Heppenheim/Ludwigshafen. Fast zehn Minuten stehende Ovationen und begeisterte Jubelrufe: Die rund 600 Zuschauer im Ludwigshafener Pfalzbau-Theater feierten am Freitagabend geradezu frenetisch die gelungene Premiere des Musicals „Drei Musketiere“ aus der Feder von Rob und Ferdi Bolland. Hinter dem Publikum liegen über drei Stunden beste Unterhaltung, musikalisch anspruchsvolle Gesangsdarbietungen, spannende Degenkampfszenen, beeindruckendes Schauspiel, tolle Kostüme und ein stimmiges Bühnenbild. Auf die Bühne gebracht haben das Spektakel nicht etwa ausgebildete professionelle Musicaldarsteller, sondern das Junge Ensemble des Theaters im Pfalzbau – Jugendliche und junge Erwachsene aus der Region, die unter der Leitung von Regisseurin Iris Limbarth wirklich Großartiges auf die Beine gestellt haben. Mit dabei auch die beiden 18-jährigen Heppenheimer Julia Varycheva und Lars Gußmann.
Nach jedem Song Szenenapplaus
Die beiden haben großartig performt. Julia verkörperte die Constance, die Geliebte des jungen d´Artagnan, voller Charme. Lars schlüpfte in die Rolle des Musketiers Porthos – samt Fatsuit unter dem Kostüm, um ihn ein wenig pummelig aussehen zu lassen – und sorgte immer wieder für Lacher. Beide begeisterten und beeindruckten mit ihrem Gesang. Nach jedem Song gab es auch für Julia und Lars Szenenapplaus. Und das übrigens nicht nur von Familie und Freunden der Darsteller. Auch andere Theaterbesucher und Abonnenten waren sichtlich mitgerissen.
Köstlich, wie Lars in der Wirtshausszene mit den leichten Mädchen turtelt, großartig die Fechtszenen, ins Ohr gehend das immer wieder kehrende Leitmotiv „Einer für alle“ und all die vielen anderen Songs, die Lars performte. Julia, für die Rolle erblondet, verkörpert Charme, Reinheit und Unschuld der jungen Constance. Schon im Duett mit d´Artagnan – „Alles“ – zeigt sie, wie sehr sie sich im vergangenen halben Jahr weiter entwickelt hat.“ Ganz großes Kino ist ihr Solo „Gott lächelt uns zu“, es sorgt für ebenso viel Gänsehaut wie ihre große Schauspielszene in Gefangenschaft, an deren Ende ihr Tod steht. In der Pause whatsappt Julia: „Es macht Spaß!“ Und genau das merkt man jedem Mitglied des Ensembles jede Sekunde der Vorstellung an.
Nach der Vorstellung ist noch lange nicht Schluss. Familien und Freunde warten geduldig auf ihre Stars. Einer nach dem anderen kommt in Zivil heraus, wird noch einmal gefeiert. Alle sind zu Recht mächtig stolz. Auch Julias Bruder Paul ist voll des Lobes für die kleine Schwester: „Ich habe ja alles erwartet, aber es war noch viel, viel geiler!“
Im Mai wurden die beiden für ihre Rollen gecastet, ab Juli wurde geprobt, in den vergangenen beiden Wochen täglich nach der Schule bis spät in die Nacht hinein. Die zwei haben jede Menge Leidenschaft, Herzblut, Zeit und auch Geld investiert. Es hat sich wahrlich ausgezahlt.
Keine 24 Stunden später ist Julia wieder mitten in der Realität: Die Schülerin des Heppenheimer Starkenburg-Gymnasiums jobbt an der Kasse des Saalbau-Kinos. „Ich bin eigentlich nur müde“, lacht sie. Doch das Erlebte wirkt noch nach. Sie ist begeistert: „Es ist etwas ganz anderes als eine Schulaufführung“, resümiert sie. War sie sehr aufgeregt? „Gar nicht“, sagt sie. Sie habe nur gedacht: „Endlich!“„Am liebsten hätte ich jedes Wochenende so eine Aufführung!“ Doch nach der zweiten Vorstellung am Sonntagabend muss sie jetzt erst einmal bis April warten, bis das Stück wieder aufgeführt wird. Sie freut sich drauf, will auch beim nächsten Stück wieder mit dabei sein – obwohl im kommenden Jahr das Abi ansteht. Einer der drei Musketiere, so erzählt sie, habe in Rheinland Pfalz am Tag vor der Vorstellung sein Mathe-Abi geschrieben. Wenn man will, dann geht alles. ,„Auf der Bühne war ich direkt gut gelaunt und hatte richtig Bock.“
Auch Lars zieht am Tag danach ein positives Resümee: „Es war eine wirklich sehr, sehr geile Vorstellung, es war so toll!“ Er lobt auch das Publikum, das die Schauspieler mit seiner Begeisterung zu Höchstleistungen gepusht habe. Die zwei Wochen vor der Premiere seien anstrengend gewesen, wenig Schlaf, manchmal mehr Kritik als einem lieb war, proben, proben, proben. Aber: „Wenn du dann auf der Bühne stehst, sind alle Zweifel weg, man freut sich so, dass man mit gemacht hat, genießt den Applaus und weiß, wofür man so viel Zeit investiert hat.“
Ein Besuch des Musicals lohnt auf alle Fälle, nicht nur wegen der beiden Heppenheimer. Man kann dort viele außerordentliche Talente bewundern. rid/ü
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