorigem Jahr mit einer halben Stelle in der Kirchengemeinde arbeitet, zeigte sich vom Leben in der Lorscher Gemeinschaft angetan. Es handle sich um seine „sehr aktive Gemeinde“, in der die Protestanten mit „viel Herzblut“ bei der Sache seien.

Es sei „fast einmalig, wie gut es hier noch läuft“, lobte Dominique Olivier. Die Bildung einer Gesamtkirchengemeinde biete im Gegensatz zur Fusion zum Beispiel die Chance, auch Ortsausschüsse zu bilden und so auch künftig ortsbezogen zu arbeiten. Ein Gesamtkirchenvorstand wird jedoch zu wählen sein, Ortsausschüsse können dieses neue Gremium ergänzen. Auch haben die Orte der Gesamtkirchengemeinde künftig einen gemeinsamen Haushalt aufzustellen.

Rückblick auf 2024 zeigte, dass die Lorscher Gemeinde außerordentlich lebendig ist

Der vorgegebene Reformprozess sei nun verantwortungsvoll zu Ende zu bringen. Auch das Gebäudemanagement gehört dazu. Manche Kirchengemeinden in den knapp 160 geplanten Nachbarschaftsräumen hätten Opfer zu erbringen, hieß es in der Versammlung, ohne konkrete Namen zu nennen. Die Lorscher Kirche und auch das Haus Emmaus aber sind sicher, sie würden jedenfalls weiterhin über die Landeskirche voll bezuschusst, so Pfarrer Keller. Sie zählen im Rahmen der Gebäudeeinteilung zur Kategorie A, das Pfarrhaus etwa ist in der B-Kategorie gelistet. Die Umsetzung der Gesamtkirchengemeinde für Lorsch, Einhausen und Schwanheim solle bis Dezember 2026 klar sein und in den Gremien starten. Das Verkündigungsteam, bestehend aus den insgesamt drei Pfarrern, einer Pfarrerin und der Gemeindepädagogin, arbeite bereits zusammen.

Dass die Lorscher Gemeinde außerordentlich lebendig ist, zeigte auch der Rückblick aufs vergangene Jahr auf, den Kirchenvorstandsvorsitzende Charlotte Schulze-Ganzlin gemeinsam mit den Pfarrern Keller und Olivier moderierte. Ob Helferabende, Seniorennachmittage oder Konzerte – ein gut besuchtes von Peter Kunert hatte am Abend vor der Gemeindeversammlung stattgefunden – auf dem Wingertsberg kommen viele Menschen gerne zusammen.

Haus Emmaus ist für alle offen

Das ein Jahr alte Haus Emmaus hilft dabei. „Wir wollen nicht nur für uns bleiben“, erläuterte Pfarrer Keller das Konzept. Jedem Interessieren stehen die Türen des Familien- und Gemeindezentrums offen, das als „Haus für Lorsch“ verstanden werden soll. Das Gebäude könnte deshalb auch von einer katholischen Familie für eine Kommunionfeier gemietet werden, so Keller auf Nachfrage.

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Anneliese Parzinger
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Die Teilnehmer der Versammlung konnten auch eigene Anregungen einbringen. „Vater-Kind-Tage“ wurden etwa vorgeschlagen. Gewünscht wurde auch, dass die Lieder aus dem neuen Gesangbuch einmal gemeinsam eingeübt werden, denn die Melodien seien oft völlig unbekannt. Auch das Orgelspiel wurde vermisst. Das Instrument sei aber nicht kaputt, betonte Keller. Die Kirchenmusiker hätten zuletzt einfach gern am Klavier gesessen. Angeregt wurde zudem, Jubelkonfirmationen zu feiern. Das habe man überlegt, das Interesse sei aber überschaubar gewesen. Größer sei die Nachfrage bei Jahrgangstreffen, so Keller.

Barrierearme Zuwegung kommt

Keller informierte auch über Änderungen im Außengelände: der prächtige Pfingstrosengarten etwa, im Vorjahr am Kirchberg erweitert, erhält eine automatische Bewässerung. Sie soll noch vor der Saison fertig sein. Zudem wird eine barrierearme Zuwegung durch den Hof der Kirche auf den Wingertsberg ermöglicht. Der Baustart soll Mitte Mai erfolgen, die Maßnahme Ende Juni fertig sein, so der Pfarrer. Die Kirche werde etwa zwölf Prozent der Gesamtbaukosten tragen.

Redaktion

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