Integration wird in Heppenheim zum Selbstläufer

Die beiden jungen Geflüchteten Bashir Ahmad Wafaa und Mohammad Khaer Ibrahimi haben im Laufsport eine Leidenschaft gefunden.

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Heppenheim. Bashir Ahmad Wafa und Mohammad Khaer Ibrahimi sitzen im Garten des Hauses am Maiberg und strahlen. Anfangs sind sie noch ein bisschen schüchtern, unsicher, ob ihr Deutsch auch verstanden wird. Die beiden 17-jährigen unbegleiteten Flüchtlinge sind erst Anfang des Jahres ohne ihre Familien aus Afghanistan gekommen. Mohammad kam direkt ins Haus am Maiberg, Bashir einen Monat nach seiner Ankunft in Deutschland. Seitdem lernen sie Deutsch und besuchen die Heinrich-Metzendorf-Schule in Bensheim.

Beide verbindet die Liebe zum Sport. „In Afghanistan habe ich Fußball gespielt“, erzählt Bashir. Das war auch Mohammads Hobby. Die neue Leidenschaft der beiden ist das Laufen. „Im Zimmer allein zu sitzen, ist nicht gut. Da denke ich zu viel nach. Das Laufen tut dem Kopf gut“, erklärt Bashir stellvertretend für beide.

Mohammad hatte viele Wochen Probleme mit starken Kopfschmerzen und mit seinem Nacken. „Mehr bewegen“, so ein Tipp vom Arzt. Diesen Vorschlag setzte Theresa Rhein direkt in die Tat um. Die junge Frau arbeitet neben ihrem Studium der sozialen Arbeit im Haus am Maiberg als Betreuungskraft. Sie selbst liebt das Laufen, ist immer mit ihren drei Hunden unterwegs.

Was mit ein paar lockeren Jogging-Runden begann, wurde – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Selbstläufer. Anfangs waren es noch ein paar mehr Jungen, am Ende waren es dann Theresa, Mohammad und Bashir. Es passt gut: „Wir sind alle drei Wettbewerbs-Typen“, erklärt Rhein. Schnell habe man gemerkt, dass man ein Ziel brauchte – und steckte das gleich mal richtig hoch. Die Teilnahme an einem Halbmarathon wurde angestrebt. „Wir haben ganz locker angefangen, mit fünf Kilometern“, so die Studentin. Da waren auch noch alle drei Hunde beim Training mit von der Partie. Mittlerweile laufen die drei vier- bis fünfmal pro Woche jeweils 15 oder 16 Kilometer. Seitdem ist nur noch Rheins Malamut-Hündin ausdauernd genug, um mitzuhalten.

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Beim Laufen wird nebenbei viel geredet und somit Deutsch gelernt. „Wenn es einem mal nicht so gut geht, wird die Stimmung beim Laufen immer besser“, so Rhein. Vor ihrer Rückkehr hat sie zehn Jahre lang in Neuseeland gelebt und als Landwirtin gearbeitet. Sie weiß also nur zu gut, wie es ist, wenn man sich in einem fremden Land zurechtfinden und behaupten muss.

Das harte Training hat mittlerweile schon Früchte getragen: Gemeinsam startete das Trio auf der Halbmarathon-Distanz des Baden-Marathons in Karlsruhe. Insgesamt 8000 Menschen nahmen teil, davon über 3000 am 21,1 Kilometer langen Halbmarathon. Einige der Bewohner und Betreuer vom Maiberg waren zum Anfeuern mit nach Karlsruhe gereist. Mohammad belegte nicht nur den 114. Gesamtplatz unter den 3000 Läufern, er wurde Vierter in seiner Altersklasse. Bashir erreichte im Gesamtklassement den 210. Platz. In der Altersklasse der männlichen Jugend wurde er Siebter. Betreuerin Rhein lief auf den 162. Gesamtrang und war 20. in der Altersklasse W30.

Auch beim Heppenheimer Altstadtlauf nahmen neben Rhein einige Bewohner des Hauses am Maiberg teil. Rhein wurde schnellste Dame und Mohammad war der Schnellste seiner Altersklasse und Gesamt-Vierter. Nächstes Ziel ist der Halbmarathon Ende November in Hockenheim. Einen Marathon laufen dürfen Bashir und Mohammad erst, wenn sie 18 sind. Nächstes Jahr soll es dann so weit sein. Was sich Rhein nun noch wünscht, das sind Fitness-Uhren für die beiden Jungen. Derzeit laufen alle drei nur nach der von Rhein, was aber zunehmend schwerer wird, weil alle ein unterschiedliches Tempo gehen.

Was sind die persönlichen Ziele der beiden jungen Geflüchteten außerhalb? „Deutsch lernen“, sagen beide. Bashir möchte am liebsten eine Ausbildung im Bereich Heizung und Sanitär machen, Mohammad würde gerne Kfz-Mechatroniker werden.

Die meisten der anderen Mitbewohner spielen aktiv Fußball, hier gibt es beispielsweise eine Kooperation mit der TSV Auerbach, wie Tobias Kleiner, der pädagogische Leiter der Einrichtung erklärt. Dort nimmt sich ein Ehrenamtler der Jugendlichen an, die nun aktiv etwa bei der FSG Bensheim und beim JFV Bensheim/Auerbach kicken.

Sport sei ein großartiges Mittel der Integration, so Kleiner. Abgesehen vom Erlernen der deutschen Sprache beim Training mit Gleichgesinnten, helfe Sport auch, einen geregelten Tagesablauf zu bekommen und trage dazu bei, mit dem – oft traumatischen – Erlebten umzugehen. Ziele und Motivation aus dem Sport übertragen sich auf das tägliche Leben und Lernen.

Darüber hinaus seien nicht nur beim Fußball Zuverlässigkeit und Teamgeist gefordert. „Die Heranwachsenden lernen, dass der Trainer sich extra für sie Zeit nimmt und erwartet, dass sie zum Training kommen. Wenn sie nicht erscheinen, dann hat das Konsequenzen“, erklärt der Pädagoge. rid/ü

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