Aufruf

Starkenburg-Gymnasiasten suchen Zeitzeugen in Heppenheim

Ein Geschichtskurs der zwölften Klasse möchte mehr über die Deportationen in Heppenheim während der NS-Zeit erfahren.

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bib/ü
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Ein Geschichtskurs des Starkenburg-Gymnasiums beschäftigt sich mit den Geschichten von Juden in Heppenheim zwischen 1938 und 1942 und sucht nach Zeitzeugen, um deren Berichte zu dokumentieren. © Sascha Lotz

Heppenheim. Bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts kamen die ersten Juden nach Heppenheim. Zeitweise wurden sie geduldet, dann wieder vertrieben. Auch die Heppenheimer Juden waren in der Zeit des Nationalsozialismus von Deportationen betroffen. Um mehr darüber zu erfahren, hat sich nun ein Geschichtskurs des Starkenburg-Gymnasiums an ein Zeitzeugenprojekt gewagt.

Die Zwölftklässler sind – gemeinsam mit dem Stadtarchiv und dem Museum Heppenheim – nun auf der Suche nach Personen, die etwas über die Deportationen von Juden zwischen 1938 und 1942 in Heppenheim und Umgebung berichten können oder Zeugen von Judenausgrenzung und Diskriminierung wurden. Ihren Aufruf starteten die Schüler bereits im Juli, etwa über diese Zeitung. Doch bislang meldeten sich nur wenige Personen.

Nach Aufruf im Juli nur wenige Rückmeldungen

„Ihre Berichte sind von unschätzbarem Wert für die Aufarbeitung und Dokumentation dieses dunklen Kapitels der Geschichte“, schrieb der Kurs in seinem Aufruf. „Wenn Sie Erinnerungen oder Informationen zu diesen historischen Gegebenheiten haben oder jemanden kennen, der etwas mitbekommen hat, melden Sie sich bitte zeitnah.“ Begleitet wird das ganze Projekt von Geschichtslehrerin Anna Wenner.

Es ist nicht das erste Projekt, bei dem Schüler des Starkenburg-Gymnasiums sich aktiv mit der Geschichte in ihrer Heimat auseinandersetzen, statt lediglich aus Büchern zu lernen. Im Februar dieses Jahres wurde der Stadtplan „Gegen das Vergessen – Jüdisches Leben in Heppenheim“ vorgestellt. Ebenfalls ein Geschichtskurs von Anna Wenner hatte den Plan erarbeitet. Darauf zu finden sind verschiedene Gedenkstätten jüdischen Lebens in Heppenheim. Am Abend der Präsentation kam eine Frau auf Wenner und Schulleiterin Katja Eicke zu. Im Gespräch wuchs die Idee für das jetzige Zeitzeugenprojekt.

Das lokale Geschehen aus erster Hand verstehen

Für die Schüler ist es spannend, herauszufinden, was in der Gegend, in der sie heute leben, passiert ist. Nicht alle Großeltern oder Urgroßeltern stammen ursprünglich aus der Region. „Im Moment gibt es noch Zeitzeugen mit persönlichen Erfahrungen. Das ist etwas anderes als es im Geschichtsbuch zu lesen“, findet etwa Felix aus dem Geschichtskurs. „Die persönliche Erfahrung ist einfach nochmal viel näher dran“, betont eine Schülerin.

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dj/ü
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Auch Wenner findet, dass in den Schulbüchern oftmals die Hintergründe zu kurz kommen. Sie hofft, mit ihren Schülern die „letzte Spur der Menschen“ aufzeigen zu können. Wie genau das aussehen kann, dafür gibt es noch keinen festen Plan, wohl aber mehrere Ideen. „Das kommt auch darauf an, wozu die Leute zustimmen“, erklärt Wenner. Neben Niederschriften könnte etwa ein Podcast entstehen oder auch eine Landkarte, die Wege rekonstruiert. Außerdem sollen die Ergebnisse bei der jährlichen Gedenkfeier der Schule an die Holocaust-Opfer vorgetragen werden. Für die Arbeit am Projekt und schließlich die Ergebnisse sollen sich die Schüler genug Zeit nehmen, so dient das Projekt als Ersatz für eine Klausur.

Auch vermeintliche Kleinigkeiten können wichtig sein

Von drei Schülern haben sich bereits die Angehörigen bereiterklärt, am Projekt mitzuwirken, doch nicht alle Großeltern stammen aus der Region. Sie können somit zwar etwas zu der damaligen Zeit berichten, nicht aber konkret zu Heppenheim und der Umgebung. Wie wichtig es ist, noch mit Zeitzeugen zu reden und so viel zu dokumentieren wie möglich, erfahren manche Schüler bereits im eigenen Umfeld. Während in mancher Familie niemand mehr lebt, der von der Zeit vor rund 80 Jahren berichten könnte, sind andere inzwischen dement.

Die Schüler des Geschichtskurses hoffen auf möglichst viele Menschen aus Heppenheim, die sich bereit erklären, ihren Teil der Geschichte zu teilen. Das können auch vermeintliche Kleinigkeiten sein. Interessant sei auch, was die Bürger wahrgenommen haben, sie aber vielleicht erst später einordnen konnten. Denn auch wie viel zu Hause erzählt wurde, ist ganz unterschiedlich. „Es wurde schon von damals erzählt, aber nicht mit viel Tiefe“, sagt eine Schülerin. Ein andere berichtet, dass ihr Großvater weniger über die schlimmen Dinge berichtet, die er erlebt hat, sondern eher über kuriose Geschichten oder besondere Momente, etwa in Gefangenschaft. Das Projekt, so die Hoffnung, wird ein vollständigeres Bild zeichnen. bib/ü

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