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Heppenheimer reisten mit einem VW Bulli ein Jahr lang kreuz und quer durch Asien

Von 
Gerlinde Scharf
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Heppenheim/Auerbach. „Wir waren abenteuerlustig und haben die Freiheit genossen. Wir waren jung, blauäugig, und wir hatten Riesenglück.“ Wenn Rosemarie und Michael Arzt von ihrer Mordstour mit dem heiß geliebten Bulli in den Iran, nach Afghanistan, Pakistan, Indien, Nepal und Ceylon berichten, leuchten ihre Augen, und immer mehr Erinnerungen werden wach. Nur China, ihr eigentliches Ziel, war tabu, die Grenze dicht. Auch die Einreise nach Tibet blieb ihnen verwehrt.

Ein ganzes Jahr war das damals noch unverheiratete Paar – sie Berlinerin, er aus Auerbach – mit seinem VW-Bus in Asien unterwegs und hat Tag und Nacht auf engstem Raum gelebt. Und das Beste neben all den unvergesslichen Erlebnissen und vielen Begegnungen mit Reisebekanntschaften aus der ganzen Welt, von denen einige zu engen Freunden wurden: Nach der Rückkehr um die halbe Welt haben Rosemarie und Michael Arzt geheiratet. Die Feuertaufe haben beide mit Bravour bestanden. Bis heute, mehr als vierzig Jahre danach, hat sich daran nichts geändert.

Vor ein paar Jahren erst ist das Paar von Auerbach nach Heppenheim gezogen und noch immer viel unterwegs – allerdings wesentlich bequemer als zu seiner „wilden Zeit“. Statt im VW-Bus reisen die Best Ager jetzt im komfortablen Wohnmobil, und auch die Wegstrecken sind erheblich kürzer. Das Fernweh, die Lust und die Neugier, neue Menschen kennenzulernen und Städte und Landschaften für sich zu entdecken, sind geblieben.

Im Frühjahr 1978 hingen die frisch Verliebten ihre Jobs an den Nagel, verkauften ihr Auto, ihre Möbel, einfach alles und lösten ihre Haushalte auf, „um etwas von der Welt zu sehen“. Eingepackt wurden lediglich ein paar Lebensmittel, zwei Reservekanister und Ersatzreifen, ganz nach dem Motto: „Was kostet die Welt.“

Am Ende waren es 34 000 Kilometer, die ihr Bulli, „Baujahr etwa 1973“, mit Hubdach und Westfalia-Ausstattung, durchgehalten hat. Ohne groß Zicken zu machen und immer verlässlich – bis auf wenige Ausnahmen. Campiert haben sie meistens vor Polizeistationen, Hotels und Botschaften.

Wegen der politischen Unruhen in Afghanistan und dem Iran verlief die Rückfahrt allerdings nicht wie ursprünglich geplant auf vier Rädern auf dem Landweg, sondern in der Luft und zur See. Der Bulli wurde von Ceylon aus nach Rotterdam verschifft, Fahrer, Beifahrerin und Schäferhund Gipsy – ein „Findelkind“ aus Griechenland, das Rosemarie und Michael Arzt aufgepäppelt hatten – mussten auf das Flugzeug ausweichen.

Abgekauft hatte das Pärchen das legendäre Kultauto 1978 einem Zwingenberger Ehepaar für 8000 Mark. „Damals hatte der Bus so zirka 40 000 Kilometer auf dem Buckel“, rechnen die Globetrotter „und für 5000 Mark haben wir ihn am Ende unserer Asientour wieder verkauft. Eigentlich schade“, bedauern sie mittlerweile den schnellen Abschied.

Große Gastfreundschaft erlebt

„Wir haben die klassische Route über Österreich, das damalige Jugoslawien, vorbei an Albanien nach Griechenland und die Türkei genommen, in Kreta etwa vier Wochen Pause gemacht und unsere Reisekasse mit Gelegenheitsarbeiten auf einem Campingplatz aufgebessert“, erzählen die Weltenbummler. Ein wenig „mulmig“ sei ihr gewesen, so Rosemarie Arzt, als Kinder in einem Dorf in der Osttürkei den Bus mit Steinen bewarfen: „Wir wollten ihnen Bonbons schenken, aber sie wollten Zigaretten haben.“ Wirklich bedroht gefühlt haben sich beide während ihrer gesamten Reise nicht: „Alle waren unheimlich freundlich zu uns.“ Im Gedächtnis geblieben ist ihnen die „große Gastfreundschaft, die wir fast überall erlebt haben“.

Und erlebt haben die Weltenbummler auf ihrer unvergesslichen Tour 1978/79 unendlich viel – Schönes, Aufregendes und manchmal Verstörendes. „Im Iran hat es schon gebrodelt. Der Schah war abgesetzt, aber noch im Land. Es herrschte eine nächtliche Ausgangssperre. Die Stimmung war aufgeheizt.“

Waffen zum Kauf angeboten

In der Nähe von Kabul wollte man ihnen „Gipsy“ abkaufen: „Hunde sind dort keine Haustiere, sie werden gegessen.“ Nach ihrer beschwerlichen Fahrt über staubige Pisten zum 1070 Meter hohen Khyber-Pass „hat man uns in Pakistan auf der Straße Waffen, Gewehre und Pistolen angeboten. Ein kleiner Junge hat uns einen Kugelschreiber gezeigt, mit dem man tatsächlich schießen konnte“.

Pakistan haben die Weitgereisten tatsächlich als „ziemlich düster“ in Erinnerung, „die Männer waren überwiegend schwarz gekleidet, Frauen hat man kaum gesehen“. Bei Afghanistan und Ceylon, vor allem aber bei Indien hingegen geraten sie ins Schwärmen: „Wir haben Indien als bunt und hell empfunden. Die Menschen waren fröhlich und zugewandt.“ Natürlich habe man den Bus überall bestaunt und bewundert. Am Dal-Lake habe man sich dann ein paar Tage „Auszeit gegönnt“ und sich auf einem der vielen Hausboote entspannt, Verköstigung inklusive. Ein Teppichhändler lud das junge Paar aus Deutschland in seinen Garten zum Campieren ein. „Man glaubt es kaum, aber in Delhi haben wir tatsächlich in einem Café ,Black Forest-Kekse’ gegessen“, erzählen sie lachend.

Unvergessliche Abenteuer

Immer mehr Erinnerungen kommen beim Plaudern zurück. An die Silvesternacht in Nepal beispielsweise, als Rosemarie und Michael Arzt mit anderen Bulli-Weltenbummlern gemeinsam feierten und ein Luftballon-Feuerwerk veranstalteten, und an die Kinder, die sich in der Lagerfeuer-Glut die Füße wärmten und ganz wild waren auf Weißbrot mit Marmelade.

Unvergessen bleibt das Abenteuer in Rameswaram im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Wegen der Größe des Busses musste er bei der Verschiffung nach Sri Lanka (damals Ceylon) mit zwei durch Seile miteinander verzurrten Boote vom Strand über eine Bretterrampe zum Schiff gezogen werden. Michael Arzt: „Vorderachse auf Boot eins, Hinterachse auf Boot zwei. Ich durfte mit viel Feingefühl auffahren.“

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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