Gottesdienst

Impulse zur Umgestaltung der Lindenfelser Kirche gesetzt

Pfarrer Heinz-Joachim Lohmann setzte einige Impulse, wie die Umgestaltung der evangelischen Kirche in Lindenfels einmal aussehen könnte.

Von 
Gisela Grünwald
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Zum Thema „Bedeutung kirchlicher Räume“ referierte der stellvertretende Leiter der evangelischen Akademie zu Berlin, Heinz-Joachim Lohmann. © Dirk Zengel

Lindenfels. Die evangelische Kirche in Lindenfels feiert in diesem Jahr ihren 200-jährigen Geburtstag. Erbaut wurde die klassizistische Landkirche von Georg Moller. Er war Hofbaumeister vom Landgrafen in Darmstadt. Wer durch Südhessen fährt, erkennt die von Georg Moller gebauten Kirchen schon von weitem. „Wäre seine Karriere nicht in Darmstadt, sondern in Berlin oder München erfolgt, sie stünde der von Karl Friedrich Schinkel und Leo von Klenze, seinen berühmten Zeitgenossen, nicht nach“, so schätzt der Kunsthistoriker Michael Groblewski die Bedeutung des Baumeisters Moller ein. Ein Problem oder eine Chance für die evangelische Kirchengemeinde in Lindenfels?

Die Gemeinde hat das evangelische Gemeindehaus mit Pfarrwohnung und Büro am Seewiesenweg verkauft, mietete sich im Pfarrbüro der katholischen Kirche ein und darf den Gemeindesaal mitbenutzen, der dadurch zum ökumenischen Gemeindesaal wurde. Allerdings haben beide Konfessionen nicht genug Kapital, um ihre historischen Kirchen und Gemeindehäuser zu erhalten.

Umbau gestaltet sich wegen Denkmalschutz schwierig

Während bei der katholischen Kirche alles in Rom entschieden wird, fallen bei den Protestanten die Entscheidungen in den Synoden. Der Vorstand der evangelischen Kirche in Lindenfels ist in Gesprächen mit der Verwaltung der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, um zu klären, ob und wie man ein historisches Gebäude überhaupt umbauen oder umwidmen kann.

Das gestaltet sich jedoch schwierig, denn die Kirche sieht innen noch so aus, wie sie von Moller erbaut wurde. Auch die Orgel steht unter Denkmalschutz und ist ebenfalls 200 Jahre alt. Auf ihr klingen die Musikstücke von Bach, Beethoven und Händel wie zu jener Zeit, als sie komponiert wurden. Immer wieder geben deshalb auch Organisten aus Darmstadt Konzerte in der evangelischen Kirche in Lindenfels.

Über kirchliche Räume sprach beim Gottesdienst Pfarrer Heinz-Joachim Lohmann, stellvertretender Leiter der evangelischen Akademie zu Berlin und zuvor Superintendent in Wittstock-Neuruppin. „Dort wurde und wird die Frage der Zukunft kirchlicher Räume in einer sehr viel brisanteren Form gestellt als in unserer Region“, erklärte Lohmann.

„Aufgewachsen bin ich, Jahrgang 1963, in einem Dorf in Rheinhessen. Die dortige Kirche ist nach wie vor der Mittelpunkt unserer Familie. Auf dem Friedhof sind unsere Vorfahren begraben, in der Kirche wird geheiratet und getauft“, schilderte der Pfarrer. „Nach dem Theologiestudium wurde ich Pfarrer in Südbrandenburg. Das war meine erste Stelle 1988 und bei der musste ich mich um fünf baufällige Kirchen kümmern. Zu Zeiten der DDR wurden die Gemeinden finanziell kaum unterstützt. Gemeinden, denen ihre Kirche wichtig war, bauten zum Beispiel den Kirchturm wieder aus Hohlblocksteinen auf. Alle halfen: die örtliche Feuerwehr, die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) und andere vor Ort.“ Eine andere Gemeinde habe die Kirche so verändert, dass sie im Winter einen Teil mit Heizlüftern für den Gottesdienst nutzen konnten, später dann als Versammlungsraum.

Pfarrer Heinz-Joachim Lohmann wurde anschließend Superintendent in Wittstock-Neuruppin in Nordbrandenburg. In Wittstock-Ruppiner Heide war ein Truppenübungsplatz (Bombodrom). Genutzt wurde er 1952 bis 1993 durch die Gruppe sowjetischer Streitkräfte in Deutschland (GSSD). Dann wurde er der Bundeswehr übergeben, die den Truppenübungsplatz als Luft-/Bodenschießplatz nutzen wollte. Die Pläne wurden 2009 verworfen und die Nutzung des Übungsplatzes durch die Bundeswehr eingestellt.

Kirche als Ort für Ausstellungen und Versammlungen

Lohmann erzählte von der Bürgerbewegung „Freie Heide“, von all den angrenzenden Gemeinden, die von Einnahmen durch Tourismus oder Berliner geträumt haben. Jetzt ist der Truppenübungsplatz Geschichte, aber die Wittstocker Heide ist noch immer voller Munition und Sprengstoff-Resten der sowjetischen Streitkräfte. Die Bürgerbewegung „Freie Heide“ hielt ihre Versammlungen genauso in den Kirchenräumen ab, wie die Montagsdemonstranten, um Erich Honecker und Co. zu stürzen.

Nachdem die Kirche den Bürgerbewegungen in Brandenburg die Türen geöffnet hat, half Lohmann auch, Bänke auszubauen – auch, um einer Installation gegen Neonazis Raum zu geben. „Ging man in die Kirche, musste man noch an einem Neonazi mit Baseballschläger vorbei“, berichtete Lohmann.

Die Frage ist: Ist es heutzutage wirklich ruhiger geworden oder finden die rassistischen Jagden und die Hetze nur an anderen Orten statt? Zumindest haben sich die Kirchen in Neuruppin verändert. Ebenso die Kirche in Vichel, in deren Schatten viele Wanderer Rast machen. Im Inneren des Gotteshauses sind keine Kirchenbänke mehr, kaum religiöse Requisiten – das irritiert. Die Kirche wird gerade renoviert und so können Kunstausstellungen stattfinden.

Vielleicht muss eine Gemeinde bereit sein, ihre Kirche mit anderen Augen zu sehen. Früher haben die jeweiligen Landesherren die Kirchen in ihrem Gebiet mit ihren Zeichen der Macht versehen, wie es auch die märkischen Fürsten getan haben. Aber die Bevölkerung, die Gläubigen möchten damit nichts mehr zu tun haben.

„Dann muss man Kirche neu denken“, so Lohmann. Den Gottesdienst kann man auch in den Wohnzimmern von Mitgliedern der Kirchengemeinde abhalten oder unter freiem Himmel, wie Jesus es getan hat.

Im Westen dokumentieren die Kirchen oft die Ortsgeschichte. Es gibt Kirchenbücher, in denen Heirat, Taufe und Beerdigung eingetragen sind. Es gibt Familien, eine Heimat. Meist stehen die Kirchen an besonderen Orten, so wie die evangelische Kirche in Lindenfels. Sie stand einst hinter dem früheren Rathaus, wo jetzt der Parkplatz am Löwenbrunnen ist. Das Rathaus sah wie das Michelstädter Rathaus aus, mit einem Platz, um überdacht die Waren zu verkaufen, im Schatten der Kirche zu ruhen oder sich das Abendmahl zu holen. Zum Gottesdienst am Sonntag kamen nur wenige Besucher, die Mehrzahl gehörte dem Kirchenvorstand an.

Wohnzimmerkirche in Nieder-Liebersbach als Vorbild?

Man könnte ins Dachgeschoss Wohnungen bauen, wie es sie in Stralsund gibt. Wohnraum wird benötigt, aber ebenso ein Café, Restaurant oder Ort für Veranstaltungen wie das daneben liegende Bürgerhaus.

Vielleicht wäre eine Wohnzimmerkirche wie die im Birkenauer Ortsteil Nieder-Liebersbach die einfachste Lösung. Diese evangelische Kirche hat auch Hofbaumeister Georg Moller entworfen und gebaut. Im Kircheninnenraum gibt es Stühle, bequeme Sofas und Sessel, also Sitzgruppen wie im heimischen Wohnzimmer. Die Café-Küche ist ebenfalls im Kircheninnenraum und so ist er für sakrale und andere Veranstaltungen nutzbar.

Pfarrer Heinz-Joachim Lohmann hatte mit seinem Beitrag zur Umgestaltung der Kirche im Rahmen des 200-jährigen Geburtstags vorsichtige Impulse gesetzt. Eine schwere Entscheidung für den evangelischen Kirchenvorstand um Jochen Ruoff und die Verwaltung, wenn man nicht weiß, ob die Gläubigen ihr Gotteshaus so behalten wollen oder eine Veränderung möglich ist.

In Bielefeld in Ostwestfalen-Lippe wurde eine Kirche in ein Restaurant mit Biergarten umgewandelt, eine andere in eine jüdische Synagoge. Kaufinteressenten gäbe es sicher unter den freien evangelischen Gemeinden. In Hessen versuchte man laut einem Historiker immer, in einem Ort Gläubige beider Kirchen anzusiedeln, damit die Gemeinden offen blieben.

Freie Autorin

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