Natur

In Lindenfels leiden die Fichten unter Trockenheit

Forsteinrichter Raphael Wulf gab einen Zwischenbericht zur Forsteinrichtung und schilderte, wie es um den Lindenfelser Stadtwald bestellt ist.

Von 
Nora Strupp
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Die Naturwaldentwicklungsflächen, wie hier zwischen Schlierbach und Seidenbuch, erstrecken sich in Lindenfels auf 32,5 Hektar. Hier darf keine Holzernte oder andere Nutzung stattfinden. Diese Gebiete dienen ausschließlich dem Naturschutz. © Konrad Bülow

Lindenfels. Welche Funktionen erfüllt der Lindenfelser Stadtwald? Wie ist es um die Nährstoff- und Wasserversorgung bei den Bäumen bestellt? Und wie groß sind das Trockenstressrisiko und die Schäden bei den einzelnen Baumarten? Über all das informierte jüngst Forsteinrichter Raphael Wulf in einer gemeinsamen Sitzung des Lindenfelser Bau- und Finanzausschusses, als er den Zwischenbericht zur Forsteinrichtung vorstellte.

Die Forsteinrichtung ist ein Planungsinstrument für eine langfristige und nachhaltige Forstwirtschaft. Sie findet alle zehn Jahre statt und enthält eine Inventur, durch die der Standort und der Baumbestand beschrieben werden, sowie eine Planung zu Einschlag, Pflanzung und sonstigen Maßnahmen.

Zunächst ging Wulf näher auf die fünf Betriebsziele ein, die durch den Wald erreicht werden sollen. Der Lindenfelser Wald erfüllt vor allem eine Erholungsfunktion, wie der Forsteinrichter erläuterte. Insbesondere am Schenkenberg und an der Eleonorenklinik in Winterkasten ist das der Fall. An zweiter Stelle hat der Wald einen finanziellen Nutzen, da Überschüsse erwirtschaftet werden können. Auf Rang 3 folgt die Schutzfunktion und die Biodiversität. Zudem dient der Wald der Rohstofferzeugung, da durch ihn die Brennholzversorgung der örtlichen Bevölkerung sichergestellt wird. Nicht zuletzt ist der Forst aber auch Arbeitgeber.

Stadt Lindenfels ist Besitzerin von 319 Hektar Wald

Der Lindenfelser Stadtwald umfasst insgesamt 319 Hektar. Davon sind 286,5 Hektar Baumbestandsflächen, 19,9 Hektar Nebenflächen (Parkplätze, Steinbruch) und 12,6 Hektar Wege. Die Baumbestandsflächen werden nochmal in drei Untergruppen untergliedert: Sie bestehen aus dem „Wald im regelmäßigen Betrieb“ (252,3 Hektar), aus dem „Wald im außerregelmäßigen Betrieb“ (1,7Hektar) und aus Naturwaldentwicklungsfläche (32,5 Hektar).

„Wald im regelmäßigen Betrieb“ bedeutet, dass die Fläche regelmäßig bewirtschaftet wird, etwa durch Holzernte, Waldpflege und Schutzmaßnahmen. Der „Wald im außerregelmäßigen Betrieb“ umfasst alle Holzbodenflächen, die nicht regelmäßig bewirtschaftet werden, zum Beispiel unbegehbare Steilhänge oder Bannwald, oder deren Nutzungsmöglichkeit für absehbare Zeit unter einem Kubikmeter je Jahr und Hektar liegt. Die Naturwaldentwicklungsflächen wiederum sind bewusst von der Nutzung ausgenommen und dienen ausschließlich dem Naturschutz.

„Zwei wichtige Kenngrößen für die Standortbeschreibung sind die Nährstoffverfügbarkeit und die Wasserverfügbarkeit“, schilderte Wulf. Der Lindenfelser Stadtwald sei zu 39Prozent mesotroph, er weist dort also eine mäßige Nährstoffversorgung auf. Das betrifft vor allem Gebiete mit Eiche, Buche, Fichte und Douglasie. 31 Prozent des Waldes seien gut mesotroph und 30 Prozent sogar eutroph, das bedeutet, der Wald ist an diesen Stellen sehr nährstoffreich. Dafür sorgen Buche und Edellaubhölzer wie Ahorn oder Esche.

Es gibt mehr Douglasien und Edellaubbäume

Wie hoch die Gefahr von Trockenstress im Wald ist, kann man anhand der sogenannten „Standortwasserbilanz“ herausfinden. Diese zeigt die durchschnittliche Wasserversorgung während der Vegetationszeit an grund- und stauwasserfreien Waldstandorten in der Zukunft an und wird in Millimetern ausgedrückt. Zugrundegelegt wird der Zeitraum 2041 bis 2070.

Die Standortwasserbilanz errechnet sich aus der Summe der klimatischen Wasserbilanz (Niederschlag abzüglich der potenziellen Verdunstung) und der nutzbaren Feldkapazität. Mit Feldkapazität ist das pflanzenverfügbare Bodenwasser gemeint, also die Wassermenge, die ein Boden zwei bis drei Tage nach der Wassersättigung noch in der Lage ist zu halten. Schwere, tonhaltige Böden können das Wasser beispielsweise besser und länger halten als Böden mit einem hohen Sandanteil. Auf einer Skala von 0 bis 9 liegt die Standortwasserbilanz des Lindenfelser Stadtwaldes mit einem Wert zwischen 112,8 und 142,7 Millimetern hauptsächlich im mittleren Bereich (Stufe 4 bis 5).

Anhand der Werte der Standortwasserbilanz kann man drei Risikostufen für Baumarten benennen, die sich in „gering“, „mittel“ und „hoch“ untergliedern. Baumarten, für die ein hohes Trockenstressrisiko besteht, werden nicht mehr als führende Baumarten empfohlen. Im Lindenfelser Stadtwald hat vor allem die Fichte eine sehr schlechte Standortwasserbilanz. Sie ist zu 100 Prozent von Trockenstress bedroht. Die Buche hat zum überwiegenden Teil (90,5 Prozent) ebenfalls eine sehr hohe Trockenstressgefährdung. Deutlich besser bestellt ist es um Kiefer, Eiche und Douglasie.

Forsteinrichter Raphael Wulf stellte anschließend die Baumartenverteilung im Lindenfelser Stadtwald vor. Beim Vergleich zwischen den Jahren 2015 und 2025 ergab sich folgendes Bild:

  • Buche: Vor zehn Jahren machte diese Baumart noch 59 Prozent des Waldes aus, mittlerweile sind es noch 55 Prozent, was einem Rückgang von 6,8 Prozent entspricht.
  • Fichte: Den größten Rückgang gab es bei der Fichte. Ihr Anteil schrumpfte um 46,7 Prozent (von 15Prozent im Jahr 2015 auf acht Prozent im aktuellen Jahr).
  • Eiche: Der Anteil dieser Baumart hat minimal zugenommen (von sieben Prozentpunkten im Jahr 2015 auf acht Prozentpunkte im Jahr 2025).
  • Edellaubbäume (Esche, Ahorn, Ulme, Kirsche, Erle, Linde): Der Anteil der Edellaubbäume hat sich von elf Prozent (2015) auf 14 Prozent (2025) erhöht, was eine Steigerung von 27,3 Prozent ausmacht.
  • Weichlaubbäume (Birke, Weide, Eberesche, Pappel) : Auch der Anteil der Weichlaubbäume ist um einen Prozentpunkt gestiegen (von zwei Prozent im Jahr 2015 auf drei Prozent im Jahr 2025).
  • Douglasie: Einen Anstieg von 200 Prozent gab es in den vergangenen zehn Jahren bei dieser Baumart. Lag ihr Anteil im Jahr 2015 noch bei zwei Prozent, sind es jetzt immerhin schon sechs Prozent.
  • Lärche: Auch der Anteil der Lärche ist gewachsen – von vier Prozent (2015) auf fünf Prozent (2025).
  • Kiefer: Diese Baumart ist bislang gar nicht im Lindenfelser Stadtwald vertreten.

Die Holzvorräte haben in den vergangenen zehn Jahren um 18.587 Festmeter abgenommen, wie Wulf erläuterte – von 103.245 Vorratsfestmeter im Jahr 2015 auf 84.658 Vorratsfestmeter im Jahr 2025. Dies betraf vor allem das Fichtenholz, dessen Vorrat damals noch 21 Prozent ausmachte und aktuell nur noch neun Prozent.

Die Inventur habe zudem gezeigt, dass es beim Wald am Schenkenberg starke Schäden in alten Buchenbeständen und an Südhängen gibt. Deshalb müssen Maßnahmen getroffen werden. Die geschädigten Bestände müssen genutzt und die intakten Bestände sensitiv bewirtschaftet werden. Außerdem müsse man auf angepasste Verjüngung hoffen, so Wulf.

Der Wald an der Eleonorenklinik in Winterkasten wiederum weise große Kalamitätsflächen auf, also Flächen, die durch Stürme, Schädlingsbefall oder Waldbrände stark geschädigt sind. 15 Hektar des Gebiets seien kahle, baumfreie Fläche (sogenannte Blößen). Es herrsche großer Wilddruck, weshalb man jagen und viele Zäune bauen müsste, was hohe Kosten verursacht.

Der Anteil an jungen Bäumen wird steigen

Abschließend gab Forsteinrichter Raphael Wulf noch einen kleinen Ausblick: Der Einschlag wird beim „Wald im regelmäßigen Betrieb“ im Vergleich zu 2015 voraussichtlich um zwölf Prozent sinken (von 287Hektar auf 252 Hektar), was laut Wulf aber auch daran liege, dass die Stadt Lindenfels dem Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ beigetreten ist und man deshalb einen gewissen Flächenanteil stilllegen muss. Der Einschlag bei der Buche wird dem Trend zufolge um 15 Prozent sinken (von 1.374Hektar auf 1.170 Hektar) und der Einschlag bei der Fichte sogar um 29 Prozent (von 431 Hektar auf 308 Hektar). Insgesamt sinkt der Einschlag wohl um 18 Prozent (2015: 2.165 Hektar, 2025: 1.786 Hektar).

Die Verjüngungsfläche hingegen wird aber steigen – von 27 Hektar (2015) auf 35 Hektar (2025), was einem Zuwachs von 30 Prozent entspricht. Die Flächen, auf denen Naturverjüngung stattfindet, wird ebenfalls anwachsen – um voraussichtlich 33 Prozent, von 21 Hektar auf 28 Hektar.

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Sowohl der Bau- und Finanzausschuss als auch die Stadtverordnetenversammlung zeigten sich einverstanden mit diesem Zwischenbericht, der zugleich als Zielvereinbarung zur Forstbetriebsplanung für den Lindenfelser Stadtwald zu verstehen war. Thomas Bauer (SPD) bat lediglich darum, die Rangfolge der Betriebsziele ein wenig zu ändern und zwei Positionen miteinander zu tauschen. Nicht der finanzielle Nutzen des Waldes sollte demnach an Platz zwei stehen, wie anfangs beschrieben, sondern die Biodiversität und die Schutzfunktion.

FDP will „Friedwald Winterkasten“ weiter voranbringen

Zum Schluss war noch der geplante „Friedwald Winterkasten“ beziehungsweise der „Ruheforst am Kaiserturm“ Thema. Die FDP hatte beantragt, den Sachstand zur Umsetzung dieses Projekts dringend zu evaluieren. Die Stadtverwaltung sollte zeitnah und umfassend berichten, wie weit die Maßnahmen, Prüfungen und gesetzlichen Vorgaben zur Schaffung eines Friedwaldes oder Ruheforsts in Winterkasten fortgeschritten sind und welche Genehmigungen noch ausstehen. Ebenso sei zu klären, ob und warum es eventuell zu Verzögerungen kommt. Gegebenenfalls sollten dann Maßnahmen ergriffen werden.

„Die Nachfrage nach alternativen Bestattungsformen, insbesondere nach naturnahen Bestattungswäldern (Friedwäldern), ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Einrichtung eines Friedwaldes in Winterkasten wurde bereits in der Vergangenheit von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Die gesetzlichen und organisatorischen Anforderungen an einen Friedwald sind umfangreich und umfassen insbesondere die Ausweisung der Fläche als Friedhof, die Einhaltung der jeweiligen Landesbestattungsgesetze sowie die Sicherstellung der forst- und naturschutzrechtlichen Vorgaben“, legte die FDP dar.

„Um dem gesellschaftlichen Bedarf und dem politischen Willen nachzukommen, ist eine beschleunigte Bearbeitung des Projekts geboten“, forderte die FDP. Voraussichtlich bei der nächsten Stadtverordnetenversammlung im September wird man sich diesem Thema noch einmal annehmen.

Redaktion

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