Lindenfels. Lama Dechen Losang Chöma Rinpoche, Äbtissin der buddhistischen Klosterschule Ganden Tashi Choeling im brandenburgischen Päwesin, ist regelmäßig zu Gast in der buddhistischen Begegnungsstätte „Mahabodhi“ in Lindenfels. Als Oberhaupt der Klosterschule lässt sie es sich nicht nehmen, ab und zu bei den Mönchen vorbeizuschauen, um Buddhas Lehre zu erklären.
Diesmal ging es um das Thema „Metta – wahre Liebe oder Anhaften“. Zu Beginn eines Vortrags beten Äbtissin und Mönche immer für ein gutes Gelingen und eine gute Atmosphäre. Ein Dutzend Neugierige erschienen zum Vortrag. Die Meditationen und Vorträge dienen der Seele und somit der Gesundheit, sie können dabei helfen, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und helfen manchen bei Depressionen.
In Päwesin gibt es ein Kloster mit einer Klosterschule, einem Buchverlag und einer Bäckerei. Außerdem leben im Kloster Tiere, die versorgt werden müssen. Gestresste Berliner Großstädter haben dort die Möglichkeit, sich eine Auszeit zu nehmen, um sich mit ihrem eigenen Geist und sich selbst zu beschäftigen. Viele bleiben da oder kommen regelmäßig, um ihre Ausbildung zu absolvieren. Lama Dechen Rinpoche erzählte begeistert von dem Musical zu Buddhas Leben, das sie in diesem Sommer aufgeführt haben. Die Besucher waren begeistert und die Gemeinde Päwesin freute sich über den Erfolg.
Menschen sollten sich schützen und zusammenhalten
In Lindenfels ging es darum, Buddhas Lehren und den positiven Einfluss auf das menschliche Zusammenleben zu erklären und für die Zuhörer fühlbar zu machen. Das ist der Wunsch eines Zahnarztes, der diesen Einfluss in Indien und im Himalaya gespürt hat. „Metta“ bedeutet in Buddhas Lehre, eine freundliche Zuneigung anderen gegenüber zu entwickeln. „Frei von unseren Vorurteilen in unserem eigenen Kopf. Gerade in der jetzigen angespannten Weltlage ist das wichtig und vielleicht eine Chance, damit alle Menschen auf der Welt in Frieden leben können“, betonte die Äbtissin, die am Abend zuvor eine nicht so harmonische Friedensdemonstration vor dem Stuttgarter Tempel der Mönche erlebt hatte.
Die Menschen haben auf der Welt ein riesiges Chaos geschaffen. Buddha möchte, dass sich die Menschen geistig schulen sowie ihr Mitgefühl und ihren Respekt für andere Menschen und Lebewesen. Frieden könne nur durch ein gutes Herz entstehen, legte die Referentin dar.
Buddhas Lehre ist zeitgemäß, noch nie gab es in der Weltgeschichte eine Phase, in der die Menschheit ohne Krieg gelebt hat. Auch im Zweiten Weltkrieg kannten die Menschen Buddha bereits und wussten um die besondere Art dieser Lehre, die zeigt, wie man mit anderen und Fremden umgehen sollte.
Im Moment, so die Äbtissin, gibt es eine direkte Bedrohung. Von Stuttgart aus fuhr sie mit den Mönchen durch den im Herbstlaub leuchtenden Odenwald nach Lindenfels. Dabei ging ihr eine Frage durch den Kopf: „Würdest du dich indiesen Wäldern mit den Mönchen verstecken? Wäre sie ein möglicher Zufluchtsort im Fall eines Krieges?“
Als sie diesen Gedanken laut äußerte, meldete sich der ihr gegenübersitzende Mönch zu Wort. Wie sie bei solchen Gesprächen auf diesen Gedanken kommen könne, fragte er. Ihre Antwort: „Man muss trotzdem auch noch die Schönheiten dieser Welt sehen, wie die bunten Wälder im Herbst und die grünen Wiesen.“
Der Weltfrieden sei nur möglich, wenn die Menschen ihren inneren Frieden finden, denn dann beurteilen sie Situationen ganz anders. Im Moment gebe es eine Chance von 50:50 auf ein friedliches Zusammenleben, das für alle wichtig ist. Was würde Siddhartha Gautama, der Begründer des Buddhismus, wohl denken, wenn er im 21. Jahrhundert leben würde?
Das Prinzip des Waldes kann auf die menschliche Gesellschaft übertragen werden: Bäume schützen sich gegenseitig, sofern man sie lässt. Ein Wald ist ein komplexes System und ein Baum alleine kann sich nur schwer gegen äußere Einflüsse wehren. Wenn die Menschen aber wie die Bäume im Wald zusammenstehen und alle ein friedvolles Miteinander wollen, dann gelingt das auch. Das ist die Lehre vom Dharma, von Ursache und Wirkung. Mit einem offenen Herz erkennt man, ob es für einen selbst und andere gut ist.
Wie die Äbtissin zum Buddhismus gekommen ist
Lama Dechen Rinpoche hat Medizin studiert. Einer ihrer Professoren ist ihr dabei in Erinnerung geblieben. Er hat in einer Vorlesung über Gynäkologie erklärt: „Wir Menschen unterscheiden uns nicht voneinander.“ Das sorgte für Tumult unter den Studenten, dabei meinte er, dass die Menschen alle aus den gleichen Stoffen wie Wasser und Stärke bestehen, genau wie die Bäume, die Pflanzen und die Tiere in der Natur. „Metta“, die wahre Liebe, meint auch, Mitgefühl mit der Natur zu haben und ein Herz so weit wie die Welt.
Normalerweise gibt die Äbtissin Journalisten keine Interviews oder äußert sich öffentlich. Aber eine junge Studentin, die ihre Masterarbeit im Fach Journalismus schreibt, bat sie um ein Gespräch. Sie fragte Lama Dechen Rinpoche, wie sie zum Buddhismus gekommen sei. Sie antwortete ihr: „Ich habe viel im Ausland gearbeitet, bin in Großbritannien aufgewachsen mit der damaligen Hippiekultur. Meine Eltern konnten damit nichts anfangen, aber ich fand es toll, anders zu sein, als die anderen, mit der Musik der Beatles und ihrem Lied ,Give peace a chance‘ und zahlreichen Büchern, auch von Ernesto Che Guevara, der sich auch mit Waffengewalt für die Armen in Süd- und Mittelamerika einsetzte.“
Sie lernte viele Briten kennen, die mit dem VW-Bus durch die Welt gereist waren und vom tibetischen Buddhismus erzählten. Also fuhr sie hin. Die Äbtissin hatte keine oder kaum Freunde, diese waren in der ganzen Welt verstreut. Sie fühlte, dass
Kluft zu anderen Menschen immer größer wurde, doch sie lernte, diese zu überwinden – mit einem großen weiten Herzen.
Sie erzählte die Geschichte von sieben Mönchen im Wald. Sie wollten reden, wie es in ihrem Kloster weitergehen sollte. Alle waren dabei – vom Feind bis zum Mönch, der beim Rezitieren der Gebete immer einschlief. Da fiel eine Räuberbande über die Mönche her. Der Abt sollte einen der sieben Mönche opfern, forderten die Räuber. Der Abt überlegte und erklärte dem Anführer der Räuber, warum er keinen der Mönche opfern kann. Der Anführer hörte geduldig zu und kein Mönch musste sterben. Der Anführer der Räuber kam zur gleichen Einsicht wie der Abt, dass dies die beste Lösung für alle sei. Im Buddhismus ist „Bodhichitta“ das Streben nach Erleuchtung – mit der selbstlosen Entschlossenheit, das Ziel der Erleuchtung nicht aus Eigennutz, sondern zum Wohle aller Wesen zu erlangen.
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