Bensheim. Es gibt Geschichten, die überdauern die Zeit. Weil sie wunderbare Erzählungen sind, die Kinder und Erwachsene auch nach Jahrzehnten noch faszinieren. Die Abenteuer der Wuselwatze sind ein Bensheimer Kulturgut. Die beiden frechen Kobolde, erfunden von der Kinderbuchautorin Erika Ertl, gehen in drei Bänden auf einen Streifzug durch die lokale Historie – weil sie nach einer verlorenen Mütze suchen.
Die Abenteuer von Dachwuselwatz und Bachwuselwatz regen seit über 40 Jahren die Fantasie der kleinen und großen Leserinnen und Leser an. Am Montag outete sich Bürgermeisterin Christine Klein im Parktheater einmal mehr als Fan. „Meine Kinder sind mit den Büchern groß geworden und haben mit ihnen Bensheim entdeckt“, erklärte sie bei einer besonderen Ausstellungseröffnung. Bensheim durfte eine großzügige Schenkung von Brigitte Roetzer entgegennehmen: Die Illustratorin der beliebten Geschichte hat die Original-Aquarelle dem Kunstarchiv Bergstraße zur Verfügung gestellt.
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Die liebevoll gestalteten Bilder sind nun bis zum 5. November in der Ausstellung „Die Wuselwatze: 1979 - 1987“ im Gertrud-Eysoldt-Foyer zu sehen.
Kleine freche Kobolde
Im Hause Klein ist die Lektüre zwar aktuell nicht auffindbar, wie die Rathauschefin schmunzelnd bekannte. Sie gehe stark davon aus, dass die Büchlein bei ihren (mittlerweile erwachsenen) Kindern und deren Enkeln gelandet sind. „Und da sind sie gut gelandet.“ Ihr Dank ging am Montag an das gesamte Team der Stadtkultur, das in die Realisierung der Ausstellung gemeinschaftlich eingebunden war. „Wir sind stolz, dass wir Euch haben“, lobte sie das Engagement und die Kreativität aller Beteiligten.
Zudem würdigte die Rathaus-Chefin Brigitte Roetzer, die aus gesundheitlichen Gründen bei der Eröffnung nicht dabei sein konnte. Stellvertretend trug Mareike Gnändiger in ihrem Namen eine kleine Rede vor, die sie dem Bibliotheksteam anlässlich der Eröffnung vorab zukommen ließ.
„Vor über 40 Jahren haben wir die Wuselwatz-Geschichten, so glaubten wir, erfunden. Aber in Wirklichkeit lebten die beiden kleinen Kobolde schon über Jahrhunderte verborgen in Bensheim, wir haben sie nur wiederentdeckt und von ihren neuen Abenteuern in Bensheim erzählt“, ließ die Illustratorin ausrichten.
Sie erinnerte in ihrem Schreiben daran, dass ihre Bilder und die Bücher schon Ende der 1980er-Jahre in der Bilderbuchausstellung des Offenbacher Klingspor-Museums in einer Sondervitrine präsentiert wurden. Heute seien die Originale der bunten Illustrationen zum ersten Mal in Bensheim ausgestellt. „Das besonders Schöne ist: Nun gehören die Bilder der Stadt Bensheim, denn da gehören sie hin. Schließlich ist Bensheim die Stadt der Wuselwatze“, betonte Brigitte Roetzer.
Die stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek, Mareike Gnändiger, unternahm mit den Besuchern der Eröffnung einen kleinen Ausflug in die Geschichte. Weil die Kobolde nur von Kindern gesehen werden können, sei ihr Äußeres lange Zeit ein Geheimnis gewesen. Durch einen Malwettbewerb an den Bensheimer Grundschulen 1979 änderte sich das.
Markenzeichen der Stadt
Die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten nämlich ganz genaue Vorstellungen. 550 Einsendungen kamen zusammen, die besten wurden schließlich vom damaligen Bürgermeister Georg Stolle prämiert. „Die fantasievollen Bilder veranlassten Erika Ertl und ihre Freundin Brigitte Roetzer schließlich dazu, den beiden Kobolden eine offizielle Gestalt zu geben“, erläuterte Mareike Gnändiger. In vielen Zeichnungen und Aquarellen verlieh die Grafikerin dem Dachwuselwatz und dem Bachwuselwatz Leben.
Dass die beiden frechen Kerlchen ein echtes Markenzeichen der Stadt sind, „verdanken sie auch der einfallsreichen Verflechtung mit der Lokalgeschichte und nicht zuletzt auch der Geschichte der Stadtbibliothek“, so die stellvertretende Leiterin. Die Ausstellung ist dabei bereits das zweite große Wuselwatz-Projekt, das von der Stadtkultur umgesetzt wird. Im vergangenen Jahr entwickelte das Team einen Kreativ-Tonie und vertonte die Geschichte von Erika Ertl (wir haben berichtet). Die Toniebox ist ein Lautsprecher für Kinder, der ein Hörspiel durch eine Figur, den Tonie, anschaltet. Für die konkrete Umsetzung konnten die langjährige Lesepatin Ursula Eiff und Lesepate Florian Schmanke gewonnen werden.
Bei der technischen Realisierung stand Stefan Rohr vom Parktheater mit Rat und Tat zur Seite, der am Montag auch die Präsentation begleitete. „Für uns war es eine besondere Freude, dass wir nach der Tonaufnahme der ersten Geschichte nun die wunderbaren Bilder zu allen drei Geschichten präsentieren können“, bemerkte Mareike Gnändiger und bedankte sich bei allen, die bei der Gestaltung und Ausformung der Ideen mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben.
Liebevoll komponierte Hommage
Die Ausstellung ist tatsächlich eine liebevoll komponierte Hommage an die Illustratorin wie auch an die Autorin und hält ein besonderes Stück Heimatgeschichte lebendig und in Erinnerung. Geht es nach Bürgermeisterin Christine Klein, darf die Erinnerung an die Kobolde ohnehin nie verloren gehen. Sie plädierte bei der Zusammenkunft, an der unter anderen auch Museumsleiter Jan Christoph Breitwieser, Eigenbetriebsleiter Thomas Herborn und Nina Schmelzing, die Tochter von Erika Ertl, teilnahmen, für eine Wiederauflage der Büchlein. Wobei man die Geschichte heute vielleicht etwas umschreiben müsste. Wie früher auf Entdeckungstour durch die Stadtbücherei könnte das flinke Duo zumindest aktuell bekanntlich nicht gehen, ohne sich Gedanken um den Brandschutz oder nasse Füße machen zu müssen. Von der Luftqualität ganz zu schweigen.
Die beliebte Anlaufstelle für Lesefreunde hat nach dem Wasserschaden im Juli nach wie vor geschlossen, die Chancen auf ein Happy End scheinen gering. Den beiden Kobolden wäre das vermutlich ziemlich egal. Alle anderen können nur hoffen, dass sich die Geschichte der Stadtbücherei nicht zu einem Buch mit sieben Siegeln entwickelt.
Am Montag konnten sich Beteiligte wie Verantwortliche jedoch an den schönen Seiten des literarischen Bensheims erfreuen und mit den Wuselwatzen in (Kindheits)-Erinnerungen schwelgen. Zu sehen ist die bemerkenswerte Ausstellung, garniert mit biografischen Daten der beiden Protagonistinnen, zu den Öffnungszeiten des Parktheaters.
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