Evangelische Kirche

Charlotte Voß wird Pfarrerin in Reichelsheim

Von 
red
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Charlotte Voß und ihr Partner Adeel Khan mit Söhnchen Jonas © Dekanat

Reichelsheim. Die Vakanz dauerte gerade einmal vier Monate: Nach dem Weggang von Frank Couard, der nur anderthalb Jahre in Reichelsheim war, ist die zweite Pfarrstelle in der Evangelischen Michaelsgemeinde Reichelsheim seit dem 1. Mai wieder besetzt: Mit Charlotte Voß ist eine kleine Familie in das Pfarrhaus eingezogen.

„Wir freuen uns, in Reichelsheim anzukommen und die Menschen kennenzulernen“, sagt Charlotte Voß. Wir, das sind die 38-jährige Pfarrerin, ihr Partner Adeel Khan (37) und Söhnchen Jonas, der in dieser Woche ein Jahr alt wird. Der Odenwaldkreis ist Voß vertraut, zumindest in der Erbacher Gegend. Charlotte Voß’ Großeltern haben in Dorf-Erbach gewohnt, und sie hat dort gerne viel Zeit verbracht.

Das Leben im Pfarrhaus ist in den ersten Tagen noch ein wenig provisorisch, das Ankommen durch die Corona-Pandemie erschwert. Sie kenne bisher nur wenige Gemeindeglieder, sagt Charlotte Voß, habe aber schon nette Kontakte zu Kirchenvorstehern gehabt, und sie seien sehr herzlich empfangen worden.

Die Pfarrerin hat angefangen, Reichelsheim zu Fuß zu erkunden und das Gemeindegebiet mit dem Fahrrad. Das Pfarrhaus ist nur wenig von der Michaelskirche, eine offene Kirche, entfernt. Sie habe schon öfters Menschen hinein- und hinausgehen sehen und Dekanatskantor Matthias Ernst beim Orgelspielen und -unterricht gehört. „Ich kriege mit, dass in der Kirche Leben ist – und das finde ich schön“, sagt Voß.

Charlotte Voß ist in Darmstadt geboren und in Pfungstadt aufgewachsen. Sie hat in Marburg studiert und nach dem Examen weiter an der Universität als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet und ihre Promotion über Gerechtigkeit in der älteren Spruchweisheit (Altes Testament) angefangen. Parallel dazu hat sie den berufsbegleitenden Masterstudiengang Evangelische Theologie koordiniert.

Ihr Vikariat, also die praktische Ausbildung zur Pfarrerin, hat Voß in Seligenstadt-Mainhausen gemacht und ein Spezialvikariat bei der Diakonie Frankfurt in der Abteilung „Flucht, Interkulturelle Arbeit, Migration“.

Eine interreligiöse Familie

Die Themen Migration und Flucht liegen Charlotte Voß am Herzen. In Seligenstadt war sie im Verein Seebrücke aktiv und hat mit ihrer Lehrpfarrerin Leonie Krauß-Buck über ein Jahr lang jeden Mittwoch auf dem Marktplatz Mahnwachen „Gegen das Sterben im Mittelmeer“ organisiert und gestaltet. Zudem unterstützt sie die Initiative United4Rescue, die das Rettungsschiff Sea-Watch4 im Auftrag der Evangelischen Kirche ins Mittelmeer entsendet, und gehört dem Verein „Maqom – Kirche und Zuflucht“ an.

Charlotte Voß und ihr Partner Adeel Khan sind eine interreligiöse Familie. Er stammt aus Pakistan und ist Muslim. Die beiden haben sich 2015 an Weihnachten bei ihren Eltern kennengelernt, die in ihrem Ruhestand begonnen haben, jungen Geflüchteten Deutsch beizubringen.

Zum Theologiestudium kam Charlotte Voß durch den Pfarrer ihrer Heimatgemeinde und den „tollen Religionsunterricht“. Schon als Jugendliche war sie bei Freizeiten dabei, mit 18 Jahren wurde sie Kirchenvorsteherin. „Diese Breite an Themen hat mich sehr interessiert“, sagt die Pfarrerin. Dabei ist es auch nach Studienende geblieben. Während manche über die alten Sprachen schimpfen, die mit einem Theologie-Studium einhergehen, sagt sie: „Hebräisch liebe ich.“

Aktuelle ethische, gesellschaftskritische Themen beschäftigen sie. Charlotte Voß gehört dem Heidelberger Arbeitskreis für sozialgeschichtliche Exegese an, in dem Hochschullehrer, junge Forscher und in der Praxis Tätige die biblischen Schriften und zeitgenössische Entwicklungen erforschen und Bibeltexte auf ihre heutige Relevanz hin untersuchen. Wie sind die Texte entstanden? In welchem Kontext? Gibt es Ähnlichkeiten zu heute?

Die Bibel ist für Voß ein gewachsenes Wort, durch Menschen entstanden und trotzdem relevant. Die biblischen Geschichten begleiten sie, trösten sie und geben ihr Mut. Die Pfarrerin liest sie als Glaubenserfahrungen von anderen Menschen mit verschiedenen Gottesbildern.

In Reichelsheim will Charlotte Voß ein offenes Ohr haben für die Menschen, ihre Sorgen und Nöte. Wichtig ist aber erst einmal, einander kennenzulernen. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die intensivsten Gespräche oft auf der Schwelle stattfinden.“ Ein weiteres Anliegen ist Charlotte Voß ein nachhaltiger Lebensstil. „Ich bin selbst als Privatperson dabei zu sehen, wie ich nachhaltig leben kann – Müll vermeiden, Ressourcen schonen, fairer Handel, das sind mir wichtige Themen.“ Sie spielt Querflöte und Saxofon, joggt und liest gerne, wenn es die knappe Zeit zulässt.

Am Pfingstmontag, 24. Mai, wird Charlotte Voß in der Michaelskirche ordiniert. Weitere Gottesdienste mit ihr finden sich im Internet. red

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