Winterkasten. Einen alten Baumstamm oder Holzbalken, mehrere farbige Glasstücke, LED-Lampen, einen Brennofen und etwas Werkzeug sowie Fingerspitzengefühl – mehr braucht es nicht, um daraus ein Kunstwerk für die Ewigkeit zu erschaffen. Die Idee, aus den einzelnen Elementen eine Naturholzlampe in Kombination mit dem Glasfusing-Prinzip herzustellen, kam Peter Hermans (66) vor etwa acht Jahren.
Zur Person: Peter Hermans
- 1993 begann Peter Hermans eine Lehre zum Glaser. Zuvor hatte er mehrere Jahre als Laborant gearbeitet und sich hobbymäßig mit dem Element Glas beschäftigt.
- Nach der Ausbildung arbeitete er als Geselle in einem Glasgroßhandel, der auch eine kleine Kunstglaserei betrieb.
- 1999 ging er auf die Meisterschule und schloss diese im Jahr 2000 mit der Meisterprüfung ab.
- Seit 2000 ist er selbstständig und betreibt seitdem auch seine eigene Kunstglaserei mit Werkstatt in der Hauptstraße 17 in Winterkasten.
- Neben Bleiverglasung arbeitet Hermans auch mit anderen Techniken wie Glasverschmelzung (Fusing), Sandstrahlen, Tiffany, Glasmalerei und Mischtechniken (zum Beispiel die Verwendung geschmolzener Glaselemente für eine Bleiverglasung). stn
„Ein Bauer hatte den Holzbalken im Wald entsorgt und ich habe mir gedacht ,Daraus müsste man doch irgendetwas machen können’“, schildert der seit 2000 in Winterkasten ansässige Kunst- und Bleiglaser.
Das Glasfusing – auch Glasschmelztechnik genannt – ist in seinen Grundlagen ein mindestens 2200 Jahre altes Verarbeitungsverfahren.
Zunächst werden aus weißen oder farbigen Glasplatten passende Teile mit einer Zange abgezwickt oder mit einem Glasschneider abgeschnitten. Anschließend werden die kleinen Glasstücke – Splitter nennt man übrigens Glaskrösel – entweder miteinander vermischt und in eine feuerfeste Form gefüllt oder dem Entwurf entsprechend zusammengesetzt.
Bei 820 Grad im Brennofen
Dann kommt der Brennofen zum Einsatz. Bei einer Temperatur von etwa 820 Grad werden die Gläser miteinander verschmolzen. Die Temperatur ist so gewählt, dass das Glas noch nicht als Flüssigkeit verläuft, alle Glasteile und Partikel aber eine dauerhafte Verbindung eingehen. „Wie die Farben am Ende miteinander verschmelzen, kann man vorher nicht sagen. Beim Fusing ist immer ein kleiner Überraschungseffekt dabei“, erklärt Hermans. Mit dieser Technik können auch Wölbungen im Glas erzeugt werden.
Über die Bleiverglasung
- Am Anfang braucht es natürlich erst einmal einen Entwurf. Dieser wird in Originalgröße nachgezeichnet. Hierbei wird auch der Verlauf der Bleiruten festgelegt. Diese Vorzeichnung nennt man „Bleiriss“.
- Der Bleiriss bildet die Vorlage für die Schablonen aus kräftigem Papier. Sie werden von links oben nach rechts unten durchnummeriert.
- Mit der Schablonenschere oder einem Schablonenmesser schneidet man den Linien entlang und legt die einzelnen Papierschablonen wieder auf den Bleiriss.
- Anhand der Papierschablonen werden jetzt die passenden Glasstücke aus farbigen Gläsern ausgeschnitten und auf den Bleiriss gelegt.
- Danach beginnt das Verbleien: Die Bleiruten, die im Querschnitt wie ein „H“ geformt sind, verlaufen zwischen den geschnittenen Gläsern entlang. Dort, wo die Bleiruten aufeinander treffen, werden sie miteinander verlötet. Das Blei wird an die Gläser angestrichen, damit es möglichst eng am Glas sitzt.
- Bei der fertigen Bleiverglasung sind alle Gläser in einem Netz aus Bleiruten eingebettet und alles ist miteinander verbunden.
- Die Bleiverglasung ist mit einem Randstegprofil versehen. Das macht es möglich, solch eine Arbeit zwischen zwei Isolierglasscheiben zu verpacken. Wahlweise kann die Bleiverglasung auch mit Fensterkitt stabilisiert werden. Der Kitt wird hierfür beidseitig auf der Verglasung eingerieben und füllt alle eventuell noch vorhandenen Zwischenräume aus. Der Kitt härtet aus und die Arbeit ist jetzt noch stabiler. stn
Das ausgehärtete Glas wird anschließend in der natürlichen Höhlung des Baumstamms oder einer speziell geschnitzten Form des Holzbalkens (etwa in Kreuzform) angebracht und mit LED-Lichtern hinterlegt. Die Balken für die Lampen, die vorher Bestandteil eines Fachwerkhauses oder einer Scheune waren, erhält Hermans von Privatleuten oder auch mal von einem Zimmermann, der sein Lager auflöst.
Neben der Herstellung von Lampen (unter anderem auch in Tiffany-Technik, bei der einzelne Glasteile am Rand mit Kupferfolie ummantelt und mit Lötzinn miteinander verlötet werden) widmet sich der 66-Jährige auch der Reparatur und Restauration von Glasfenstern, die mittels Bleiverglasung geschaffen wurden. Bei dieser Technik, die typisch für die Epoche des Jugendstils ist, werden flache Glasstücke mit H-förmigen Bleiruten eingefasst und anschließend an den Schnittstellen verlötet.
Kitt härtet erst nach 20 Jahren aus
Vor Kurzem hatte Hermans mehrere Fenster dieser Art aus einer Pfarrkirche in Hockenheim in seiner Werkstatt stehen. Bei genauerem Hinsehen fiel auf, dass die Glasscheiben eine leichte Wölbung aufgewiesen haben, die eigentlich nicht vorhanden sein dürfte, aber wieder leicht zurecht gedrückt werden kann. Und auch der Fensterkitt musste erneuert werden. „Der Kitt fixiert die Fenster, aber über die Jahre wird er porös und bröselig und fällt dann aus dem Rahmen raus“, erläutert Hermans. „Das muss entweder nachverkittet werden oder man löst die Glasscheiben, entfernt den alten Kitt und trägt neuen auf.“ Falls sich der Kunstglaser für Letzteres entscheidet, dann aus einem einfachen Grund: „Das hält dann wieder 100 Jahre“, versichert er.
Über die Glasmalerei
- Auf der Vorderseite von zugeschnittenen, farbigen Gläsern werden zunächst mittels Schwarz- oder Braunlot oder farbigen Glasschmelzfarben die Strichzeichnung und die Konturen mit einem Pinsel aufgetragen. Die farbigen Schmelzfarben werden auf der Rückseite aufgeschwemmt oder glatt verrieben.
- Grauabstufungen erzielt der Glasmaler, indem er die Scheibe zuerst mit Überzugsfarbe bemalt, gleichmäßig verreibt und nach dem Trocknen mit verschiedenen Radier- und Wischtechniken bearbeitet.
- Glasmalereifarben werden bei 550 bis 640 Grad Celsius im Ofen eingebrannt. Sind die Gläser abgekühlt, kann man in einer zweiten Schicht mit dünner aufgetragener Farbe auch Schatten- und Lichtwirkungen erzielen. stn
Für Stabilität bei den bleiverglasten Fenstern sorgt aber nicht nur der Kitt, der übrigens erst nach 20 bis 30 Jahren komplett aushärtet, wie Hermans erläutert, sondern auch Windeisen. Das sind Eisenstangen, die bei großflächigen Fenstern sicherstellen, dass starker Wind keine größeren Schäden anrichten kann. Zusätzlich sind an den Windeisen sogenannte Bleihaften befestigt. Das sind Bleidrähte, die jeweils um das Windeisen geschlungen und deren Enden mit einer Bleirute des Fensters verlötet sind.
Nur wenig Werkzeug nötig
Viel Werkzeug benötigt Peter Hermans für seine Arbeit nicht. Sorgsam vor ihm ausgebreitet liegen ein Glasschneider, ein Bleimesser zum Abtrennen und Bearbeiten von Bleiprofilen, eine Kröselzange zum Säubern und Korrigieren von Glaskanten, ein Bleiaufreiber zum Aufweiten und Bearbeiten von Bleiprofilen, einen Hammer mit einem ungewöhnlich kurzen Griff, ein Kittmesser, eine Schablonenschere und H-Bleiruten.
„Die Schablonenschere hat drei Klingen und schneidet einen kleinen Streifen aus, in den dann die Bleiruten passen“, erläutert er. „Und den Holzgriff am Hammer habe ich deshalb so kurz abgesägt, damit ich sehr eng am Material arbeiten kann.“
Fast noch wichtiger als das Werkzeug selbst ist für einen Kunstglaser allerdings der richtige Entwurf. „Die Entwürfe dauern von allen Arbeitsschritten oft am längsten“, so Hermans. Die Entwürfe steuert übrigens seine Frau Jeanne Kloepfer bei. Sie ist Grafik-Designerin und Illustratorin und fertigt nach den Wünschen des Kunden die Vorlage für die Arbeiten.
Glasscheibe fürs Drachenmuseum
Wer aufmerksam durch Lindenfels läuft, wird übrigens immer mal wieder auf das eine oder andere Werk von Hermans stoßen: etwa das Auferstehungsfenster in der evangelischen Waldhufenkirche in Winterkasten, das 2005 nach einem Entwurf des Offenbacher Professors und Künstlers Manfred Stumpf fertiggstellt wurde und den auferstandenen Christus segnend vor einer Odenwälder Landschaft zeigt.
Das Sandstrahlen
- Eine häufig angewendete Methode zur Gestaltung von Glas ist das Mattieren der Oberfläche durch Sandstrahlen. Die aufgeraute Scheibenoberfläche wird dadurch undurchsichtig, bleibt jedoch für Licht durchlässig.
- Alles, was eine klare Oberfläche behalten soll, wird mit einer Folie abgeklebt. Die zu sandstrahlenden Bereiche werden ausgeschnitten und freigelegt.
- Mittels eines Kompressors wird ein starker Luftstrahl erzeugt, der das Strahlmittel (zum Beispiel Sand oder Glasgranulat) aus einem Sammelbehälter mitnimmt und beschleunigt.
- Die Schleifmittel treffen zusammen mit dem Luftstrahl mit hoher Geschwindigkeit auf die zu behandelnde Oberfläche. Das Glas wird an dieser Stelle je nach Strahlmittel feiner oder grober mattiert. stn
Oder das bunte Bleiglas-Kunstwerk mit Drachenmotiv und Lindenfels-Wappen, das seit 2015 die Außentür des Deutschen Drachenmuseums in der Kernstadt ziert.
Wer sich für das Handwerk des Kunstglasers interessiert und wissen will, wie die verschiedenen Techniken funktionieren, kann Peter Hermans jederzeit nach telefonischer Absprache in dessen Werkstatt in Winterkasten einen kleinen Besuch abstatten.
Zudem ist er als Mitglied des Vereins „Kunsthandwerk Odenwald“ regelmäßig beim Kunsthandwerkermarkt dabei, der im Sommer im Michelstädter Stadtgarten und im Winter in der Löwenhofreite am historischen Marktplatz in Michelstadt stattfindet.
Eine Gelegenheit, die Arbeit des 66-Jährigen genauer unter die Lupe zu nehmen, bietet sich aber auch bei der 15. Herbstausstellung am kommenden Samstag und Sonntag, 11. und 12. November, in Eberbach am Neckar. Von jeweils 11 bis 18 Uhr präsentieren dann Künstler und Kunsthandwerker, unter anderem auch Peter Hermans, in der Keramikwerkstatt Krösselbach (Krösselbachweg 2) ihre Unikate.
Weitere Informationen unter: www.kunstglaserei-hermans.de
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