Heppenheim. „Es kann sich jetzt noch keiner so richtig vorstellen, aber die Baumkronen werden irgendwann ineinander übergehen und später ein Blätterdach bilden“, sagt Alexandra Hoffmann mit Blick auf die neu gepflanzten Bäumchen auf dem katholischen Kirchfriedhof in Heppenheim. Sie ist Mitglied des Verwaltungsrats der Pfarrei Heilige Marianne Cope und hat sich in den vergangenen Jahren maßgeblich für die Anlage der neuen Baumgräber eingesetzt.
Seit März dieses Jahres gibt es nun die Anlage, die sich ausgehend von einer großen, zentralen Blutbuche mäandernd durch die bestehenden Reihen von Erdgräbern schlängelt. An verschiedenen Stellen sind bereits Granitplatten in Blattform rund um die jungen Bäume eingelassen – jedes von ihnen steht für ein Doppel-Urnengrab. Auf einigen sind bereits die Namen und Daten von Verstorbenen graviert, sie sind somit schon belegt.
Wo früher eine Brachfläche war, erstreckt sich jetzt Rasen
„Unter jedem Baum sind 20 solcher Platten geplant“, erläutert Hoffmann beim Rundgang über den Friedhof. Wie viele Bäume insgesamt gepflanzt wurden, kann sie gar nicht sagen, aber es sind viele: „Ein sechsstelliger Betrag wurde hier ausgegeben.“ Wo früher eine Brachfläche war, erstreckt sich jetzt Rasen, durchzogen von Kieswegen, die von den jungen Bäumen flankiert werden. Die Ränder sind wellenartig gestaltet und mit Gräsern und Büschen bepflanzt – auch als Sichtschutz gegen die blanken Rückseiten der Grabmäler.
Die Nachfrage nach Erdgräbern ist laut Hoffmann enorm zurückgegangen, viele Grabstätten seien zurückgegeben worden: „Der Trend geht eindeutig weg vom Erdgrab. Angehörige ziehen weg oder haben keine Zeit für die Pflege, da muss es eine pflegeleichte Grabstätte sein.“ Wie bei den Urnenwänden bedeutet das aber auch, dass nichts abgelegt werden darf. „Direkt nach der Bestattung liegt mal ein Kranz neben den Platten, aber wer pflanzen möchte, der muss ein Erdgrab nehmen“, sagt Hoffmann.
„Von März bis September gab es hier 21 Bestattungen, davon zehn Baumgräber, dazu sechs weitere Urnengräber“, berichtet Hoffmann. Auf dem städtischen Teil des Friedhofs sehe es ähnlich aus. Das bestätigt auch Stadtsprecher Joel Niebla auf Anfrage: „Ungefähr 50 Prozent der neu erworbenen Grabstätten der letzten fünf Jahre waren Baumgrabstätten.“ Angeboten werden diese in Heppenheim nicht nur in der Kernstadt, sondern auch in Kirschhausen, Hambach, Wald-Erlenbach, Mittershausen und Ober-Laudenbach. Die Baumgräber sind dabei nicht nur pflegeleicht, sondern auch aus ökologischer Sicht ein Fortschritt: „Die Urnen müssen biologisch abbaubar sein. In der Regel ist nach 20 Jahren Ruhezeit nichts mehr auffindbar, außer es war irgendein Schmuck an der Urne angebracht“, gibt Hoffmann die Einschätzung der Friedhofsgärtner wieder.
„Ich finde die Baumgräber auch total ansprechend“, sagt Hoffmann. Pfarrer Thomas Meurer sei es wichtig gewesen, dass daraus kein anonymer Friedwald wird. Dem ist nicht so: Die Granitplatten geben Auskunft über die Verstorbenen, die Besucher dürfen sich auf dem Rasen unter den Bäumen frei bewegen. Beim Blick über die neuen Baumgräber wird deutlich, wie sehr sich die Bestattungskultur derzeit wandelt: Das Konzept ermöglicht es, weitere aufgegebene Erdgräber künftig nahtlos in den wachsenden Wald zu integrieren.
Auch Stadtsprecher Joel Niebla sieht diesen Wandel: „Diese Art der Beisetzung wird überaus gut angenommen und ist nach Meinung unserer Friedhofsverwaltung die Zukunft der Bestattungskultur in Deutschland.“ Nach Ablauf des Nutzungsrechts der Baumgrabstätten können diese, falls sie nicht verlängert werden, zudem wieder erneut angeboten werden.
Ein Platz mit zwei Belegungen kostet 1.800 Euro auf 20 Jahre
Im Zuge des Baus der Anlage musste die Cope-Gemeinde eine eigene Friedhofssatzung erstellen, um die Urnengräber vermarkten zu können: „Ein Platz mit zwei Belegungen kostet 1.800 Euro auf 20 Jahre. Für 90 Euro im Jahr kann danach verlängert werden“, sagt Hoffmann. Alternativ können auch ganze Baumquartale erworben werden, etwa für Familien. So kostet ein Quartal mit vier Plätzen 3.000 Euro.
Den Verkauf übernimmt allerdings die Stadt: „Die Verwaltung bietet auch unsere Baumgräber an.“ Durch die Baumgräber wird auch Ärger mit ungepflegten Grabstätten verhindert, der bis hin zu wackelnden Grabsteinen reicht: „Bisher mussten wir die auf unsere Kosten abräumen, wenn sich kein Verantwortlicher mehr finden ließ.“ Die Pflege der Anlage obliegt nun den Friedhofsgärtnern.
Zudem soll das Areal Treffpunkt für Gespräche mit Angehörigen werden: Das erste Mal wollen Mitarbeiter der Gemeinde am Sonntag, 26. Oktober, dort ab 14.30 Uhr mit Kaffee und Tee Präsenz zeigen. thr/ü
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