Bestattungen

In Winterkasten soll der erste Friedwald der Bergstraße entstehen

Der Ruheforst soll nordwestlich des Winterkäster Friedhofs eingerichtet werden. Der Ortsbeirat Winterkasten und die LWG sehen das Projekt wegen des gewählten Standorts allerdings kritisch.

Von 
Nora Strupp
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Lindenfels. In Winterkasten – nordwestlich an den bestehenden Friedhof grenzend – soll ein Bestattungswald entstehen. Vor rund drei Jahren hat die Lindenfelser Stadtverordnetenversammlung die Aufstellung des Bebauungsplans „Ruheforst am Kaiserturm“ beschlossen. Der Antrag dazu wurde von der FDP allerdings schon 2016 eingebracht. 2017 trafen sich Sozialausschuss und Bauausschuss erstmals zu einem Termin beim Friedhof, um einen möglichen Standort zu besichtigen. Ursprünglich war eine 1,95 Hektar große Waldfläche nördlich des Friedhofs angedacht (Flurstück 806/3).

Zunächst hatte es viel Skepsis angesichts dieses Vorhabens gegeben. So wurden etwa hohe Kosten für die Bewirtschaftung und den Betrieb des Areals befürchtet. Doch der Besuch von Stephan Kühn von der Gemeindeverwaltung Fischbachtal änderte damals diese Meinung. In Fischbachtal gibt es bereits seit 2015 einen solchen Bestattungswald. Kühn hatte erläutert, dass sich die Kosten des Ruheforstes schon im ersten Betriebsjahr durch die Einnahmen amortisiert hätten.

2019 äußerte sich dann allerdings der Ortsbeirat Winterkasten kritisch zu den Plänen: „Es stellt sich die Frage, ob bei einer Kommune mit 5000 Einwohnern ein sechster Friedhof gebraucht wird. Wir haben 35 Trauerfälle im Jahr. Lindenfels muss heute schon fünf Friedhöfe verwalten und bearbeiten“, sagte der damalige Ortsvorsteher Alfons Moritz. Selbst wenn ein Friedwald nicht so arbeitsintensiv sei wie ein klassischer Friedhof, so brauche er dennoch Betreuung. Später fand das Projekt aber mehr Unterstützer und letztlich auch Mehrheiten in den Gremien, sodass der Bebauungsplan im November 2022 offiziell aufgestellt werden konnte.

Ursprüngliche Fläche fiel dem Borkenkäfer zum Opfer

2023 wurde in der Stadtverordnetenversammlung darüber informiert, dass die für den Friedwald ursprünglich angedachte Waldfläche nördlich des Friedhofs laut Forstangaben dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen ist. Bestehende Baumflächen mussten deshalb teilweise gerodet werden. Dem Bad Nauheimer Planungsbüro von Ulrich Stüdemann wurde der Auftrag erteilt, Umplanungen vorzunehmen. Daraufhin wurde das links daneben angrenzende Flurstück auserkoren, sodass der Ruheforst nun nordwestlich des Friedhofs entsteht (Flurstück 809/2). Nach Ansicht des Winterkäster Ortsbeirats hätte sich das vorherige eingeplante Flurstück 806/3 sowieso nicht als Platz für Baum-Grabstätten geeignet, da der südliche Teil aus sehr steilem Gelände bestand. Für Besucher mit Gehbehinderung wäre der Anstieg kaum zu schaffen gewesen.

Das jetzige Plangebiet liegt innerhalb des Fauna-Flora-Habitat-Gebietes (FFH-Gebiet) „Buchenwälder des Vorderen Odenwaldes“. Deshalb wurde eine FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgenommen. Auch eine Umweltprüfung wurde veranlasst. Eine Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt war dagegen nicht erforderlich, da sich an der ausgewiesenen „Fläche für Wald“ nichts ändert.

Der Bebauungsplanentwurf wurde in der Zeit vom 26. August 2024 bis 27. September 2024 öffentlich ausgelegt. Die von der Bauleitplanung betroffenen Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange wurden über die Planung unterrichtet und zur Äußerung – auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrade der Umweltprüfung – aufgefordert. Ihnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme mit einer Frist bis zum 27. September 2024 gegeben. Seitens der Öffentlichkeit wurde während des Offenlegungszeitraums keine Stellungnahmen eingereicht, wie die Stadtverwaltung in der Gremienvorlage informiert.

Nachfrage nach alternativen Bestattungsformen steigt

Danach war es allerdings ziemlich ruhig um das Projekt geworden, was die FDP im Mai diesen Jahres deshalb dazu veranlasste, den aktuellen Sachstand zum Friedwald zu erfragen. Die Stadtverwaltung sollte zeitnah und umfassend berichten, wie weit die Maßnahmen, Prüfungen und gesetzlichen Vorgaben zur Schaffung eines Friedwaldes oder Ruheforsts in Winterkasten fortgeschritten sind und welche Genehmigungen noch ausstehen. Ebenso sei zu klären, ob und warum es eventuell zu Verzögerungen kommt. Gegebenenfalls sollten dann Maßnahmen ergriffen werden.

„Die Nachfrage nach alternativen Bestattungsformen, insbesondere nach naturnahen Bestattungswäldern (Friedwäldern), ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Einrichtung eines Friedwaldes in Winterkasten wurde bereits in der Vergangenheit von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Die gesetzlichen und organisatorischen Anforderungen an einen Friedwald sind umfangreich und umfassen insbesondere die Ausweisung der Fläche als Friedhof, die Einhaltung der jeweiligen Landesbestattungsgesetze sowie die Sicherstellung der forst- und naturschutzrechtlichen Vorgaben“, legte die FDP dar.

„Um dem gesellschaftlichen Bedarf und dem politischen Willen nachzukommen, ist eine beschleunigte Bearbeitung des Projekts geboten“, forderte die FDP. Dieses Schreiben zeigte Wirkung. Das Thema landete nun kürzlich auf der Tagesordnung des Bauausschusses. Baumamtsleiter Andreas Keil führte aus, dass die Erschließung des Bestattungswaldes vom Parkplatz Weinweg an der L3399 aus erfolgen soll. Allerdings gab er zu bedenken, dass die Besucher dann einen etwa 500 Meter langen und steilen Fußweg zum südlichen Teil des Friedwaldes zu bewältigen haben. Zudem regte er die Anbindung an den örtlichen Friedhof an, um die dortigen Parkplätze, Toiletten und die Trauerhalle nutzen zu können.

Ortsbeirat hält Teilfläche wegen Hanglage für ungeeignet

Inge Morckel (FDP) sah keine Notwendigkeit für die Anbindung an den Friedhof: „Am Parkplatz Weinweg sind bereits genügend Parkplätze vorhanden. Außerdem gibt es dort in der Nähe eine kleine Lichtung, die man für Bänke oder eine Andachtsstelle nutzen kann.“ Zugleich hob sie noch einmal die Vorteile des Bestattungswaldes hervor: „Es wäre der erste Ruheforst im Kreis Bergstraße. Außerdem hätte ein Besuch des Friedwaldes auch positive Auswirkungen auf die Gastronomie in Winterkasten, etwa das Café in der Eleonorenklinik oder Zumra‘s Bistro beim Sportverein.“ Auch die Bedenken des Ortsbeirats Winterkasten könne man entkräften.

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Nora Strupp
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Der Ortsbeirat hatte am 13. August eine offizielle Stellungnahme abgegeben. Darin hatte er betont, dass er sich zwar nicht grundsätzlich gegen das Projekt ausspricht und aus seiner Sicht auch nichts Entscheidendes gegen die Errichtung eines Friedwaldes in Winterkasten spricht, dennoch sah er einige Punkte kritisch. „Wie bereits bei der Begehung im Jahr 2022 ersichtlich, rät der Ortsbeirat vom unteren Bereich des geplanten Waldstücks aufgrund der enormen Hanglage und des schlechten Waldbestands ab“, ist in dem Dokument zu lesen.

Der Ortsbeirat hält zudem die Errichtung und Begradigungen, beispielsweise von Wegen, mit erheblichen Kosten und großem Aufwand verbunden. Auch die vorhandenen finanziellen Mittel und das benötigte Personal für die regelmäßige Pflege des Friedwaldes werden kritisch bewertet. „Derzeit bestehen in öffentlichen Bereichen und bei Spielplätzen bereits erhebliche Probleme bei der regelmäßigen Pflege“, schildert das Gremium. „Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Ortsbeirat, sich zunächst auf die bestehenden Bereiche zu konzentrieren, um deren ordentliche Instandhaltung dauerhaft sicherzustellen, bevor ein weiteres umfangreiches Projekt mit ebenfalls hohem Pflegebedarf umgesetzt wird.“

Anderer Name für Bestattungswald wurde angeregt

Inge Morckel legte sowohl im Bauausschuss als auch in der Stadtverordnetenversammlung dar, warum diese Sorgen jedoch unbegründet sind: „Es sind keine befestigten Wege geplant“, versicherte sie. Kleine Wege könnten mit Rindenmulch angelegt werden. „Der Wald bleibt in seiner jetzigen Form bestehen. Es wird nichts verändert und es wird keine Bauarbeiten geben. Eine vollständige Umzäunung entfällt ebenfalls – es müssen nur die Eckpunkte des Friedwaldes gekennzeichnet werden. Auch eine Pflege wird nicht nötig sein. Es sind nur zwei Begehungen pro Jahr vorgegeben, um nach den Baumkronen zu schauen. Der Friedwald ist also mit geringem Aufwand umsetzbar und finanziell ein Gewinn, weil er mit seinen niedrigen Gebühren eine Alternative zu den klassischen Stadtteilfriedhöfen darstellt“, betonte Morckel.

All das überzeugte die LWG jedoch nicht: „Die Fläche ist nicht für einen Bestattungswald geeignet. Das ist eine reine Brombeerlandschaft. Da sind also erst Pflegearbeiten nötig. Außerdem ist viel Totholz in den Baumkronen. Da muss es also auch Sicherungsmaßnahmen geben. Außerdem gibt es schon fünf Friedhöfe in Lindenfels“, betonte Bernd Rettig. Bei der Abstimmung im Bauausschuss und der Stadtverordnetenversammlung sprach sich die Lindenfelser Wählergemeinschaft deshalb gegen das Projekt aus.

Im Bauausschuss hatte Stadtverordnetenvorsteher Stefan Ringer noch angemerkt, dass der gewählte Name „Ruheforst am Kaiserturm“ möglicherweise nicht ideal sei, da der Kaiserturm auf Lautertaler Gemarkung steht. „Lindenfels kommt im Titel gar nicht vor“, regte er einen möglichen Namenswechsel an.

Der Bauausschuss und das Stadtparlament beschlossen letztlich mehrheitlich den Bebauungsplanentwurf, der um die eingegangenen Stellungnahmen ergänzt wurde. Nun kann der nächste Schritt erfolgen: die Beteiligung der Öffentlichkeit sowie die Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange. Aus den Haushaltsresten 2024 stehen noch rund 27.500 Euro für die Einrichtung des Friedwaldes zur Verfügung.

Redaktion

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