Bensheim. „Vom guten Alten das Beste erhalten“ und es gemeinsam und in freundschaftlicher Verbindung in die Moderne zu führen, dieser Grundsatz verbindet die in den beiden Landesverbänden Baden-Südhessen und Württemberg-Hohenzollern organisierten Bürgerwehren und Milizen und ist seit 95 Jahren auch Motivation und Verpflichtung für die Heimatvereinigung Oald Bensem. Jedes Jahr zum Beginn des Bergsträßer Winzerfestes spiegelt sich das im Empfang der Bürgerwehren am ersten Winzerfest-Sonntag im Walderdorffer Hof wider.
Es ist der Empfang der Kommandanten und deren Stellvertreter, denn nicht alle der angereisten rund 300 Personen aus den Bürgerwehren hätten im Hof Platz gefunden, zumal sich auch zahlreiche Ehrengäste im „Wohnzimmer“ der Heimatvereinigung eingefunden hatten, die vom Vorsitzenden Heinz Walter herzlich begrüßt wurden.
Für viele Bürgerwehren war es eine lange Anreise gewesen, wie beispielsweise für die Bürgerwache Ehingen, die gut 240 Kilometer bewältigte, um am Samstagabend den Großen Zapfenstreich im Stadtpark auszuführen. Am Sonntagvormittag eröffnete sie mit ihrer Musikkapelle den Kommandantenempfang und das laut Kommandant Josef Stocker ganz „locker und leger“ im Hemd, aber mit viel Rhythmus. Dass sie auch anders können, hatten sie am Abend zuvor bewiesen. Kleine Besonderheit am Rande: Kommandant Stocker hatte am Sonntag Geburtstag, was ihn aber nicht davon abhielt, nach Bensheim zu kommen.
Die langjährige Freundschaft unter den Uniformierten zeigte sich am Sonntag insbesondere mit der Historischen Bürgerwehr der Stadt Bretten, mit der eine jahrzehntelange Verbundenheit besteht. Seit 1956 ist die vor über 200 Jahren gegründete Bürgerwehr ununterbrochen Bestandteil des Winzerfestes und das würdigte Bürgermeisterin Christine Klein mit der Überreichung des Ehrentellers der Stadt Bensheim.
Diese langjährige Verbindung geht noch weiter zurück und macht sich auch in der Gründung des Landesverbandes der Bürgerwehren und Milizen Baden-Südhessen 1931 fest. Denn für Südhessen im Verbandsnamen steht ausschließlich die Heimatvereinigung Oald Bensem als einziges Mitglied außerhalb des badischen Raums.
Eine Gruppe aus den Reihen der Bürgerwehr Bretten lässt es sich nicht nehmen, die 80 Kilometer lange Anreise zum Winzerfest jedes Jahr mit dem Fahrrad zu bewältigen. Der erste Auftritt der Bürgerwehr Bretten beim Winzerfest war bereits 1932, wie Bürgermeisterin Klein bei der Überreichung des Ehrentellers an den Kommandanten Dieter Petri feststellte.
Diese langjährigen Freundschaften unter den Bürgerwehren hob auch Doris Walter als Fraa vun Bensem hervor. Sie engagiert sich seit 52 Jahren in der Heimatvereinigung, war in dieser Zeit in vielen Städten und hat festgestellt, dass man überall das gleiche Ziel verfolgt, dafür einsteht und miteinander feiern kann. Sie würde sich wünschen, dass sich auch die Politik davon mal eine Scheibe abschneiden würde und gemeinsam im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zusammenarbeiten würde. „Das wäre für alle gut“, so die Fraa vun Bensem.
Innerhalb der Organisationen, die Oald Bensem auf vielfältige Weise unterstützen, funktioniere das sehr gut, wurde auf die Feuerwehr, das THW, das DRK, auf die Sparkasse, Unternehmen und viele private Unterstützer hingewiesen. Seien es beispielsweise die Jahrgänge, die ihre Kasse der Heimatvereinigung spenden oder Jochen Henke, mit dessen Spende neue Uniformen für den Spielmannszug angeschafft werden konnten.
Auch die Verbindung von Alt und Jung klappt perfekt bei Oald Bensem. Das zeigt sich unter anderem beim Kommandanten der Bensheimer Bürgerwehr, Alexander Kreissl, der seit vergangenem Jahr an der Spitze der Bürgerwehr steht und den Kommandant Stocker aus Ehingen am Sonntag als „neu im Showgeschäft“ bezeichnete. Er hatte beim Empfang die insgesamt neun angereisten Bürgerwehren benannt. Einige, wie Ettlingen und Weinheim, waren wegen eigener Veranstaltungen erst am Sonntag angereist, andere wie das Kurbairische Dragonerregiment Johann Wolf konnten nur zum Zapfenstreich dabei sein und nicht am Winzerfestumzug teilnehmen.
Die besondere Verbindung zu diesem Dragonerregiment machte Kreissl ebenfalls deutlich. Sie hat mit der Geschichte der Fraa vun Bensem zu tun, die der Überlieferung zufolge im Dreißigjährigen Krieg den bayrischen Truppen einen geheimen Weg in die Stadt gewiesen hatte, um die französischen und schwedischen Truppen, die Bensheim erobert hatten, zu vertreiben.
Unter den bayrischen Truppen war auch das Dragonerregiment von Johann Wolf, der beim Sturm auf Bensheim im Jahre 1644 an der Stadtmauer gefallen ist. Er wurde damals im unteren Teil des Stadtparks, der damals der Kirchhof war, beerdigt. Im vergangenen Jahr wurde anlässlich seines 380. Todestages ihm zu Ehren dort ein Kranz niedergelegt.
Die enge Verbundenheit zur Heimatvereinigung zeigte sich am Sonntag im Walderdorffer Hof mit einem ganz besonderen Ereignis. Denn gegen Ende der Veranstaltung erhielt Blütenkönigin Anna Bretthauer von ihrem Lebensgefährten Maximilian einen Heiratsantrag auf Knien. Beide kennen sich seit Kindheitstagen, sind seit 13 Jahren ein Paar und aktiv bei der Feuerwehr engagiert. Für den anwesenden Bensheimer Standesbeamten Matthias Wehmeyer war das eine Steilvorlage. Er konnte sich den Hinweis, dass er schon da ist, nicht verkneifen.
Zum Ende des Empfangs waren noch die Spielmannszüge aus Bensheim und Bretten in die Obergasse gekommen und sorgten für den musikalischen Abschluss. Sie hatten zuvor am Platzkonzert im Winzerdorf teilgenommen.
Vorsitzender Heinz Walter dankte allen Gästen für ihr Erscheinen, darunter auch Gebietsweinkönigin Chiara Fischer und ihrer Vorgängerin Katja Simon, Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert sowie weiteren Vertreter der Kommunalpolitik. Nicht vergessen wurden von ihm die Macher des Winzerfestes mit Geschäftsführer Thomas Herborn vom Verkehrsverein und Hilde Deppert, die das „Winzerfest im Griff“ habe.
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