Weinlagenwanderung

Entspannte und genussvolle Maitour durch die Bergsträßer Weinlagen

Die 34. Weinlagenwanderung bot ein beachtliches Spektrum an Weinen. Vom blutjungen Weißwein über kräftige Rote bis zum unkomplizierten Secco war alles vertreten.

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Thomas Tritsch
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Weinlagenwanderer auf dem Weg vom Schönberger Sportplatz hinauf zur Rast oberhalb des Fürstenlagers. © Thomas Neu

Bergstraße. Die 34. Weinlagenwanderung profitierte nicht nur vom idealen Wetter bei Temperaturen bis 18 Grad – über weite Strecken war die genussreiche Maitour durch das Anbaugebiet Hessische Bergstraße auch ein spürbar entspannter Trip durch die prominenten Lagen zwischen Zwingenberg und Heppenheim. Atmosphärisch knüpfte die Großveranstaltung an ihre besten Jahre an – zumindest „gefühlt“ am frühen Nachmittag zwischen Fürstenlager und Kirchberg.

Die Stimmung war ausgelassen, aber nicht ins Extreme schwappend. In den Weinbergen begegneten sich die Generationen überwiegend freundlich, höflich und wohlgesonnen. Das zweite Jahr nach dem Neustart auf gut 18 Kilometer langer Strecke hat Spaß gemacht. Unterwegs reihten sich sechs Probierstände aneinander, an denen Weine und Sekte aus 14 Einzellagen ausgeschenkt wurden. Eine schöne Gelegenheit, um die Weine dort zu probieren, wo sie wachsen.

Wohl dem, der an Sonnencreme gedacht hatte © Thomas Neu

In sechs Stunden lässt sich die Strecke gemütlich bewältigen, doch viele Maiwanderer waren am Montag etappenweise unterwegs. Hotspots waren erneut die Bereiche Höllberg, Kirchberg und Fürstenlager. Die Richtung ist egal. Einige steigen am Kirchberg ein und in Auerbach schon wieder aus. Jeder nach seiner Façon.

Rund 140 Helfer im Dauereinsatz

Fast alle Bergsträßer Betriebe waren vertreten. Das Spektrum der Weine war beachtlich. Vom blutjungen Weißwein über kräftige Rote bis zum unkomplizierten Secco war alles vertreten.

Durch die Kontrollen von Taschen und Rucksäcken waren ortsfremde Flüssigkeiten seltener vertreten. Ein Bierchen hier und ein Pfälzer Rosé dort schaden der WLW nicht wirklich, wie die Tour gerne genannt wird. Alkoholika im großen Stil fanden aber keinen Einlass. Das Gros der Flaschen stammte aus der Heimat.

Ein Prosit auf den Bergsträßer Wein und die Weinlagenwanderung. © Thomas Neu

Rund 140 Helfer hatten alle Hände voll zu tun. Für drei Euro bekam man ein nettes Stielglas, die 0,1er Füllung kostete in der Regel 2,50 oder drei Euro. Die Aussicht war gratis. Am Kirchberg öffnete sich spätestens am frühen Nachmittag ein schöner klarer Blick in die Rheinebene. Der Aufstieg auf den Bensheimer Hausberg kostete zwar einige Mühe und Schweiß, doch die Ankunft wurde gleich mehrfach belohnt.

Etwa mit einem kühlen Grauburgunder oder einem würzigen Chardonnay-Weißburgunder, während man über die Rebzeilen und die St.-Georgs-Kirche die Augen Richtung Horizont schweifen ließ. Die Teams hinter der Theke waren flott und freundlich – und stets bereit zur fachkundigen Auskunft.

Der Weinbauverband Hessische Bergstraße und die Kommunen sorgten für eine stabile Infrastruktur. An WC-Häuschen und Mülleimern mangelte es unterwegs nicht. „Egal, wie voll ich bin, ich kann immer noch stehen“, stand auf den grauen Tonnen in den Weinbergen, deren Appetit üppig gestillt wurde.

Erste Bilanz: Später Sturm

Am frühen Abend war Zeit für eine erste Bilanz. Tendenziell erlebten die Veranstalter einen späteren Start der 34. Weinlagenwanderung. Erst nach elf Uhr, teilweise gegen Mittag, setzte sich der Haupttross in Bewegung – ein Eindruck, der von Heppenheim bis Zwingenberg geteilt wurde.

Aus Richtung Darmstadt dürfte der Schienenersatzverkehr die längste Weinprobe der Region ein wenig ausgebremst haben. Auf der Buslinie 670/669 Alsbach „Am Hinkelstein“ bis Heppenheimer Bahnhof wurde gestern ein Sonderverkehr eingerichtet. Aufgrund einer Baustelle zwischen Darmstadt und Bickenbach konnte diese Teilstrecke nicht befahren werden.

Aus Zwingenberg berichtete Johannes Bürkle von einem verzögerten Run in den Weinbergen.

Der stellvertretende Vorsitzende des Weinbauverbands Hessische Bergstraße (Weingut Simon-Bürkle) konnte und wollte gegen 18 Uhr noch keine finalen Kommentare liefern. Was er aber sagen konnte: „Das Essen war vorzeitig aus!“ Die herzhaften Snacks an den Weinständen gingen vor Ladenschluss zur Neige: Winzerbrötchen, Brezeln und Käsebrote waren gefragt. Man habe im zweiten Jahr nach Corona noch etwas vorsichtiger kalkuliert, so Bürkle. Verhungert sein dürfte aber keiner, und ein früher Ausverkauf ist allemal besser als die Entsorgung von nicht georderten Lebensmitteln.

Auch Sebastian Jäger (Weingut Jäger, Weingut der Stadt Bensheim) erlebte einen eher ruhigen Morgen. Die Massen kamen erst später. „Das Wetter ist perfekt, seit Mittag ist hier die Hölle los“, so Jäger junior, der mit seinen Kollegen am Bensheimer Kirchberg alle Hände voll zu tun hatte. Die prominente Lage ist einer der Haupt-Anziehungspunkte der Weinlagenwanderung.

Nicht gerade leer war es auch im Auerbacher Fürstenlager. Rabea Trautmann (Schloss Schönberg) und Volker Dingeldey vom gleichnamigen Gronauer Weingut arbeiteten auf der Höhe zwischen Staatspark und der Lage Herrnwingert Seite an Seite. Sauvignon Blanc, Riesling und Weißburgunder gehörten hier zu den beliebten Tropfen. Gerne auch in der Flasche. Viele Grüppchen orderten in größeren Einheiten.

Verbandschef Otto Guthier berichtete auch aus Heppenheim von einem späteren, dann aber sehr belebten Startschuss. „Ich denke, wir sollten hier die Wege verbreitern“, kommentierte er scherzhaft am Kirchberg, wo sich kurz nach Mittag die Massen Richtung Kirchberghäuschen drängten. tr

Wer den regionalen Rebensaft in moderaten Dosen zuführte, erfuhr auch noch etwas Bleibendes über den hiesigen Weinbau. Auf dem steilen Weg hinauf zum Kirchberghäuschen konnte man sich zum Beispiel mit der pilzwiderstandsfähigen Rebsorte Souvignier Gris beschäftigen, die von der Domäne Bergstraße der Hessischen Staatsweingüter hier angepflanzt wird. Dabei handelt es sich um eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Bronner, die kräftig-stoffig bis dezent fruchtig ausfällt. Der Klimawandel ist ein Revoluzzer auch im Weinbau, und viele Betriebe stellen sich langsam darauf ein.

Am Kirchberg tobte das Leben

Doch Zukunftsprobleme hatten am Maifeiertag ebenfalls frei. Am Kirchberg tobte das Leben, als hätte es die Pandemie nie gegeben. Kaum zu glauben, wie schnell sich der Mensch an Ausnahmesituationen anpassen – und diese auch wieder vergessen kann. Die Besuchermassen sind auch in diesem Jahr quantitativ schwer zu definieren.

Mit Sombrero unterwegs: Was bei der Buga in Mannheim für Aufregung sorgte, wurde in Bensheim mit einem Lächeln quittiert. © Thomas Neu

An den Ballungsräumen war es enorm voll, und auch der Zustrom aus nördlicher Richtung baute sich gegen 15 Uhr noch einmal mächtig auf. In der Bachgasse in Auerbach, an der Einmündung Weidgasse, sorgte ein größeres Aufgebot an Stadtpolizei, Polizei und Ordnungsamt für einen möglichst reibungslosen Übergang. Hier trafen Autoverkehr und Menschentrauben direkt aufeinander. Doch die Ordnungshüter blieben cool und ermöglichten sichere Kreuzungsmöglichkeiten.

Ein Lob auf die Stimmung

Auch am Stand Auerbacher Fürstenlager wurde es um diese zeit mächtig voll. Viele Winzer meldeten einen etwas späteren Start, die höheren Frequenzen ließen in diesem Jahr etwas auf sich warten. Auch am Heppenheimer Bahnhof, wo normalerweise schon vor neun Uhr die ersten mit Flaschen und Dosen bewaffneten Passagiere angespült werden, ging es bis zum Mittag eher ruhig zu.

Etwas Entschleunigung schadet der WLW aber keineswegs. Wer die Bergsträßer Weine trinken statt druckvoll hinunterschütten will, der fand gestern tatsächlich genügend Plätzchen, wo dies ohne die Gesellschaft lebender Alkoholleichen und wummernder Bassgewitter möglich war. Selbst notorische Skeptiker waren milde gestimmt und lobten die Stimmung am Rande der Strecke.

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Fast schon langweilig war es für das Deutsche Rote Kreuz. Der zentrale Standort war am Schönberger Sportplatz. In den ersten sechs Stunden wurden ganze zwei Fälle dokumentiert. Und beide Personen konnten wieder in die Freiheit entlassen werden. Sebastian Engelbrecht von der Ortsvereinigung Bensheim weiß aber aus Erfahrung, dass die Kundschaft in den letzten drei Stunden der Weinlagenwanderung eher größer wird. „Wir haben knapp 30 Kollegen im Einsatz heute. Unsere Fahrzeuge sind entlang der Strecke unterwegs.“ Auch Polizei und Sicherheitsdienst waren am Montag sehr präsent; unter anderem am Bensheimer Stadtpark.

Mit Lautsprecher auf dem Buckel

Für die gesamte Strecke galt erneut eine einheitliche Festordnung. Die Veranstalter konnten im Falle eines Verstoßes von ihrem „Hausrecht“ gebrauch machen und Personen von der WLW ausschließen. Darin heißt es unter anderem: „Die Veranstaltung dient der Werbung für den Bergsträßer Wein und für das Weinanbaugebiet Hessische Bergstraße. Das Gelände dient Personen zum Wandern auf dem Weinlagenwanderweg und zum Verkosten von Bergsträßer Wein, Perlwein und Sekt, der ausschließlich an den Ständen des Weinbauverbandes Hessische Bergstraße erworben wurde.“ Softdrinks und Wasser waren erlaubt.

Auch bei moderaten Sound-Ereignissen drückte man ein Auge zu. Ein junger Mann, von Auerbach kommend, hatte sich einen dicken Lautsprecher auf den Rücken geschnallt, der nicht gerade leicht aussah – die Literflasche Heppenheimer Riesling auf Bauchhöhe konnte den akustischen Rucksack wohl kaum austarieren. Geschmeckt scheint es ihm aber zu haben.

Der vierbeinige Weinlagenwanderer bekam Wasser statt Wein. © Thomas Neu

Überhaupt: Es gibt Begegnungen, die man praktisch nur bei der Weinlagenwanderung machen kann, was wiederum die These nährt, dass der Wein ein internationales Kommunikationspotenzial besitzt, das die Menschen zueinander bringt. Bei „Nittedal og Hakadal janitsjar“ handelt es sich nicht, wie man meinen könnte, um eine skandinavische Rebenzüchtung, sondern um ein großes Orchester mit blasmusikalischem Schwerpunkt. Und wenn man mit einer Abordnung in gelben Shirts kollidiert, auf denen sich norwegische Freunde der Bergsträßer Weinlagenwanderung zu erkennen geben, dann spricht man die Damen ganz unzweideutig an.

Hege Kaarastein heißt die sympathische Bassklarinette, die mit ihren zwölf weiblichen Ensemblemitgliedern gerade am Stand Auerbacher Fürstenlager mit Blick auf die Lage Schönberger Herrnwingert eingetroffen war. „Eine Kollegin hat mal in Heppenheim gelebt, und deshalb sind wir heute hier.“ 2018 gastierte das Orchester im Heppenheimer Amtshof.

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Die männlichen Kollegen des 1987 formierten Klangkörpers weilten derweil in Wien. Fragt sich, wo es schöner ist. In Österreich gibt es aber auch vorzüglichen Wein. Der weitere Kurs der Damen war zu diesem Moment noch unklar. „Wir schauen, wie weit wir kommen“, so Hege Kaarastein im Weinberg. Die Frau ist in der Sparte Lehrerbildung tätig und dem Bergsträßer Wein durchaus zugeneigt.

„Alles neu macht der Mai“

Zu den beliebtesten Tropfen gehörten leichte Rosés und halbtrockene Rieslinge sowie duftige Burgunder (weiß und grau) und spritzige Perlweine. „Alle neu macht der Mai“, rief ein junger Mann herüber, der damit wohl seine frisch eroberte Beziehungsgenossin meinte, die gerade einen Heppenheimer Secco öffnete.

Und zum Endspurt kam ab 16 Uhr sogar für alle die milde Bergsträßer Sonne raus, was die Anzahl der Weinberg-Selfies noch einmal deutlich gesteigert hat. Gut so, denn mancher wird sich erst beim Anblick der Fotomotive an den genauen Verlauf der Maitour erinnern.

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