Lorsch. Paul Schnitzer, am 5. November 1934 geboren, war ein waschechter Lorscher – und das kulturelle Erbe seiner Heimatstadt war ihm lebenslang eine Herzensangelegenheit. Schnitzer, der in Frankfurt Geschichte, Politik und katholische Religion studierte und als Oberstudienrat am Alten Kurfürstlichen Gymnasium in Bensheim unterrichtete, hat sich in seiner Freizeit mit großem Engagement in Lorsch eingebracht und für die Stadt viel erreicht. Unter anderem das Museumszentrum, direkt gegenüber der Königshalle entstanden, ist auf sein Engagement zurückzuführen.
25 Jahre lang führte er als Vorsitzender den Lorscher Heimat- und Kulturverein, ebenso lange war er kommunalpolitisch aktiv. Auch der Hessische Museumsverband und die Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine des Kreises Bergstraße, deren Vorsitzender er viele Jahre war, profitierten enorm von seinem historischen Wissen.
Lorsch hat ihn als Dank für seine Verdienste zum Ehrenbürger ernannt. Paul Schnitzer war der erste gebürtige Lorscher, dem diese Ehre zuteil wurde. Erlebt hat er die Festsitzung der Stadtverordnetenversammlung 2001 allerdings nicht. Schnitzer starb am 21. September 1995. Die Ehrenbürgerschaft wurde ihm, der auch mit der Friedrich-Behn-Medaille und der Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland geehrt wurde, erst posthum verliehen.
Schnitzer habe mit Hartnäckigkeit seine Ziele verfolgt – und er ließ sich von Misserfolgen nicht irritieren, unterstreicht der frühere Stadtverordnetenvorsteher Harald Horlebein. Viele Jahre lang habe er sogar an mehreren Projekten gleichzeitig zum Wohle der Stadt gearbeitet.
Langer Kampf für ein Museum
Alice Schnitzer, die Witwe von Paul Schnitzer, erinnert sich daran, dass anfangs viele Lorscher gegen die Idee eines Museumszentrums waren. Als es aber – vor 26 Jahren – tatsächlich eröffnet werden konnte, sei die Entscheidung für die Einrichtung dann doch schnell allseits als richtig empfunden worden.
Auch die rund 300 Jahre währende Geschichte Lorschs als wichtiger Ort des Tabakanbaus und der Tabakverarbeitung würde sich heute kaum so vorbildlich präsentieren lassen, wie es im Lorscher Tabakmuseum gelingt, das zu den größten seiner Art zählt. Bevor die letzten der einst etwa 20 Zigarrenfabriken in Lorsch schlossen, in den 1980er und 1990er Jahren, stellte Schnitzer jedenfalls eine Sonderausstellung zum Thema Tabak auf die Beine. Viele Lorscher stellten Gegenstände zur Verfügung – zahlreiche dieser Objekte wurden so für die Nachwelt gesichert und bildeten anschließend den Grundstock für das Museum. Paul Schnitzer habe seine Museums-Idee mit einer Beharrlichkeit verfolgt, die manchem damals als „Sturheit“ erschien, weiß Horlebein.
Dokumente aus dem Vatikan
Der Erfolg gab ihm recht. Dass er Ausstellungen organisieren kann, bewies er mit ausdauernder privater Initiative. Zur 1200-Jahrfeier der Stadt organisierte er etwa eine Handschriften-Ausstellung im Paulusheim. Leihgaben aus 22 Städten waren zu sehen. Sogar aus dem Vatikan hatte er Dokumente beschaffen können, erinnert Horlebein. Die wertvollen Schriften, darunter das „Lorscher Evangeliar“ wurden von Mitgliedern des Heimat- und Kulturvereins ehrenamtlich bewacht. Heutzutage, wo historische Dokumente unendlich viel aufwändiger gesichert werden müssen, wäre eine vergleichbare Aktion undenkbar.
Wenn die Schnitzer-Familie verreiste, prangte auf ihren Koffern ein grünes Emblem, das die Königshalle zeigte, berichtet Alice Schnitzer. Auf diese Weise trug ihr Mann einen Hinweis auf das wichtigste Bauwerk der Stadt schon früh in alle Welt – zum Beispiel auch nach Ägypten. Dort besuchten sie Paul Schnitzers Bruder Valentin, der dort eine Zeit lang in der Entwicklungshilfearbeit tätig war.
Lange die einzige Stätte in Hessen
Ägyptens Pyramiden von Gizeh zählen bereits seit 1979 zum Welterbe der Menschheit. Lorsch war 1991 der erste Standort in Hessen, der mit dem Unesco-Prädikat als Weltkulturstätte geadelt wurde – und jahrelang blieb er hessenweit auch der einzige. Weil Welterbestätten oft gemeinsam auf Webseiten gelistet und international in der höchsten touristischen Liga vermarktet werden, erscheint Lorsch immer wieder mit so imposanten Bauwerken wie den Pyramiden, dem Papstpalast in Avignon oder dem Tower in London in einer Reihe.
Diese Prachtbauten machen schon auf den ersten Blick deutlich mehr her als die Lorscher Welterbestätte, von der nur wenig originale Bausubstanz erhalten ist. Seit die Anlage 2014 großzügig neu gestaltet und zudem das Freilichtlabor Lauresham eingerichtet wurde, gelingt es aber sehr viel besser, auch ein breites Publikum für die Historie in Lorsch zu interessieren. Die Königshalle gilt als einer der am besten erhaltenen Bauten der Karolingerzeit.
Lehrer für Lorsch begeistert
Ihr Ehemann habe gern Führungen auf dem Klostergelände übernommen. Diese seien immer sehr gut besucht gewesen, weiß Alice Schnitzer. Auch in der Lehrerfortbildung, in der Schnitzer sich engagierte, holte er Pädagogen oft in seine Heimatstadt und machte sie auf das Kulturerbe aufmerksam. Der schönste städtische Saal am Museumszentrum wurde später nach dem Ehrenbürger Paul-Schnitzer-Saal genannt. So erinnert die Bezeichnung auch die heutigen Besucher von Konzerten, Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen und Ehrungsabenden an das Engagement des Lorschers, der unermüdlich für seine Stadt im Einsatz war.
„Sein“ Museum hat er selbst nicht mehr erleben dürfen, wenige Tage vor der Eröffnung starb Schnitzer. Er wurde 60 Jahre alt.
Seit wenigen Jahren ist Paul Schnitzers Name auch im öffentlichen Raum präsent, denn ein Straßenschild trägt seinen Namen. Der „Paul-Schnitzer-Weg“ führt vom Parkplatz unter der Sporthalle in Richtung Museumszentrum und zum Paul-Schnitzer-Saal.
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