Bensheim. Um „Das kluge Testament“ ging es im zweiten Gastvortrag Roswitha von Hagkes im voll besetzten Café Klostergarten des Mehrgenerationenhauses. Die Juristin in der Abteilung Spenderbetreuung und Legatemarketing bei der Christoffel-Blindenmission erläuterte nach der in ihrem vorigen Vortrag besprochenen Problematik des digitalen Nachlasses diesmal Fragen des Erbes und des Vermächtnisses.
Während der letztere Begriff sich auf Einzelnes bezieht, etwa auf einen Geldbetrag, ein Schmuckstück oder ein Konto, das per Testament auf den Empfänger übergeht, ohne dass für diesen weitere Rechte und Pflichten damit verbunden sind, geht es beim Erbe immer um die gesamte Rechtsnachfolge.
Mehr als drei Billionen Euro werden in Deutschland von der Nachkriegsgeneration im Zeitraum zischen 2015 und 2024 vererbt werden, so die Referentin, doch hätten sich rund 40 Prozent der Deutschen noch nie mit dem Erbrecht beschäftigt. In etwa 25 Prozent der Erbfälle existiere zwar ein Testament, doch sei dieses in 90 Prozent der Fälle fehlerhaft und nicht verwertbar.
Dann – und immer auch dann, wenn es gar kein Testament gibt, sowie wenn das Erbe ausgeschlagen oder angefochten wird – tritt die gesetzliche Erbfolge ein: Neben dem Ehegatten erben die (Bluts-)Verwandten. Hier gelten vom Gesetz unterschiedene Ordnungen. Die erste Ordnung umfasst alle Kinder des Erblassers, einschließlich der nichtehelichen und der adoptierten Kinder, Enkel und Urenkel.
Nur sofern es keine Erben erster Ordnung gibt, treten Angehörige der zweiten Ordnung ein. Das sind die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen – also etwa auch die Geschwister sowie die Nichten und Neffen des Erblassers. Gibt es auch hier niemanden mehr, dann kommt die dritte Verwandtschaftsordnung ins Spiel: die Großeltern und deren Abkömmlinge, also Onkel, Tanten, Vettern und Cousinen.
Gesetzliche Erbfolge
Auf den Ehepartner oder den eingetragenen Lebenspartner entfällt – sofern es keine notariell beurkundete Vereinbarung zur Gütertrennung oder Gütergemeinschaft gibt – im Sinn der Zugewinngemeinschaft eine pauschal um ein Viertel erhöhte Erbquote. Er erhält also neben gesetzlichen Erben der ersten Ordnung (also Kindern oder Enkeln) die Hälfte, neben gesetzlichen Erben der zweiten drei Viertel des Nachlasses und neben den übrigen gesetzlichen Erben sogar den gesamten Nachlass.
In bestimmten Konstellationen könne diese gesetzliche Erbfolge sinnvoll sein, erklärte Roswitha von Hagke. An einem Beispiel erläuterte sie jedoch das innewohnende Konfliktpotenzial: Wenn ein verheirateter Mann ohne Nachkommen sterbe, dann erbe die Ehefrau die Hälfte und dazu die Hälfte aus dem Erbteil der zweiten Ordnung. Der Rest gehe zum Beispiel zu je einem Achtel an die noch lebende Mutter und den Bruder des Erblassers, so dass die Ehefrau dann mit ihrer Schwiegermutter und ihrem Schwager eine Erbengemeinschaft bilde. Seien solche Konstellationen absehbar, könne ein Testament sinnvoll sein, unter anderem aber auch, wenn es um die Berücksichtigung von nichtehelichen Lebenspartnern und insbesondere um die Vererbung von Immobilien und Unternehmen gehe.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Damit ein Testament rechtskräftig ist, muss es eigenhändig handschriftlich verfasst, datiert und unterschrieben sein – handelt es sich um ein gemeinschaftliches Testament etwa eines Ehepaares oder eines unverheirateten Paares, so müssen beide unterschreiben, am besten noch mit einer ausführlichen Formulierung des zweiten, mitunterschreibenden Partners wie „Dies ist auch mein letzter Wille“. Daneben kann ein Testament notariell beurkundet und offiziell registriert werden.
Ein Testament sollte niemals in einem Bankschließfach aufbewahrt werden, sondern so, dass es schnell auffindbar ist. Sinnvoll, so die Referentin, sei es auch, Vertrauenspersonen zu informieren oder mit einer Kopie zu versehen. Am sichersten sei die Hinterlegung des Testaments beim Nachlassgericht und die Registrierung bei der Bundesnotarkammer. Wichtig auch: Wer etwa ein selbst verfasstes Testament findet, wird schwer bestraft, wenn er dieses unterschlägt.
Ein gemeinschaftliches Testament kann nur zu Lebzeiten aller Partner geändert werden, das gilt auch für den Erbvertrag, den zwei oder mehrere Personen schließen können, was etwa bei Patchworkfamilien und bei der Regelung der Unternehmensnachfolge sinnvoll sei und immer notariell beurkundet werden müsse, erklärte die Referentin.
„Berliner Testament“
Ausführlich ging Roswitha von Hagke auch auf das bekannte Modell des „Berliner Testaments“ ein. Hierbei handelt es sich um ein gemeinschaftliches Testament von Ehepartnern, die sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und zugleich bestimmen, dass mit dem Tod des zuletzt Verstorbenen der Nachlass an Dritte, zum Beispiel die Kinder, fallen soll. Das könne zur doppelten Forderung von Erbschaftssteuern führen, sagte die Referentin, und komme letztlich einer vorläufigen Enterbung der Kinder gleich, die dann zum Beispiel beim Tod des ersten Elternteils schon ihren Pflichtteil fordern könnten, der allerdings nur die Hälfte des Anspruchs nach der gesetzlichen Erbfolge umfasse.
Zum Thema Erbschaftssteuer stellte die Referentin eine Tabelle mit Freibeträgen vor, die für die Kinder derzeit zum Beispiel bei 400 000 Euro liegen.
Zum Schluss erläuterte die Referentin den Begriff des Testamentsvollstreckers, der vom Erblasser eingesetzt werde und den Nachlass nach dessen Willen abwickle, was insbesondere in komplexen Fällen wichtig sein könne – und auch, um den Frieden in einer Erbengemeinschaft zu erhalten.
Caritas-Mitarbeiterin Stefanie Burdow dankte der Referentin für die vielfältigen Hinweise und Anregungen und wies auf den letzten Vortrag der Reihe hin, bei dem Roswitha von Hagke am 9. August um 18.30 Uhr die Frage der Vorsorgevollmacht erörtern wird.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-vortrag-in-bensheim-regeln-fuer-den-letzten-willen-_arid,1980441.html