Evangelische Kirche

Statt einer Predigt gab es einen Spaziergang im Wald

Im Mittelpunkt stand die Wahrnehmung der Natur mit allen Sinnen.

Von 
Philipp Kriegbaum
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Bei Tee und Streuselkuchen berichteten die Gottesdienstbesucher über ihre Erfahrungen in der Natur. © Philipp Kriegbaum

Lindenfels. „Wilde Kirche – heimisch werden in der Welt Gottes“ heißt ein neues Gottesdienst-Format der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. An der Grillhütte im Buchwald bei Lindenfels wurde es erstmals umgesetzt. Umweltpfarrer Dr. Hubert Meisinger war dazu aus Mainz gekommen. Bei den Besucherzahlen blieb allerdings Luft nach oben: Sieben Menschen besuchten den Gottesdienst unter freiem Himmel.

Im Mittelpunkt stand die Wahrnehmung der Natur mit allen Sinnen. An der Stelle, an der sonst der Pfarrer seine Predigt hält, unterbrach Meisinger den Gottesdienst. Die Gläubigen schickte er für eine knappe Viertelstunde mit einem Auftrag in die untergehende Abendsonne: Sie sollten sich ihre Umgebung genau ansehen, sie hören, riechen und anfassen. Anschließend durfte jeder, der wollte, den anderen von seinen Wahrnehmungen und Gefühlen erzählen.

Küster Lothar Grzybowski hatte zwei Thermoskannen Tee zum Grillplatz gebracht. Passenderweise hatte Philipp Pfeifer, der Vorsitzende der Lindenfelser Sportschützen, ein Blech mit Streuselkuchen dagelassen. Es war bei einem Seminar übrig geblieben, bei dem der Verein im Schützenhaus Gastgeber war. Kirchenvorstand und Lektor Jochen Ruoff bedankte sich bei den Spendern für die nachbarschaftliche Hilfe.

Bei der Pause im Wald seien Erinnerungen an die Nachkriegszeit wach geworden, berichteten zwei Damen danach in der Runde. Früher hätten sie mit den Eltern Bucheckern gesammelt, um Öl daraus zu pressen. Kirchenvorstand Manfred Riebel hatte eine Buchecker mitgebracht und sagte, er sehe in der stachelbewehrten Hülle ein Symbol dafür, wie Gott die Menschen schütze. Riebel hatte auch ein von einer Pilzkrankheit befallenes Ahornblatt von der kleinen Exkursion mitgebracht und wies auf die Widerstandsfähigkeit der Bäume trotz Trockenheit hin. Eine weitere Teilnehmerin hatte einen kleinen Wiesenblumenstrauß gepflückt.

Am Reformationstag wird das Kirchenjubiläum gefeiert

Die evangelische Kirchengemeinde stellte zum dritten Mal den letzten Sonntag des Monats unter das Motto „Auf ein Wort-Gottes“. Sie lädt jeweils externe Gäste dazu ein. Umweltpfarrer Meisinger und Kirchenvorstand Ruoff kennen sich aus der Zeit, als Ruoff das Albert-Schweitzer-Haus leitete. Kürzlich sahen sie sich zufällig in Brensbach wieder. Als Ruoff von der Gottesdienstreihe berichtete, erklärte sich Meisinger bereit, einen Gottesdienst zu gestalten.

Der nächste ist für den 26. Oktober vorgesehen. Er wird ausnahmsweise von Jochen Ruoff ohne externe Unterstützung gestaltet, weil die Kirchengemeinde schon fünf Tage darauf, am Reformationstag, das 200-jährige Bestehen der evangelischen Kirche in größerem Rahmen feiern will.

Die internationale Initiative „Wild Church Network“ praktiziere eine experimentelle Liturgie, „um uns der spirituellen Dimension der ökologischen Krise zu stellen“, heißt es in einem Informations-Blatt der evangelischen Kirchengemeinde. „Einfach raus aus den Kirchenmauern“ laute das Motto. Denn „überall gibt es wilde, ungezähmte Ecken, wenn wir nur hinschauen“.

Freier Autor Schwerpunkte: Lokales Lindenfels / Lautertal, Chorgesang, Vereine, Hintergründe.

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