Heppenheim/Bergstraße. Die Gasversorgung Europas ist vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ins öffentliche Blickfeld geraten. Zwar verfügt die Bundesrepublik laut Website der Bundesregierung über ein verzweigtes Pipeline-Netz und ist mit allen umliegenden Ländern verbunden, doch gilt seit dem 23. Juni des vergangenen Jahres die Alarmstufe des sogenannten Notfallplans. Auch, weil die Bundesrepublik über Jahre weitgehend abhängig von den inzwischen eingestellten russischen Gaslieferungen war.
Zwar sei die Gasversorgung in Deutschland momentan stabil und die Versorgungssicherheit gewährleistet, schreibt die Bundesnetzagentur in ihrem aktuellen Lagebericht, doch bewertet die Behörde die Lage „weiterhin als angespannt“. Für Abhilfe sollen unter anderem zwei Terminals für Flüssigerdgas (LNG) an der deutschen Nordseeküste sorgen.
Dadurch entstehen hierzulande erstmals eigene Kapazitäten, um LNG-Schiffe aus dem Ausland in Empfang zu nehmen und das importierte Gas fortan ins deutsche Netz einzuspeisen. Schon kurz vor Weihnachten hat der Gasimporteur Uniper mit der Inbetriebnahme des ersten deutschen Importterminals für Flüssigerdgas in Wilhelmshaven begonnen.
Die Terminals und die damit einhergehende Versorgung Deutschlands mit Flüssigerdgas sind freilich nur ein Teil des Gesamtkonzepts der Bundesregierung. Langfristig sollen sogenannte grüne oder klimaneutrale Gase wie erneuerbares Methan aus Biomasse oder Wasserstoff die Versorgung sicherstellen – auch mit Blick auf die Klimaschutzziele.
Damit das Gas dann auch bei den Verbrauchern ankommt, ist der Ausbau des Transportnetzes unumgänglich – auch im Kreis Bergstraße. Und so finden in weiten Teilen der Kreisstadt Heppenheim seit Oktober 2022 Baugrunduntersuchungen für eine neue, unterirdische Gasleitung statt.
Die Untersuchungen werden laut einer aktuellen amtlichen Bekanntmachung aus dem Rathaus „voraussichtlich im April 2023 abgeschlossen sein.“ Durchgeführt werden sie im Auftrag des Transportnetzbetreibers terranets bw GmbH. Mit seinem rund 2700 Kilometer langen Gashochdruckleitungsnetz stellt das Stuttgarter Unternehmen nach eigenen Angaben bereits „den Transport von Gas von Niedersachsen bis an den Bodensee“ sicher. An neun Standorten in Baden-Württemberg und Hessen werden rund 300 Mitarbeiter beschäftigt.
Leitung mit einem Meter Durchmesser
Um den weiter steigenden Bedarf abzudecken, aber auch, um die grünen Gase und Wasserstoff zeitgleich transportieren zu können, müsse das Transportsystem ausgebaut werden, lässt das Unternehmen verlauten. In der Region soll dies über die neue, rund 115 Kilometer lange „Spessart-Odenwald-Leitung“ (SPO) geschehen.
Die SPO soll nach derzeitigem Planungsstand von Wirtheim (Gemeinde Biebergemünd, Main-Kinzig-Kreis) bis nach Lampertheim führen und 2027 in Betrieb gehen. Geplant wird die Leitung mit einem Durchmesser von einem Meter, der maximale Betriebsdruck soll bei 90 bar liegen.
Im Kreis Bergstraße sieht die Planung einen Verlauf durch das Lautertal und die Bensheimer Stadtteile Gronau und Zell vor, ehe oberhalb des Hambacher Tals die Gemarkung der Kreisstadt erreicht wird. Entlang der Grenze zwischen Heppenheim und Bensheim führt die Trasse anschließend in Richtung Lorsch, bleibt jedoch weiterhin auf Heppenheimer Gemarkung. Hier orientiert sich die geplante Leitung weitgehend an der parallel verlaufenden Weschnitz, über Hüttenfeld geht es schließlich nach Lampertheim.
Ob dieser Verlauf letztlich realisiert wird, steht vor Abschluss der Baugrunduntersuchungen noch nicht fest – zumal im Anschluss auch die Topografie vermessen werden muss. Mögliche Schutzgebiete sowie artgeschützte Pflanzen- und Tierarten müssen zunächst kartiert und dokumentiert werden. Vermessung und Artenschutzkartierung stehen nun unmittelbar bevor, sie sollen im Laufe des Monats beginnen und „werden voraussichtlich im Februar 2024 abgeschlossen sein. Der Vorschlag für den „grundstücksscharfen Verlauf der SPO“ soll terranets zufolge spätestens 2024 vorliegen.
2024 soll zudem der Genehmigungsantrag für den Bau und Betrieb der SPO beim Regierungspräsidium Darmstadt gestellt werden. Dann beginnt das Planfeststellungsverfahren, in dem die zuständige Behörde alle durch die Planung berührten öffentlichen und privaten Belange abwägt. Träger öffentlicher Belange und Betroffene können hierbei ihre Stellungnahmen einbringen. Erst mit dem Planfeststellungsbeschluss genehmigt die Behörde schließlich den beantragten Trassenverlauf.
Parallel zum Genehmigungsverfahren beginnt terranets mit dem Erwerb der Wege- und Leitungsrechte für die SPO. Ab 2025 sollen die Vorbereitungen für den Bau der Leitung beginnen. Der Bau selbst wird voraussichtlich 2026 starten.
Welche Flurstücke auf Heppenheimer Gemarkung von Vermessung und Kartierung betroffen sein werden, teilt das Unternehmen nicht mit. Hierzu heißt es lediglich: „Die Arbeiten finden außerhalb der geschlossenen Bebauung statt.
Sofern umfangreichere Erkundungen auf den jeweils betroffenen Flurstücken notwendig sind, werden die Eigentümer und Bewirtschafter der Flächen von terranets bw rechtzeitig schriftlich informiert.“ Sollten bei den Vorarbeiten Flurschäden entstehen, werden diese laut Mitteilung dokumentiert und anschließend beseitigt oder entschädigt. fran/ü
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