Bildungspolitik

Integration von Flüchtlingskindern führt in Einhausen zu überfüllten Klassen

Von 
Jörg Keller
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Fürs Pressefoto nahmen Schulleiterin Sandra Aust und Kultusminister Alexander Lorz im Strandkorb auf dem Hof der Einhäuser Grundschule Platz. Die Pädagogin nutzte die Gelegenheit, dem Landespolitiker eindringlich die Probleme zu schildern, mit denen auch die Schule an der Weschnitz zu kämpfen hat. © Zelinger

Einhausen. „Unsere Lehrkräfte geben alles, aber sie sind mittlerweile alle unzufrieden“, sagte Sandra Aust. Wenige Minuten vor dem Besuch von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) in Einhausen am vergangenen Freitag war sich die Leiterin der Schule an der Weschnitz noch sicher, dass sie sich bei dem Ortstermin mit Kritik zurückhalten wollte. Doch dann sprudelte der angestaute Frust doch aus ihr heraus.

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Ein Hauptproblem an der Einhäuser Grundschule sind demnach die zu vollen Klassen. Und das hat nach Einschätzung von Sandra Aust zwei Gründe. Zum einen ist da die strikte Vorgabe, erst bei über 25 Kindern pro Klasse eines Jahrgangs eine zusätzliche zu eröffnen. In Einhausen schrappt man an diesem Grenzwert regelmäßig gerade so vorbei. Auch im nächsten Schuljahr wird es nach Angaben von Sandra Aust wieder nur drei erste Klassen geben – die jedoch pickepacke voll sind.

Bis zu 29 Schüler

In der Praxis werde die Kinderzahl pro Klasse dann noch überschritten. Hinzu kommen nämlich noch die Kinder der nach Einhausen zugezogenen Flüchtlingsfamilien. Die sollen zwar nach den Vorgaben des Landes eigentlich gesondert in Sprachfördergruppen unterrichtet werden. Doch das ist nach Einschätzung von Sandra Aust nicht sinnvoll. Wie – ihres Wissens nach – in den meisten umliegenden Grundschulen würden die Mädchen und Jungen aus Flüchtlingsfamilien auch in Einhausen integrativ beschult. Das heißt: Sie werden in die bestehenden Klassen zusätzlich aufgenommen, die so teilweise auf 28 bis 29 Kinder anwachsen würden. Nach Einschätzung von Sandra Aust ist die sofortige Integration der Kinder weitaus sinnvoller als diese abzugrenzen: „Für unsere Schule wäre es weitaus besser, wenn die Flüchtlingskinder ganz normal den Klassen zugeordnet werden würden.“ Dann wäre die Grundschule in den meisten Jahrgängen vierzügig – also mit vier Klassen pro Jahrgang.

Bei einem Rundgang durch die Ortsmitte zeigte Bürgermeister Helmut Glanzner (r.) den Besuchern, unter anderem Kultusminister Alexander Lorz, Erste Kreisbeigeordnete Diana Stolz und Landtagsabgeordnete Birgit Heitland, auch den neu gebauten Weschnitzsteg. © Zelinger

In Wiesbaden sieht man das allerdings anders. „Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit der Intensivsprachförderung für Flüchtlingskinder“, verteidigte Alexander Lorz die bestehende Verfahrensweise. Die Einhäuser Grundschule habe aktuell „wohl Pech“, dass die Kinderzahlen knapp unter dem vorgegebenen Teiler liegen.

Eine Aussage, die Sandra Aust so nicht hinnehmen wollte: „Es kann nicht sein, dass die Einhäuser Kinder einfach Pech haben.“ Die Vorsitzende des Elternbeirats der Schule an der Weschnitz, Bettina Lautenschläger, berichtete von dem Kampf, den Eltern und Schule im vergangenen Jahr führen mussten, um eine zunächst geforderte Zusammenlegung von zuvor vier auf drei ersten Klassen im letzten Moment zu verhindern.

Das Problem der zu vollen Klassen wird nach Einschätzung von Sandra Aust zusätzlich durch gesellschaftliche Entwicklungen verschärft. „In früheren Zeiten hatten wir zwei bis drei verhaltensauffällige Kinder pro Klasse. Heute sind wir froh, wenn wenigstens fünf Schüler einfach mal mitlaufen.“ Dabei bereite der Nachwuchs der Flüchtlingsfamilien nicht überdurchschnittlich viele Probleme. „Das ist sehr gemischt“, sagt Sandra Aust.

„Tropfen auf den heißen Stein“

Alexander Lorz erinnerte daran, dass das Land „zusätzliche Kräfte mobilisiert“ habe, die den Schulen bei der Bewältigung der Aufgaben zur Seite stehen. Etwa durch Mitarbeiter des Programms Ubus, was für „unterrichtsbegleitende Unterstützung durch sozialpädagogische Fachkräfte“ steht. Nach Einschätzung von Sandra Aust reicht das jedoch bei weitem nicht: „Eine Sozialarbeiterin mit 18 Wochenstunden ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte sie. Im Kultusministerium sei das Problem des fehlenden Personals bekannt, räumte Lorz ein: „Wir wollen daher deutlich mehr Grundschullehrer ausbilden.“ Aber es fehlten auch Menschen, die diesen beruflichen Weg einschlagen wollen.

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Nach Einschätzung von Sandra Aust ist das kein Wunder. „Der Beruf des Lehrers und des Schulleiters ist nicht so attraktiv wie noch vor 15 Jahren. Und dabei kommt es nicht aufs Geld an“, gab sie dem Minister mit auf den Weg. Der Blick in die Vergangenheit bringt nach Meinung von Alexander Lorz jedoch nichts. Man könne nicht einfach in eine „gute alte Zeit“ zurückkehren.

„Unser Haushalt ist leer“

Bürgermeister Helmut Glanzner hätte jedoch gerne Antworten für das Hier und Jetzt. Die angeführten Problem beträfen nämlich nicht nur die Schulen, sondern auch die Kindertagesstätten, ergänzte der Einhäuser Rathauschef. Auch hier werde es immer schwerer, Erzieherinnen und Erzieher zu finden. Die steigenden Kosten, auch für die Betreuung der Flüchtlingskinder, müssten letztlich die Kommunen finanzieren. „Unser Haushalt ist leer“, betonte er. Der Rathauschef wünscht sich mehr Unterstützung durch das Land und den Bund. Alexander Lorz verwies auf die Gesamtentwicklung. Wenn es durch die Zuwanderung künftig mehr Arbeitskräfte gebe, kämen die zusätzlichen Steuereinnahmen letztlich auch den Kommunen zugute.

Dass auch Einhausen im Bereich der Schule von Zuschüssen aus Steuergeldern des Bundes und des Landes profitiert, wurde beim Rundgang durch den Ortskern deutlich. Dort nahm Alexander Lorz unter anderem die 2018 und 2019 sanierte und erweiterte Grundschule in Augenschein. Ein Blick wurde in die neun Millionen Euro teure neue Mehrzweckhalle der Schule geworfen, an der sich die Gemeinde Einhausen mit drei Millionen Euro Eigenanteil beteiligt hat.

Auch für den neuen Steg, über den der Schulweg der Kinder aus Einhausen-Nord führt, oder das geplante Grüne Klassenzimmer am Weschnitzufer fließen Zuschüsse aus verschiedenen Förderprogrammen.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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