Heppenheim. Die Nudel“, sagen die Heppenheimer, wenn sie die ehemalige Tugersmühle an der Siegfriedstraße meinen. Hermann Müller, Mitglied des Geschichtsvereins, zeigte in seinem Vortrag, wie es zu diesem Namen kam und dass nicht nur Getreide gemahlen wurde. Der Marstall im Amtshof war fast zu klein für die 80 Zuhörer, die wissen wollten, warum die Mühle 500 Jahre so wichtig für die Lebensmittelversorgung war.
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Der Vortrag war ein Beitrag zum „Tag der Archive“, an dem es in diesem Jahr um das Thema Essen und Trinken ging. Darauf wies Stadtverordnetenvorsteherin Susanne Benyr (CDU) hin. Sie dankte Katrin Rehbein, die Müller als Leiterin des Stadtarchivs bei seinen Recherchen unterstützt hat.
Alte Bilder und Texte gesammelt
Als sich „Mühlen-Müller“ nach einer Stunde Vortrag mit „Glück zu“ verabschiedete, dem Gruß der Müller, bedankte er sich bei den Unterstützern, die Bild- und Textdokumente zusammengetragen hatten. Viele der Fotos stammten vom im Februar verstorbenen Heimatforscher Dieter Schnabel, von Gerhard Neher und von einer Zeitungsmitarbeiterin.
Warum die Heppenheimer von der „Nudel“ sprechen, ist schnell erklärt. Georg Tuger hatte Ende des 19. Jahrhunderts als Müller in Turin und in Mailand Erfahrung gesammelt. Um 1912 gründete er die „Erste Deutsch-Italienische Eierteigwaren- und Maccaronifabrik“. Doch das ist nur ein Teil dieser Mühlengeschichte. Gemahlen wurde schon im 15. Jahrhundert. Diese sowie die talabwärts gelegene Weihersmühle und die Schäfersmühle schlossen 1561 einen Vertrag, der die Reinigung des Mühlgrabens regelte und der bis 1950 galt.
Dampfmaschine ersetzte später die Wasserkraft
Müller zeigte auf historischen Stadtplänen, wie der 650 Meter lange Graben an der Hutzelschweizer Anlage vom Stadtbach abzweigt und die Mühlräder antrieb. In dem Gebäudekomplex, den die Tugersmühle bildet, versorgte ab 1853 eine Bäckerei die Heppenheimer mit Brot. Zu der Hofreite gehörten zeitweise zehn Schweineställe. Die Müller ließ von seinen Bediensteten Weinberge bewirtschaften, Öl aus unterschiedlichen Ölfrüchten malen, Hanf reiben, Speise- und Viehsalz verkaufen. In einem Zeitungsartikel vom 12. Juli 1890 wird über den Besuch von Schülern der Wormser Müllerschule berichtet.
Dieser Text belegt, dass die Tugersmühle nach einem Umbau „mit allen technischen Vortheilen der Neuzeit ausgestattete Mühlenetablissement des Herrn G. Tuger“ geworden war.
Anfang des 20. Jahrhunderts ersetzte eine Dampfmaschine die Wasserkraft, bis das Unternehmen schließlich 1927 Konkurs anmeldete. In den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Niedergang begonnen. Erste Anzeichen zeigten sich 1916, als das Wasserrad verkauft wurde.
Mit sechs Meter Durchmesser und 1,20 Metern Breite geben die Abmessungen einen Hinweis auf die Größe des Betriebs. Von 1933 bis 1937 wurden die damals leer stehenden Gebäude zu einem Stammlager des Reichsarbeitsdienstes (RAD). Ab 1951 produzierte zunächst das Unternehmen von Wilhelm Lehfeld Ultraschallgeräte. Das Unternehmen firmierte ab 1972 als KLN Ultraschall GmbH. KLN zog 2007 in ein neues Gebäude in das Gewerbegebiet an der Tiergartenstraße. Danach wurde die Produktionshalle in Wohnungen umgebaut. So erinnern die großen und prächtigen Gebäude an die Zeit, als die Tugersmühle weit über Heppenheim hinaus bekannt war. Für die Heppenheimer ist und bleibt es „die Nudel“. ai/ü
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