Besuch

Lautertaler SPD fordert Unterstützung für die Tafel in Bensheim

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red
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Mariette Rettig (vorne) führte die SPD-Mitglieder aus Lautertal durch die Unterkunft der Tafel in Bensheim. © SPD

Lautertal/Bensheim. Bleibenden Eindruck hat bei den Mitgliedern der SPD Lautertal – darunter Vorstands-und Fraktionsmitglieder sowie Bürgermeister Andreas Heun – ein Besuch bei der Bensheimer Tafel hinterlassen. So bleibend, dass SPD-Fraktionsvorsitzender Tobias Pöselt einen Antrag in die Gemeindevertretung einbringen will, 1000 Euro zur Unterstützung des gemeinnützigen Vereins in den Haushaltsplan der Gemeinde Lautertal einzustellen.

75 der insgesamt rund 2000 Bezugsberechtigten kommen aus Lautertal. Mit einer Verschärfung der Situation ist aufgrund der noch nicht absehbaren Folgen der Energiekrise zu rechnen.

Davon geht auch die Elmshäuserin Mariette Rettig aus, die seit Gründung der Bensheimer Tafel im Januar 2006 als Koordinatorin tätig ist. „Die Gründung war eine Folge von Hartz IV. Anfangs hatten wir am damaligen Standort auf dem Gelände des Bensheimer Krankenhauses 75 Menschen, die das Angebot in Anspruch nahmen.“ Rettig berichtete von einer seit März stark anwachsenden Nachfrage. „Zum Glück haben wir ein tolles Team von 240 ehrenamtlich Tätigen, die sich ohne Aufwandsentschädigung und Fahrtkostenpauschale den steigenden Belastungen stellen.“ Darunter seien immer noch 40 Personen – und auch inzwischen über 80-Jährige – die von Beginn an dabei sind „Die Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag hat sich mit rund 24 Stunden verdoppelt“, so Rettig.

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Die rund 240 Ehrenamtlichen sind auf fünf Arbeitsgruppen verteilt, so dass jede Gruppe alle fünf Wochen die Helfer-Tage von Montag bis Donnerstag komplett abdeckt. Denn mit der Arbeit an den Bezugstagen – dienstags von 11 bis 13 Uhr und donnerstags zwischen 14 und 16 Uhr ist die Tafel geöffnet – ist es nicht getan. „Täglich werden 56 Geschäfte mit zwei Kühlfahrzeugen angefahren, um dort Waren abzuholen, die ansonsten weggeworfen würden“, erläuterte Mariette Rettig. „Kühlfahrzeuge deshalb, da wir sonst keine Molkereiprodukte anbieten könnten.“

Es geht um das Retten von Essen

Dazu kommen Sondertouren, etwa zu Bauern. Teilweise gehen die Fahrten bis nach Frankfurt und Mannheim. „Alle Aktivitäten unseres Vereins stehen unter den Schlagworten einsammeln, sortieren, retten und sinnvoll weitergeben.“. Dabei war Rettig wichtig, dass die Bensheimer Tafel nicht den Anspruch erhebt, ein Vollversorger für ihre Kunden zu sein. Es gehe darum, Lebensmittel zu retten, die sonst vernichtet würden. „Wir sind ein Zusatz-Angebot und kaufen auch nichts hinzu.“ Dies muss sie Kunden manchmal klar machen, wenn überzogene Ansprüche gestellt werden. Dabei scheut sich Mariette Rettig auch nicht, zu der Kundschaft zu gehen, um dies etwa den ukrainischen Flüchtlingen im ehemaligen Lindenfelser Krankenhaus mithilfe einer Übersetzerin zu erläutern.

Die Bensheimer Tafel deckt Bensheim, Heppenheim, Lorsch, Einhausen, Lautertal, Zwingenberg, Alsbach-Hähnlein und Bickenbach ab. Weitere Tafeln gibt es unter anderem in Lampertheim, Bürstadt, Rimbach, Worms und Weinheim. Zurzeit sind 880 ukrainische Flüchtlinge, 168 Rentenbezieher, 300 Asylbewerber, darunter 160 Familien mit Kindern und 64 Alleinerziehende bei der Bensheimer Tafel registriert. „Momentan sind 400 bis 500 Personen Normalität, die an einem Bezugstag vor dem Eingang stehen.“

Die Bezieher müssen einen Bedürftigkeitsnachweis nachweisen. Momentan kommen die Menschen aus 42 unterschiedlichen Nationen. Damit es bei der Ausgabe geordnet zugeht, haben jeweils rund 250 Berechtigte einen Ausweis mit einer fortlaufenden Nummer in den unterschiedlichen Farben Rot, Gelb, Grün und Blau. In einem bestimmten Zeitfenster kommen die Nummern unterschiedlich früh an die Reihe, da das Angebot nicht in allen Fällen für jeden Bezieher reicht. Es gibt dazu einen Plan, der das ganze Jahr über gültig ist.

Niemand wird abgewiesen

Einkaufen können die Bezieher so einmal in der Woche gegen Zahlung eines Euros. Das dadurch eingenommene Geld wird unter anderem für Einmalhandschuhe. FFP2-Masken und Desinfektionsmittel verwandt. Außerdem muss Geld für Treibstoff und die Müllentsorgung aufgebracht werden. Der Verein, der keinem Träger angehört, finanziert sich aus Spenden, öffentlichen Mitteln und den Beiträgen der Kunden.

Vorausschauend war die Tafel bei der Energieversorgung mit Erdwärme und Photovoltaik. Dass es überhaupt zu dem Bau eines neuen Gebäudes für die Tafel an der Rheinstraße in Bensheim kommen konnte, ist der Möglichkeit geschuldet, das Grundstück in Erbpacht zu erwerben und einer großzügigen Spende des Namensgebers des Dr.-Jochen-Henke-Hauses. Seit September 2016 ist die Bensheimer Tafel dort untergebracht. Selbst während des Umzugs von einem auf den anderen Tag und während der Corona-Pandemie gab es keine Schließung.

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Mariette Rettig denkt nicht – wie bei rund zwei Dritteln der Tafeln in Deutschland – an einen Aufnahmestopp. Dazu bedarf es außer ausreichenden Spenden auch genügend ehrenamtlicher Helfer. „Es kommen immer wieder neue Helfer hinzu. Darunter auch Studenten, Schülerpraktikanten und Konfirmanden.“ Rettig ist sich sicher: „Diese Aufgabe prägt für das weitere Leben“.“

Abschließend konnten sich die SPD-Mitglieder bei einem Rundgang von der sehr guten Organisation überzeugen. Die Teilnehmer bedankten sich bei Mariette Rettig für die Einblicke und Erläuterungen. Sie waren sich aber auch einig darüber, dass das Tafel-System letztlich überwunden werden müsse. So bleibt viel Diskussionsstoff für kommende Zusammenkünfte. red

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