Geo-Naturpark - Bis Ende des Jahres wird in Ober-Mengelbach ein alter Industrieort neu erschlossen

Auf Trampelpfaden durch den Steinbruch

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nk
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Odenwald. Die alte Lagerhalle versperrte viele Jahre lang den Blick ins Weschnitztal. Im Sommer wurde sie abgerissen und gibt nun eine Aussicht preis, mit der sogar die Spitze des neuen Ireneturms erkennbar ist. Wer das Areal des ehemaligen Steinbruchs in Ober-Mengelbach betritt, sieht ein Kleinod, das sich das von Menschenhand Geschaffene zurückgeholt hat.

Alle Wege, bis auf die Feuerwehrzufahrt, sind zugewachsen, teilweise mit Dornen überwuchert. Eine Stützwand diente viele Jahre als Leinwand für Graffiti. Das Betreiberhaus an der Straße ist verfallen und einsturzgefährdet.

Der fast vergessene Ort hat etwas Mystisches und wird nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach mehr als einem halben Jahr hat die Oberfinanzdirektion Frankfurt grünes Licht gegeben. Jetzt dürfen die Projekte des Geozentrums Tromm in Rimbach (Ireneturm), Grasellenbach (Steinbrüche, Radwege, Naturspielort) sowie Wald-Michelbach (Steinbruch) gebaut werden.

Frist lief Ende 2020 aus

Und das wird allerhöchste Zeit. Denn normalerweise sollten diese Maßnahmen bis Ende 2020 fertiggestellt sein, da sonst keine Förderungen des Bundesprogramms Nationaler Städtebau in Höhe von 70 bis 90 Prozent fließen. So hieß es zumindest bei der Beantragung. Auch durch die Corona-Krise konnte aber nicht früher begonnen werden, weswegen ein Aufschub bis Ende dieses Jahres gewährt wurde. Spätestens dann sollen alle Projekte abgeschlossen sein.

In Wald-Michelbach geht es jetzt los: „Ich denke, im März oder April können die Bauarbeiten beginnen“, berichtete Bürgermeister Sascha Weber bei einem Termin im Steinbruch. Er und Sebastian Schröder, der Geschäftsführer der Zukunftsoffensive Überwald (ZKÜ), stehen direkt am Eingang des Geländes – zwischen Betreiberhaus und dem ehemaligen Standort der Lagerhalle.

Weber zeigt an genau diese Stelle: „Hier entsteht ein Infopunkt mit Landkarte, auf der alle vorgesehenen Elemente eingezeichnet sind.“ Etwa die damalige Fahrzeuggrube. Die bietet künftig einen Perspektivwechsel. Denn hier können die Besucher auf Augenhöhe mit der Tierwelt selbstständig sehen, welche Lebewesen in einer Bodentiefe von bis zu eineinhalb Metern leben.

Sebastian Schröder bleibt an einer alten Mauer stehen. „Hier entsteht eine Fotowand mit Bildern, die zeigen, wie es hier früher aussah und wie im Steinbruch gearbeitet wurde.“ Der Trampelpfad, der oberhalb entlangführt, wird barrierefrei ausgebaut und dient als Hauptweg. Er führt vom Eingang – der noch versetzt wird und sich dann direkt neben dem Betreiberhaus befindet – zur Aussichtsplattform. Die gibt den Blick über den Steinbruchsee frei.

Blicke ins Weschnitztal

Wieder zurück in Richtung Eingang führt ein Kraxelsteig den Berg hoch zu einem Weidentipi. Von hier aus wiederum ist der Blick ebenfalls frei ins Weschnitztal. Wer lieber dorthin laufen möchte, kann diese Attraktion über das Wegesystem erreichen. „Das besteht aus Trampel- oder Kiespfaden, um nicht zu sehr in die Natur einzugreifen“, erklärt Schröder. Denn das ist das Bestreben des Projektes: Sanfter Tourismus soll möglich sein – unter Rücksichtnahme auf die Tier- und Pflanzenwelt.

„Das hat oberste Priorität“, betonen Weber und Schröder. Gleichzeitig soll den Besuchern gezeigt werden, wie schnell sich die Natur ihr Gebiet zurückholt – wenn man sie lässt. Wer zum Tipi läuft, passiert eine Schutzhütte. Hier werden Vogelstimmen zu hören sein. Auf diesem Weg steht noch eine alte Sprengkapsel. Die wird versetzt werden und soll in einer Audioinstallation eine Sprengung inszenieren. Insgesamt wird das Projekt 300 000 Euro kosten. Mehr als 80 Prozent der Kosten werden gefördert.

Fahrzeuge haben keinen Zugang

Schröder und Weber stehen direkt an der Klippe des Steinbruchsees. Dieser wird, wie auch die kleine Waldfläche, die sich auf der anderen Seeseite befindet, nicht zugänglich sein. Während der See der Freiwilligen Feuerwehr als Wasserreservoir dient, soll der restliche Teil des Steinbruchs den Tieren vorbehalten sein. Deswegen werden dort die Wege nicht ausgebaut. Die Löschfahrzeuge werden die einzigen Autos sein, die Zugang haben.

„Wir haben bewusst auf die Anbindung der Mountainbikestrecken verzichtet, weil hier wirklich nur Fußgänger die Natur erkunden sollen“, berichtet Sebastian Schröder während er und Weber wieder zurück in Richtung Betreiberhaus laufen. In dessen Turm soll übrigens ein Falke wohnen. nk

Zum Projekt

Der ehemalige Steinbruch in Ober-Mengelbach ist Teil des Förderprogramms Geozentrum Tromm, das im Rahmen des Bundesprogramms Nationaler Städtebau auf die Beine gestellt wurde. Es umfasst Maßnahmen in Rimbach, Grasellenbach und Wald-Michelbach und stellt dafür 2,4 Millionen Euro zur Verfügung.

Ursprünglich war auch das Haus der Steine in Abtsteinach vorgesehen. Die Gemeinde stieg aber aus, weil sie die dafür notwendigen Mittel nicht ausgeben wollte.

Laut Förderprogramm hatten die Kommunen drei Jahre Zeit, um ihre Projekte umzusetzen – also bis Ende 2020. Durch Verzögerungen konnten die Bauarbeiten bisher nicht beginnen. Deswegen wurde ein Aufschub bis Ende 2021 gewährt.

In Wald-Michelbach werden gerade die Ausschreibungen vorbereitet, so dass im ersten Quartal 2021 mit dem Bau begonnen werden kann.

Der Steinbruch ist seit den 80er Jahren stillgelegt. Wann genau er in Betrieb genommen wurde, weiß niemand. Klar ist, dass er schon vor dem Zweiten Weltkrieg existierte.

Sebastian Schröder sucht deswegen Fotos, Dokumente und Gegenstände aus der aktiven Zeit des Steinbruchs. Er ist erreichbar unter Tel.: 06207 / 942431 und E-Mail: sebastian.schroeder@ueberwald.eu. nk

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