Finanzen

Die Grundsteuer B wird 2026 in Lindenfels steigen

Das Regierungspräsidium und die Kommunalaufsicht fordern ein Haushaltssicherungskonzept, das die Stadt Lindenfels zu drastischen Maßnahmen zwingt.

Von 
Nora Strupp
Lesedauer: 
2026 wird die Grundsteuer B in der Burgstadt steigen. © Thomas Neu

Lindenfels. Mahnende Worte fand Bürgermeister Maximilian Klöss in der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, als es um die städtischen Finanzen ging: „Wir befinden uns in einer schwierigen, ja dramatischen Lage“, betonte er. Wie ernst die Sache wirklich ist, wurde im Finanzausschuss am Dienstag deutlich. Kurz zusammengefasst hat die Stadt mehr Kredite aufgenommen als sie benötigt – es liegt also eine sogenannte Überfinanzierung vor –, zugleich sinkt das Eigenkapital der Stadt. Zudem ist der aktuelle Haushalt für das Jahr 2025 noch immer nicht von der Kommunalaufsicht genehmigt worden. Das Regierungspräsidium Darmstadt fordert deshalb nun ein Haushaltssicherungskonzept. Ziel des Konzepts ist es, einen strukturellen Haushaltsausgleich im Jahr 2026 zu erreichen, damit die Stadtverwaltung wieder handlungsfähig ist.

Zunächst war eine Erhöhung auf 1300 Prozent angedacht

Zwar hatte die Stadt im vergangenen Jahr für das Haushaltsjahr 2025 bereits den Grundsteuer-B-Hebesatz von 870 auf 990 Prozent, die Gewerbesteuer von 390 auf 395 Prozent und die Spielapparatesteuer, die Spielautomatenbetreiber zahlen müssen, von 15 auf 20 Prozent angehoben. Und auch der Finanzausschuss durchforstete in mehreren Sitzungen den Haushaltsplanentwurf 2025, um die Ausgaben zu senken (immerhin wurden so rund 1,6Millionen Euro eingespart). Zudem werden sämtliche angesammelten Rücklagen aus den vergangenen Jahren, die die Stadt noch hat, aufgebraucht.

Doch all diese Maßnahmen reichen nicht. Eine weitere Erhöhung der Grundsteuer B ist also unausweichlich. Auch andere Gebühren will die Stadt einer eingehenden Prüfung unterziehen und dann anpassen. Dies betrifft ab 2026 die Feuerwehrgebühren, die Wasser- und Abwassergebühren, die Verwaltungskosten und ab 2027 auch die Friedhofsgebühren und den Kurbeitrag. „Zusätzlich wird auch die Ausgabenpolitik des laufenden Jahres äußerst restriktiv sein. Die Übertragung von Haushaltsausgaberesten wurde bereits auf ein notwendiges Maß reduziert“, heißt es im Haushaltssicherungskonzept.

Laut diesem Konzept war zunächst angedacht, die Grundsteuer B auf 1300 Prozent zu erhöhen. Doch hier legte der Finanzausschuss sein Veto ein. Die Höhe des Hebesatzes jetzt schon so konkret festzulegen, kam für das Gremium nicht infrage. Stattdessen forderten die Ausschussmitglieder eine etwas weichere, neutralere Formulierung, die besagt, dass die Grundsteuer B ab 2026 so angepasst wird, wie es zur Finanzierung des Haushalts nötig ist. Bedeutet: Die Grundsteuer könnte dann möglicherweise unter 1300 Prozent liegen – oder aber auch darüber. Dieser Änderung des Beschlussvorschlags stimmte auch die Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag bei einer Enthaltung zu.

Claudia Schmitt (CDU) hatte zuvor im Stadtparlament dafür plädiert, den Beschlussvorschlag noch um das Wort „gegebenenfalls“ zu ergänzen, sodass er lauten würde: „Die Grundsteuer B wird ab 2026 gegebenenfalls so angepasst, wie es zur Finanzierung des Haushalts nötig ist.“ Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit. Jochen Ruoff (Grüne) konnte der Idee nichts abgewinnen: „Machen wir uns nichts vor. Ob mit dem Wort ,gegebenenfalls‘ oder ohne: Wir müssen das tun. Die Grundsteuer ist der einzige Hebel, um die Einnahmen zu gestalten.“

Der Finanzausschuss und die Stadtverordneten machten vor allem das Revisionsamt des Kreises Bergstraße und die Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums Darmstadt dafür verantwortlich, dass die Stadt überhaupt zu diesem Schritt der Grundsteuererhöhung gezwungen ist. Die Behörden hatten die Jahresabschlüsse von 2018 bis 2024 miteinander verglichen und dabei die Überfinanzierung in Millionenhöhe festgestellt. „Wieder mit 2018 anzufangen, ist nicht fair. Man kann uns doch nicht für die Vergangenheit bestrafen“, protestierte Jochen Ruoff im Finanzausschuss.

Auch Dieter Adolph (FDP) fand das Vorgehen von Revisionsamt und Kommunalaufsicht unerhört: „Ich fühle mich vollkommen unschuldig. Die Haushaltspläne von 2018 bis 2024 sind von denen beschlossen worden, die Jahresabschlüsse wurden von ihnen geprüft. Schuld sind also die Behörden, die den Haushalt damals genehmigt haben. Sie haben uns aufs Glatteis geführt und deren Falschaussagen werden uns jetzt vorgehalten. Ich weigere mich, den Forderungen Folge zu leisten. Ich werde mich nicht von ihnen zu einer höheren Grundsteuer zwingen lassen. Da muss man auch mal Rückgrat zeigen und zivilen Ungehorsam an den Tag legen.“

Bernd Rettig (LWG) versuchte Adolph deutlich zu machen, was solch ein Verhalten bedeuten würde: „Wenn wir uns jetzt gegen die Bedingungen des Regierungspräsidiums sperren, bekommen wir keinen Haushalt genehmigt.“ Auch Harald Stanka (SPD) warnte davor, sich den Vorgaben zu widersetzen: „Eine handlungsfähige Verwaltung muss gewährleistet sein.“

Unerwartet hoher Einbruch der Gewerbesteuererträge

Bürgermeister Maximilian Klöss versuchte, die aufgeheizte Stimmung zu mildern: „Das ist ein emotional besetztes Thema. Es ist eine wirklich schwierige Situation, die belastend ist. Auch ich bin von der Grundsteuererhöhung betroffen. Wir werden vonseiten der Verwaltung Maßnahmen ergreifen, aber nicht alle werden sofort Wirkung zeigen. Aber wir brauchen die Rückendeckung des Parlaments. Wir sitzen alle im gleichen Boot und kommen nur gemeinsam aus der Sache raus.“

Für noch mehr Aufruhr sorgte im Finanzausschuss dann aber die Aussage von Klöss, dass die Kredite dafür benutzt werden, um die Gehälter der städtischen Mitarbeiter zu zahlen. „Das ist absolut lächerlich und suspekt“, entgegnete Ulrich Roßmann (LWG). „Die Gehälter sind eine feste Größe, die im Haushaltsplan aufgeführt ist.“ Klöss erklärte daraufhin, dass er diese Formulierung nur verwendet habe, um deutlich zu machen, wie kritisch die Situation ist, denn die Stadt Lindenfels sei bis Ende des Jahres praktisch zahlungsunfähig. Faktisch würden die Kredite natürlich nicht zur Zahlung der Gehälter verwendet werden.

Unter anderem trägt auch ein unerwartet hoher Einbruch der Gewerbesteuererträge aus dem Jahr 2024 zur heiklen Finanzlage bei, wie ein Blick in das Haushaltssicherungskonzept offenbart. Aufgrund dessen werde die noch vorhandene ungebundene Liquidität zum Jahresende 2025 vollständig aufgezehrt sein.

Schon allein die ersten beiden Controllingberichte des Jahres 2025 ließen nichts Gutes erahnen. Im ersten Bericht mit Buchungsstand vom Mai war von einer Verschlechterung im Bereich „Tageseinrichtungen für Kinder“, also bei der Kinderbetreuung, von rund 70.000 Euro die Rede, bei der Abwasserbeseitigung war das Budget rund 140.000 Euro schlechter als prognostiziert. Damals plante die Stadt beim ordentlichen Ergebnis mit einem Minus von rund 605.000 Euro, die Prognosen zeigten sogar ein Minus von rund 815.000 Euro.

Im zweiten Controllingbericht mit Stand vom August fiel das geplante Minus mit rund 439.632 Euro immerhin etwas geringer aus. Im Bereich der Kinderbetreuung ist dann allerdings eine Verschlechterung von rund 100.000 Euro angegeben. Dem stehen aber Mehreinnahmen in den Bereichen „Sportstätten und Bäder“, „Allgemeine Einrichtungen“ und „Steuern, allgemeine Zuweisungen, Umlagen“ gegenüber.

Mehr zum Thema

Bundestag

Drei Haushalte in kurzer Zeit: Wie es jetzt weitergeht

Veröffentlicht
Von
Theresa Münch
Mehr erfahren

Markus Kluge (CDU) fragte im Finanzausschuss, ob auch der im vergangenen Dezember beschlossene Grundsteuer-B-Hebesatz von 990 Prozent schuld an der Misere sei. „Dass die 990 Prozent nicht reichen, war bekannt“, entgegnete Klöss. Tatsächlich hatte die Stadtverwaltung zu jener Zeit schon einen Hebesatz von 1300 Prozent ans Herz gelegt. Damit konnten sich jedoch weder der Finanzausschuss noch die Stadtverordneten anfreunden, obwohl der damalige Bürgermeister Michael Helbig dargelegt hatte, weshalb dieser hohe Hebesatz nötig gewesen wäre: „Die Ausgaben steigen deutlich schneller als die Einnahmen und bringen den städtischen Haushalt in eine drastische Schieflage.“

Klöss klärte auf: „Wenn wir damals schon die Grundsteuer B bei 1300 festgesetzt hätten, hätten wir jetzt vermutlich nicht die Probleme mit dem Regierungspräsidium.“ Markus Kluge wollte daraufhin wissen: „Und wer sagt uns, dass die 1300 Prozent reichen?“, „Das ist eine berechtigte Frage“, ließ der Bürgermeister offen, ob nicht möglicherweise eine noch höhere Grundsteuer B nötig ist. Fakt sei, dass die Stadt Lindenfels in jedem Fall Überschüsse erwirtschaften müsse: „Ein ausgeglichener Haushalt reicht nicht. Aber wir sind bestrebt, die Grundsteuer so niedrig wie möglich zu halten.“

Auch in der Stadtverordnetenversammlung war man erzürnt darüber, dass die Stadt von den Behörden zur Umsetzung von derart drastischen Maßnahmen angehalten wird. „Das Revisionsamt des Kreises Bergstraße und das Regierungspräsidium Darmstadt haben versagt. Dass man uns die Überfinanzierung rückwirkend ab 2018 eröffnet, ist eine Dreistigkeit“, kritisierte Inge Morckel (FDP). „Die FDP hat dafür kein Verständnis, aber wir sehen auch keinen anderen Ausweg, als den Forderungen der übergeordneten Behörde nachzukommen. Ein Haushaltssicherungskonzept muss ja auch nichts Schlechtes sein, wenn am Ende ein ausgeglichener Haushalt dabei herauskommt.“

Es werden keinerlei Kredite aufgenommen

„Mit dem Haushaltssicherungskonzept bekennt sich Lindenfels zur Konsolidierung ihrer Finanzen. Es wird eine Kombination aus maßvoller Steuerpolitik, Effizienzsteigerungen und Zukunftsinvestitionen angestrebt“, heißt es in dem Dokument.

Um die desaströse Finanzlage ein wenig zu verbessern, wird auch die aktuelle Haushaltssatzung 2025 angepasst. Demnach wird die diesjährige Kreditaufnahme, die eigentlich bei 2,43 Millionen Euro lag, komplett gestrichen. Zudem wird eine leicht positive Entwicklung bei der Gewerbesteuer berücksichtigt.

Den Start ins Bürgermeisteramt hatte sich Maximilian Klöss auf jeden Fall anders ausgemalt, wie er im Rahmen des Magistratsberichts in der Stadtverordnetenversammlung darlegte. Auch für den neuen Kämmerer Marcel Bernius, der erst im Juni dieses Jahres seine Tätigkeit aufgenommen hat, waren es bislang eher turbulente drei Monate. „Herr Bernius und ich stehen für Haushaltsklarheit und Wahrheit. Krumme Dinger und Mogelpackungen wird es mit uns nicht geben. Wir beide haben uns einen anderen Start bei der Stadt Lindenfels gewünscht. Wir haben noch einiges vor, die aktuelle Situation bremst uns allerdings aus. Wir versprechen den Bürgern einen sparsamen Umgang mit Steuergeldern und einen Sparwillen. Dazu brauchen wir jedoch die Rückendeckung des Parlaments, weil Sparen bedeutet auch immer, etwas wegzunehmen“, verdeutlichte Klöss.

Diese Rückendeckung hatte er: Die Stadtverordnetenversammlung stimmte dem Haushaltssicherungskonzept und der Anpassung der Haushaltssatzung 2025 bei jeweils einer Enthaltung zu.

Redaktion

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke
  • Burgfest Lindenfels
  • Lindenfels-Festival