Kulturwochenende

Einhäuser Zuschauer erleben, wie ein Hörspiel entsteht

hr2-Hörspiel-Theater mit „Old Shatterhand unter Kojoten“ in der Mehrzweckhalle / Die rund 80 Besucher sind begeistert

Von 
Janine Ak
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Mit Sprechstimmen, Musik, Geräuschen und Bühnennebel lassen die Medien- und Theaterprofis den Western vor dem geistigen Auge des Zuschauers entstehen. © Neu

Einhausen. In diesem Jahr ist das Radio 100 Jahre alt geworden. Im kommenden Jahr feiert eine Kunstgattung 100. Geburtstag, die mit dem Medium Radio eng verknüpft ist: das Hörspiel. 1924 ist es nicht weit von hier, in Frankfurt, aus der Taufe gehoben worden. Der Radiosender hr2 ist in Deutschland der einzige, der bis heute Hörspiele produziert.

Eine Hommage an das Hörspiel war auch der dritte Abend des Kulturwochenendes der Gemeinde Einhausen, der am Sonntag in der auf die Hälfte verkleinerten Mehrzweckhalle stattfand. Nach Henni Nachtsheim und Michael Apitz mit ihrem Programm „Adlerträger“ am Freitag und dem Kikeriki-Theater Darmstadt auf seiner „Schräge Vögel“-Tour am Samstag (wir berichteten) war am dritten Abend das hr2-Hörspiel-Theater erstmals in Einhausen zu Gast. Die Einhäuser waren wohl daher beim Kartenkauf noch etwas zurückhaltend: Nur rund 80 Besucher hatten sich in der Mehrzweckhalle eingefunden, was aber die intime Atmosphäre einer verschworenen Gemeinschaft erzeugte.

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„Für die, die noch zuhören können“ sei der Abend gedacht, hatte das Ensemble in seiner Ankündigung geschrieben. Und es stimmt: Bei diesem „konzertanten Schauspiel“, war überwiegend der Hörsinn gefordert. Zu sehen bekamen die Besucher das, was der Rezipient eines Hörspiels üblicherweise nicht zu sehen bekommt: wie die Geräusche, die das Kopfkino zum Leben erwecken, gemacht werden.

Hörspiel-Studio auf der Bühne

Auf der Bühne vor Ort „handgemacht“, so sagt das hr2-Hörspiel-Theater selbst. Seit zehn Jahren produziert das Ensemble aus Medien- und Theaterprofis eigene Hörspiele für die Bühne. Seit vier Jahren ist es mit dem in Einhausen gezeigten Stück „Old Shatterhand unter Kojoten“ unterwegs und lässt die Zuschauer wie in einem mobilen Hörspiel-Studio hinter die Kulissen seiner Arbeit schauen.

Das ist spannend und fordert den Besucher gleichzeitig auf zwei Ebenen: als Zuhörer, der in seinem Kopf die Welt rund um Old Shatterhand im Wilden Westen baut, und als Zuschauer, der konzentriert verfolgt, wie die einzelnen Geräusche erzeugt werden. Das Geschehen läuft nach einer exakten Partitur ab. Die Einsätze der Sprecher, der am Keyboard erzeugten Musik, der Geräusche und nicht zuletzt des Lichts und Bühnennebels sind auf die Sekunde koordiniert und greifen perfekt ineinander.

Hier kann der Zuschauer erleben, wie Spannung im Hörspiel, aber auch im Film, erzeugt oder verstärkt wird. Zum Beispiel, indem die gesprochenen Texte stellenweise durch Musik unterlegt werden – durch ein sogenanntes Melodram.

Einige Schauspielerinnen und Schauspieler mit mehreren Rollen

An den Notenpulten der Sprecher, auf denen ihre Texte liegen, hängen luftgefüllte transparente Tütchen. Schon bald erfahren die Zuschauer, dass es die „Munition“ der Pistolen ist, von denen die Spieler im Lauf des Westerns nicht zu knapp Gebrauch machen. Am Ende bleiben im Grunde nur noch Old Shatterhand (Thomas Jansen) und sein in der Steppe erfahrener Freund Sam Hawkens (Klaus Krückemeyer) übrig. Was auch auf dem Heimweg noch im Ohr bleibt: Das Pferdegetrappel, mal im verfolgungsfreudigen Galopp, mal im entspannten Trab, von Axel Senn mit zwei „Hufeisen“ an den Händen in einer Art Trog erzeugt. Aber auch die Hintergrundgeräusche im Saloon, wie dumpfes Gläserklirren, das Senn mit leeren Flaschen als Instrument erzeugt.

Bis auf die beiden Hauptfiguren sprechen die Darsteller jeweils mehrere Rollen. Und allein schon an der Stimme erkennt der Zuhörer, ob Tina Wurster gerade die vermeintlich naive, englische höhere Tochter Emily Milton ist oder die vom harten Leben in der Steppe gezeichnete Farmerin Betsy.

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Nach dem Schlussapplaus des insgesamt zweistündigen Abends, an dem das Gute gesiegt hat, spricht Klaus Krückemeyer, der auch für die Regie verantwortlich zeichnet, die Besucher von der Bühne an. Er fragt, ob ihnen das Experiment in Einhausen gefallen hat. Der warme, herzliche Applaus der verschworenen Gemeinschaft bestätigt das.

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