Kolmbach. Meterhohe Berge von Schutt, eine Verschandelung der Landschaft, Lärm und Staub auch an Samstagen – die mögliche Errichtung einer Bauschutt-Recyclinganlage im Kolmbacher Gewerbegebiet „Im Gehren“ löst bei vielen Anwohnern Ängste und Schreckensszenarien aus.
Im Frühjahr vergangenen Jahres gelangte das Ansinnen eines örtlichen Unternehmens, eine solche Anlage in dem Lindenfelser Stadtteil zu bauen, in die Öffentlichkeit. Seitdem kochen die Emotionen hoch. Das Lindenfelser Stadtparlament hat in zwei Beschlüssen dem Verkauf eines Grundstücks an den Unternehmer für diesen Zweck zugestimmt.
In Kraft getreten ist das Geschäft aber auf Wunsch des Investors noch nicht. Das soll erst geschehen, wenn das Regierungspräsidium Darmstadt entschieden hat, ob alle immissionsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.
Uneinigkeit über Zahlen
Derzeit sei der Antrag noch nicht vollständig, heißt es von der Aufsichtsbehörde. Der Unternehmer sei um Ergänzung gebeteten worden. Nach Vollständigkeit der Unterlagen habe das Regierungspräsidium von Gesetzes wegen drei Monate Zeit für die Entscheidung über die Genehmigung.
Die Meinungen darüber, was ein positiver Beschluss des Regierungspräsidiums für den Stadtteil bedeuten würde, gehen auseinander. Bürgermeister Michael Helbig etwa verweist auf Gutachten von Fachbüros, nach denen zulässigen Immissionsrichtwerte an allen betrachteten Punkten unterschritten werden und auch keine erheblichen Beeinträchtigungen für Tier- und Pflanzenarten entstehen.
Ein Risiko für das Prädikat Heilklimatischer Luftkurort der Burgstadt sieht der Rathauschef ebenfalls nicht.
Auch mit Blick auf den Lastwagenverkehr, den die Anlage mit sich bringen würde, mahnt Helbig zur Entspannung. 13 Lkw dürfen pro Tag zur und von der Anlage fahren, wenn sie denn gebaut wird, das macht insgesamt 26 Fahrten am Tag. Der Bürgermeister empfahl, dies ins Verhältnis mit dem Busverkehr zu setzen. Wer das tut, stellt fest: Die Busse der Linie 665 halten an Schultagen 68 Mal in Kolmbach. Ob da die 26 zusätzlichen Lkw nun viel oder wenig wären, liegt im Auge des Betrachters.
Gegner der geplanten Bauschutt-Anlage rechnen ohnehin mit mehr Fahrten. Auf einer Informationsveranstaltung der Kolmbacher Bürgerinitiative gegen das Projekt bezweifelte Ortsvorsteher Kurt Dersch, dass auch Leerfahrten in der Rechnung auftauchen.
Das Vertrauen in die Zahlen und Informationen, die die Stadtverwaltung vorgelegt hat, ist unter den Kritikern auch sonst begrenzt. Die Mitglieder der Kolmbacher Bürgerinitiative stört etwa die Diskrepanz zwischen maximal 21 100 Tonnen an Material, die bei einer Genehmigung in Kolmbach bearbeitet werden dürfen und der Vorgabe, dass die Bauschuttanlage bis zu 20 Tage pro Jahr – auch samstags – im Gewerbegebiet in Betrieb sein darf. Die Höchstmenge an Material könne in dieser Zeit nicht bearbeitet werden, möglicherweise rattere die Anlage auch an weiteren Tagen, lautet die Befürchtung. Bürgermeister Helbig hat zum Jahresende im Interview mit dieser Zeitung betont, für ihn seien die 20 Arbeitstage Fakt.
Beleidigungen und Drohungen
Trotz der Gutachten zum Immissionsschutz warnen die Kritiker vor einer hohen Lärmbelästigung, auch wegen der Windverhältnisse am Ortsrand, die, so ihre Sorge, den Schall ins Wohngebiet tragen könnten. Mögliche Wertverluste bei Grundstücken bereiten ihnen Bauchschmerzen. Wildvorkommen in dem Bereich sehen sie in Gefahr.
Viele treibt auch die Frage um, was mit dem Abwasser von der Anlage passieren würde. Im Interview erklärten Helbig und der Erste Stadtrat Otto Schneider, der Betrieb werde regelkonform ans Abwassernetz angebunden und das Wasser erst nach einer Vorbehandlung in den Kanal eingeleitet. Für die Erschließung seines Teils des Gewerbegebiets sei der Investor zuständig. Ihre Hoffnung ist, dass dem seit langem brachliegenden Gebiet auf diese Weise Leben eingehaucht wird. Auch dies überzeugt die Kritiker nicht. Neben einem solchen Abbruchbetrieb wolle sich wohl kaum jemand ansiedeln wollen, glauben sie.
Ob die Bauschuttanlage ihre Umgebung wirklich derart belasten würde, wie es die Vertreter der beiden Bürgerinitiativen aus Kolmbach und dem benachbarten Lautertaler Ortsteil Gadernheim befürchten, wird sich wohl erst beantworten lassen, wenn sie einmal da sein sollte. Bereits jetzt aber ist klar, dass die Debatte darüber nicht gut für das Binnenverhältnis in Lindenfels ist. Klagen gegen eine Genehmigung der Anlage sind durchaus im Bereich des Möglichen, zum einen von Anwohnern, zum anderen seitens der Gemeinde Lautertal, die das Projekt ebenfalls kritisiert hat.
Betroffene Anwohner und der Kolmbacher Ortsbeirat fühlen sich übergangen und schlecht informiert, weil viel Zeit verging, bis Helbig nach dem nicht-öffentlichen Verkaufsbeschluss dazu Stellung bezog. Einige Stadtverordnete teilen die Kritik und bemängeln, im Vorfeld nicht genug über das Projekt gewusst zu haben. Helbig betont indes, die Transparenz geschaffen zu haben, die nach geltendem Recht möglich ist.
Andere ehrenamtliche Lokalpolitiker wiederum beklagen unfaires Verhalten von einzelnen Kritikern der Anlage und sprechen von Beleidigungen und Drohungen. In einer öffentlichen Sitzung des Stadtparlaments gab es unschöne Szenen: Nachdem das Gremium zum zweiten Mal für den Verkauf gestimmt hatte, verließen wütende Anwohner den Sitzungssaal unter Schmähungen und Anschuldigungen, in denen das Wort Korruption vorkam und angeblich auch weitere Beleidigungen.
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