Wirtschaft

Wie Künstliche Intelligenz dem Zahnarzt hilft

Beim jüngsten Business-Treff der Wirtschafts-Vereinigung Bensheim ging es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz. Gastgeber Dentsply Sirona stellte seine Lösungen für Zahnarztpraxen vor.

Von 
Thomas Tritsch
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Wolf-Dieter Perlitz präsentierte beim Business-Treff der WVB in den Räumen von Dentsply Sirona die Möglichkeiten von KI in der Zahnarztpraxis. © Thomas Zelinger

Bensheim. „Viele Arbeitsplätze werden sich massiv verändern“, betont Michael Wilczynska. Er sollte es wissen, denn er bringt Künstlicher Intelligenz (KI) das Denken bei. Der Geschäftsführer der Wianco Ott Robotics GmbH mit Sitz im Seeheimer Schloss ist Vater der elektronischen Multimedia-Analystin Emma.

Ein einfach bedienbarer Testautomatisierungsroboter, der jede Software auf jedem Gerät rund um die Uhr testen und analysieren kann. Emma hört, sieht, spricht, lernt und interagiert mit der physischen Welt, um beliebige Systeme zu steuern.

Im Gegensatz zu menschlichen Software-Testern wird die Maschine nicht müde und arbeitet rund um die Uhr. Emma gibt es in Form einer Software und auch als Hardware mit beweglichen Armen, etwa zur Bedienung von Geräten. Für diese kognitive (wahrnehmungsfähige) KI wurde das Unternehmen letztes Jahr als „Hessen-Champion“ vom staatlichen Beratungsnetzwerk Technologieland Hessen ausgezeichnet. Der Chef erklärt: Mit Emma lassen sich Prozesse automatisieren – und das ohne Spezialisten, die programmieren können.

„Was man Menschen erklären kann, das versteht auch Emma“, beschreibt er die Logik hinter dem lernenden System, das bereits in der Industrie sowie im Banken- und Finanzsektor zum Einsatz kommt. Die digitale Lady entlastet Mitarbeiter, reduziert Kosten und beschleunigt ganze Arbeitsabläufe, so der Gründer des Start-ups, das 2020 mit einem German Innovation Award prämiert wurde.

Arbeitsplatz der Zukunft

Am Donnerstag sprach Wilczynska in Bensheim über KI am Arbeitsplatz der Zukunft. Doch bereits heute ist Kollege Roboter schon ein Teil des Unternehmensalltags, wie beim Businesstreff der Wirtschafts-Vereinigung Bensheim (WVB) deutlich wurde.

Die Gemeinschaftsveranstaltung mit der IHK Darmstadt Rhein-Main-Neckar fand im Innovationscenter von Dentsply Sirona statt. Als weiterer Partner des Netzwerktreffens am Standort der weltweit größten Dentalfabrik war das Verbundprojekt „Kompetenzzentrum für Arbeit und Künstliche Intelligenz im Rhein-Main Gebiet“ (KompAKI).

An dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über einen Zeitraum von fünf Jahre geförderten Projekt sind unter anderen elf Forschungspartner der Technischen Universität Darmstadt und der Hochschule Darmstadt sowie acht Unternehmen und die IHK beteiligt. Der WVB-Vorsitzende und der Dentsply-Geschäftsführer Jan Siefert begrüßte gemeinsam mit Jan Henning Curtze (IHK) knapp einhundert Gäste, die viel über die wohl wichtigste Basistechnologie des 21. Jahrhunderts erfuhren. Im Zentrum standen konkrete Anwendungen und Potenziale für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Die Branche des Gastgebers spielte dabei eine besondere Rolle. Denn auch in der Zahnheilkunde kommen künstliche neuronale Netze bereits zum Einsatz. Der Fokus liegt derzeit auf dentalen Diagnoseassistenzsystemen für die zahnmedizinische Diagnostik. Es geht darum, den Zahnarzt bei seiner Arbeit zu unterstützen und die (buchstäblich) verzahnten Praxis-Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen.

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KI kann verwendet werden, um Röntgenbilder und andere Bildgebungsdaten von Zähnen und Kiefern zu analysieren und Anomalien zu erkennen. Auf digitalen Bildern kann die Software in wenigen Sekunden Befunde in der Darstellung zuverlässig erkennen und vollautomatisch dokumentieren. Die Diagnose erfolgt mit höchster Genauigkeit, und durch die farbliche Markierung ist sie für den Patienten leichter zu verstehen, so Wolf-Dieter Perlitz. Er ist Produktmanager für das System DS Core: eine Cloud-Lösung für Zahnmediziner und Labore, mit der Dentsply Sirona laut Perlitz die Arbeit in der Praxis revolutionieren will.

DS Core ist eine Plattform, die den Arzt bei seinen täglichen Arbeitsabläufen mit verschiedenen Tools unterstützt und so zur Effizienz, Produktivität und zu mehr Wachstum beitragen soll. Sie kann unterschiedliche Hardware und Software nahtlos verbinden und neben den Abläufen im Team auch die Abstimmung mit dem Patienten verbessern.

Unabhängig vom jeweiligen Standort können gigantische Datenmengen – etwa für mehrere 3D-Darstellungen – synchron auf das Endgerät gestreamt werden. Falldateien sind immer und überall verfügbar. Die einzige Voraussetzung ist ein Internetzugang: In der modernen Lebens- und Arbeitswelt ist der so wichtig wie ein Stromanschluss, betont Perlitz in Bensheim.

Der digitale Patient

Das System besteht aus einem Portal, einer Software und einem Datenspeicher (Cloud), wird permanent upgedatet und verbindet alle Medien und Geräte in der Zahnarztpraxis. Der digitale Patient ist für den Arzt jederzeit abrufbar, das erleichtert auch die Abstimmung und Behandlungsplanung mit weiteren Spezialisten wie Kieferorthopäden. Die Cloud ersetzt den USB-Stick, schwerfällige physische Datenträger sind passé. Der Zahnarztberuf erobert das Homeoffice – zumindest für die Kommunikation und einige Routineabläufe.

Diese innovative Art der Vernetzung trage maßgeblich zu einer Optimierung von hybriden Workflows bei, ergänzt Jan Siefert. Die Verbesserung und Harmonisierung von Arbeitsabläufen ist derzeit eines der Kernthemen von Dentsply Sirona. Das Unternehmen produziert in Bensheim mit rund 800 Mitarbeitern (darunter 350 Entwickler) etwa 10 000 moderne Behandlungseinheiten im Jahr, wie der Standort-Geschäftsführer und Vice President Operations mitteilt. Zum Portfolio gehören außerdem digitale Abformungssysteme via Scan sowie Lasereinheiten und Sterilisatoren. Der Jahresumsatz beträgt knapp eine Milliarde Euro.

Ersetzen wird KI den Zahnarzt nicht, betont Wolf-Dieter Perlitz. In der Zahnmedizin spiele menschliche Interaktion eine wichtige Rolle. Doch je weniger Zeit für komplexe Aufgaben in der Diagnostik oder Dokumentation aufgewendet werden muss, desto besser kann sich der Doc um den Menschen im Behandlungsstuhl kümmern.

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Künstliche Intelligenz erleichtert in erster Linie die vielen wiederkehrenden Standardaufgaben in der Praxis. DS Core transformiert als offene und ständig aktualisierte Plattform die digitale Zahnheilkunde, in dem sie nahtlos das Equipment von Dentsply Sirona (darunter Scanner, Röntgengeräte und 3D-Drucker) zusammenführt, so Perlitz weiter.

Er spricht von einer neuen Dimension in der Zahnheilkunde, die durch KI in den kommenden Jahren noch erheblich beschleunigt werde. Das System könne allen Neuerungen schnell angepasst werden. Ziel dabei sei immer die bestmögliche Zahngesundheit des Patienten, so der Produktmanager.

Der KI-Experte Michael Wilczynska war von dem barrierefreien Konzept begeistert. Die einfache Verzahnung von Anwendungen, Wissen und Maschinen bezeichnete er als elementaren Ansatz in der Arbeitswelt von morgen, die im Grunde längst ihren Anfang genommen hat.

Auch Emma helfe dabei, Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten, um im Betrieb mehr Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben zu haben. Eine solche kostengünstige Automatisierung sei auch für Kleinunternehmen und den Mittelstand attraktiv, betont er. KI sei längst nicht mehr für große Konzerne reserviert. Die Sorge vieler Unternehmer, dass der Einsatz automatisierter Lösungen das Personal gefährde, teilt er nicht. Vor allem würden Roboter repetitive Aufgaben übernehmen.

Mitarbeiter werden aufgewertet

Wer jahrelang operativ mit einem Prozess befasst war, sei weiterhin ein wertvoller Experte in seinem Bereich. Durch den intelligenten Einsatz von KI würden Mitarbeiter nicht ersetzt, sondern aufgewertet, weil sie lernen, mit neuen Technologien zu arbeiten. Vielen Unternehmen sei die Bandbreite automatisierungsfähiger Lösungen allerdings noch nicht bekannt.

Über digitale Assistenzsysteme informierte in Bensheim Thimo Keller, der mit Christopher Stockinger an der TU Darmstadt studiert und promoviert hat. Mit ihrem Unternehmen AssistIng helfen sie, Prozesse sukzessive schlanker, effizienter und flexibler zu machen. „Man muss das Thema Digitalisierung zielgerichtet angehen“, so Keller. Viele Betriebe würden das Potenzial nicht erkennen. Dabei könnten sie in vielen Fällen zu mehr Produktivität und Qualität in Fertigungsprozessen beitragen und gleichzeitig Mitarbeitern ein besseres, weil stressfreieres Arbeitsklima bieten.

Im Anschluss hatten Teilnehmer die Gelegenheit, sich im Showroom von Dentsply Sirona unter anderem über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim 3D-Druck für dentalen Anwendungen zu informieren.

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