Krise

Container zur Unterbringung neuer Flüchtlinge in Lorsch vorgesehen

Künftig muss Lorsch zunächst bis zu 40 Personen aufnehmen, und zwar je Quartal.

Von 
Nina Schmelzing
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2018 wurden die sieben Häuser in der Lagerhausstraße gebaut. Angrenzend gibt es Ackergelände, auf dem nun Container für Flüchtlinge Platz finden sollen. © Schmelzing

Lorsch. Ein Thema, das nicht explizit auf der Tagesordnung stand, nahm in der öffentlichen Sitzung des Kultur- und Sozialausschusses am Dienstagabend viel Raum ein: es ging um die Unterbringung neuer Flüchtlinge in Lorsch. Bürgermeister Christian Schönung (CDU) berichtete darüber unter dem Tagesordnungspunkt „Informationen“. Um weitere Flüchtlinge aufnehmen zu können, ist nun die Aufstellung von Wohncontainern in Lorsch geplant.

Denn ab Mai sollen Flüchtlinge den Bergsträßer Kommunen direkt zugewiesen werden, bislang kümmerte man sich im Landratsamt zentral um Unterkünfte. Künftig muss Lorsch zunächst bis zu 40 Personen aufnehmen, und zwar je Quartal (wir berichteten). Ausreichend Wohnungen gibt es für sie, wie in den meisten Bergsträßer Kommunen, derzeit nicht. Großes Kopfzerbrechen bereitet zudem die Befürchtung, dass es noch nicht einmal bei den erwarteten 160 Menschen je Jahr in Lorsch bleiben wird, sondern die hohe Zahl angesichts der Kriege und Krisen künftig noch weiter deutlich ansteigen könnte.

Schimpf: Knappe Ressourcen bei Flächen und Personal

In der Zeltstadt in Bensheim hat der Kreis Plätze geschaffen, die über 770 Flüchtlinge nutzen, in Groß-Rohrheim sind 200 Personen im früheren Indoor-Spielplatz untergekommen, im Ex-Krankenhaus Luise in Lindenfels über 350. In Heppenheim wird bald ein einstiges Hotel Flüchtlingsunterkunft. Daran erinnerte Matthias Schimpf im Sozialausschuss.

Der Lorscher Stadtverordnete der Grünen ist beruflich als Kreisbeigeordneter für das Thema Flüchtlinge zuständig und er machte deutlich: Selbst wenn ab sofort keine neuen Flüchtlinge mehr kämen, ist die Situation schwierig. Unterkünfte wie die Zeltstadt seien schließlich keine Dauer-, sondern nur eine Notlösung oder Zwischenlösung.

„Die Menschen müssen da raus“, so Schimpf. Im Kreis Bergstraße befänden sich bereits 1400 Personen in „prekären Unterkünften“. Es handle sich um eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, bei der sich „keiner einen schlanken Fuß machen“ dürfe. Lorsch stelle sich der Aufgabe, die „uns über einen sehr, sehr, sehr langen Zeitraum beschäftigen wird“, sagte Schimpf. Keiner wisse, ob und wann sich die Zahl an wöchentlichen Zuweisungen ändern werde.

Schimpf machte auf die knappen Ressourcen aufmerksam. „Wir leben in einem verdichteten Raum.“ Es gelinge schon heute nicht, alle Zuzugswünsche zu erfüllen. Die Situation könnte sich deutlich verschärfen, vor allem, wenn man nicht vorbereitet sei. Auch stadtplanerisch werde das Thema die Menschen noch lange beschäftigen.

Der Fachkräftemangel sorge zudem dafür, dass Personal fehle. Mehr als Leistungsgewährung sei aktuell nicht möglich. Verfolgte, die Asyl brauchen, würden selbstverständlich immer untergebracht. Aber es kämen viele, die nicht die juristischen Voraussetzungen mitbrächten und viele, die auch kein Bleiberecht erwerben könnten. Schimpf forderte Ehrlichkeit in der Betrachtung der Situation, warnte vor einer Art Halbintegration, vom langfristigen Verbleiben nur in eigenen Milieus und in Folge vor einem Zusehen beim möglichen Entstehen von Parallelgesellschaften.

Den Kommunen sollten möglichst nur Flüchtlinge zugewiesen werden, die ein Bleiberecht in Aussicht haben, denen man ein Integrationsangebot unterbreiten könne, die Perspektive haben, „Teil unserer Gesellschaft“ zu werden. Nur „Löcher stopfen“ stehe einer sinnhaften Integration entgegen.

Containerstraßen, in denen sich Bewohner selbst versorgen können, seien aber auf jeden Fall besser als Hallen oder Zeltstädte, für die unter anderem Catering gebraucht werde. Zur Integration gehöre auch ein selbst bestimmtes Wohnen. sch

Nach dem Aufnahmegesetz sind Kommunen verpflichtet, für die Unterbringung der Menschen zu sorgen, erinnerte Bürgermeister Schönung. Der Kreis habe bereits für einige große Unterkünfte gesorgt, so Schönung, der unter anderem die bestehenden Adressen in Bensheim, Lindenfels und Groß-Rohrheim aufzählte. Dort ist man an Kapazitätsgrenzen gelangt. Es müssen aber neue Plätze her, denn weiterhin werden dem Kreis Bergstraße regelmäßig neue Flüchtlinge zugewiesen, 61 Personen sind es aktuell – Woche für Woche.

In Lorsch wurde eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, die sich 20 Grundstücke anschaute und ihre mögliche Nutzung für eine Flüchtlingsunterkunft bewertete, berichtete der Bürgermeister. Vier Areale seien letztlich in die finale Runde gekommen, darunter zum Beispiel Grundstücke im Klosterfeld nahe der Tabakscheune sowie auch der zum städtischen Eigentum gehörende Bolzplatz am Jugendzentrum in der Sachsenbuckelstraße.

Zu den Grundstücken, die zunächst für die Aufstellung von Containern in Erwägung gezogen wurden, zählte auch der Bolzplatz am Jugendtreff. © Schmelzing

Entschieden hat man sich aber schließlich für einen Standort in der Lagerhausstraße. Dort wurden vor fünf Jahren sieben Mehrfamilienhäuser errichtet, die Platz für 240 Personen bieten. Das Neubau-Quartier für Flüchtlinge galt damals als das größte seiner Art im Kreis Bergstraße. Auf einem nahen Ackergelände sollen nun Container Platz finden, um Wohnraum für Flüchtlinge zu ermöglichen. Baurechtlich sei das inzwischen kein Problem mehr und Synergien könnten genutzt werden.

Mit den Flüchtlingen kommen natürlich auch weitere Kosten, die zu stemmen sind. Nicht nur die Gelder für Container und die Befestigung sind zu finanzieren. Es muss neben Erschließungs- und Mietkosten unter anderem auch berücksichtigt werden, dass die Kinder der Geflüchteten Plätze in Kitas und Schulen benötigen. Auch Hausmeister- und Security-Dienste gemeinsam mit anderen Kommunen zu beauftragen, empfiehlt sich. Für die Unterbringung werde zwar täglich ein Satz von zehn Euro pro Person vergütet, so Schönung. Das werde aber nicht reichen. „Wir werden drauflegen“, machte er klar. Die Anmietung sei ein „Verlustgeschäft“.

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„Das kann so nicht weitergehen“, meinte Schönung angesichts der unsicheren Gesamtlage und der nicht auszuschließenden Aussicht, dass sich die politische Situation täglich noch drastisch verschlimmern könnte. Die mit der Aufgabe hauptamtlich Betrauten sendeten inzwischen deutliche Signale, dass es „viel zu viele“ Flüchtlinge seien, die kommen und keine Bleiberechtsperspektive haben und dass zu wenige dieser Flüchtlinge wieder „weggehen“.

„Wir brauchen große Lösungen“, sagte er auch mit Blick auf die Außengrenzen. Es müssten weniger Menschen werden, die aufzunehmen sind und die finanzielle Ausstattung müsste sich verbessern, forderte er.

Ausdrücklich lobte Schönung Lorscher Bürger, die in Privatwohnungen insgesamt rund 300 Flüchtlinge aufgenommen haben. Dank der Initiative „Vermiete doch an die Stadt“ seien zudem 30 Flüchtlinge untergekommen. Auch die Arbeit der drei Hauptamtlichen im Integrationsbüro der Lorscher Stadtverwaltung würdigte er sowie die Ehrenamtlichen der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Lorsch.

Ab September betriebsbereit

Es seien aber „dringend“ weitere Wohnungen erforderlich. 120 neue Flüchtlinge seien rechnerisch allein noch im laufenden Jahr unterzubringen. Man habe auch eine „moralische Verpflichtung“, für ein Dach über dem Kopf zu sorgen. Die Container sollen spätestens ab 1. September betriebsbereit sein. Das Thema Flüchtlinge werde noch „sehr, sehr anspruchsvoll“ werden.

Redaktion

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