Bensheim. Vom 16. bis 18. Juni treffen sich in Augsburg die besten Nachwuchs-Filmemacher Deutschlands. Beim 36. Bundes.Festival.Film. werden hochklassige Beträge aus dem nicht-kommerziellen Bereich auf großer Bühne gewürdigt. Die Chancen auf einen Preis in den Wettbewerben Deutschen Jugendfilmpreis sowie Deutscher Generationenfilmpreis sind ausgesprochen hoch, wie es von Seiten der Veranstalter heißt. Das Filmforum gilt als bundesweit größtes und renommiertestes Festival für Filmemacher aller Altersgruppen.
Jedes Jahr beteiligen sich bis zu 8000 Teilnehmer an den beiden Wettbewerben – die besten Arbeiten werden dann vor Publikum an wechselnden Spielorten präsentiert. Die Lust auf ungewöhnliche Filme mit eigenwilligen Erzählformen sowie der Spaß an innovativen Umsetzungsformen, Themen und ästhetischen Ausdrucksformen stehen dabei im Mittelpunkt.
Aus über 550 Einreichungen wurden diesmal 40 Produktionen in allen Kategorien ausgewählt. Im Rahmen der Preisverleihung am Festivalsamstag vergibt das Bundesfamilienministerium Preisgelder von insgesamt 20 000 Euro. Die Stadt Augsburg stiftet zudem einen Publikumspreis in Höhe von 1000 Euro.
Mit Spannung wartet man nun auch im Goethe-Gymnasium auf den Tag der Entscheidung am 17. Juni: Denn die Video-AG wurde mit dem Film „Die Deckokratietatur“ nominiert. Nicht die erste Festival-Teilnahme für die AG, die von Lehrer Thomas Brückler 2002 gegründet wurde und seither geleitet wird.
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2021 hatte die 20-minütige Produktion „Schrumpf!“ in der Kategorie von 16 bis 19 Jahren den Frankfurter Filmpreis gewonnen. Verschiedene Stilmittel wie Realfilm, Stop-Motion und die Green-Screen-Technik werden auch beim jüngsten Werk verwendet. Ein Projekt mit Hindernissen, wie der Leiter erläutert. Seit dem Start im Oktober 2020 hatte die Produktion mit personellen Veränderungen und der Pandemie zu kämpfen.
Monatelang musste das Vorhaben pausieren, Präsenztreffen waren nicht mehr möglich – zumal es sich bei der Video-AG um ein klassen- und jahrgangsübergreifendes Team handelt. Im Februar 2022 wurde mit neuen Köpfen die zweite Produktionsphase eingeleitet. Schüler der Stufen sieben bis neun hatten das Rohmaterial ihrer Vorgänger – die sich zu diesem Zeitpunkt längst samt Abitur aus der Schule verabschiedet hatten – gesichtet und auf der ursprünglichen Idee aufgebaut.
Einiges wurde übernommen, vieles aber neu strukturiert, verständlicher gemacht und ausformuliert. Herausgekommen ist ein siebenminütiger Film, in dem nicht nur eine lange Vorlaufphase, sondern auch viel Technik und Experimentierlust steckt.
Rund 3000 Einzelbilder bearbeitet
Geprägt ist der Film von der Stop-Motion-Filmtechnik, bei der eine Illusion von Bewegung erzeugt wird, indem einzelne Bilder (Frames) von unbewegten Motiven aufgenommen und anschließend aneinandergereiht werden. Sie kommt bei Trickfilmen, aber auch als Spezialeffekt bei Realfilmen zum Einsatz. Berühmt geworden ist diese Methode durch die Filme von Ray Harryhausen ab den 50er Jahren: „Sindbads siebente Reise“ oder „Jason und die Argonauten“ sind Klassiker des Fantasy-Genres.
Die Video-AG hat für ihre Inszenierung zehn Bilder pro Sekunde zusammengefügt. Insgesamt wurden rund 3000 Einzelbilder bearbeitet. Fotografiert wurde ausschließlich auf dem Schulgelände. In den Produktionen der AG geht es immer wieder auch darum, einen vertrauten Ort effektvoll neu zu inszenieren und in einen anderen Kontext zu übertragen, so Thomas Brückler.
Bei der Umsetzung der Stop-Motion-Technik (Pixilation) habe man zudem beobachten können, wie die Schüler durch diesen schrittweisen, langsamen Prozess einen sehr konzentrierten, gleichsam meditativen Arbeitsrhythmus kultiviert hätten.
Ranzen bewegen sich über den Schulhof, Jugendliche werden von großen Decken verschluckt, die wie Amphibien am Boden kriechen. Der Film wirkt geisterhaft, die Szenerie unwirklich und fremd. Der Stoff ergreift die Macht und schafft eine neue Weltordnung. Die Zeit der Sorglosigkeit ist vorbei. Durch die Technik offenbart der Film eine dramatische Ästhetik, die präzise Vorgehensweise der Schüler ist bis ins kleinste Detail erkennbar.
Im Computerraum wurden die Szenen digital geschnitten, teilweise retuschiert und final bearbeitet. Da die Szenen ohne Dialog auskommen, wurden sie mit (frei nutzbarer) Musik von George Antheil aus dem expressionistischen Horrorfilm „Dementia“ von John Parker aus dem Jahr 1955 dramatisch unterlegt.
„Die Deckokratietatur“ lief bereits beim Jugend-Medienfestival Visionale Hessen in Frankfurt und beim Filmfest Weiterstadt. Zu Pfingsten wird er bei der vom Bundesverband Jugend und Film (BJF) organisierten Werkstatt der jungen Filmszene in Wiesbaden gezeigt.
In Augsburg werden mindestens zwei Vertreter aus der Schule dabei sein. Öffentliche Veranstaltungen sind für die AG nichts Neues: Die Teams waren in der Vergangenheit bereits unter anderem in Kassel, Rostock, Berlin und Lüneburg, um ihre Werke zu präsentieren. Und das insgesamt recht erfolgreich: „Wir können unsere Anschaffungen weitestgehend über Preisgelder finanzieren“, so Thomas Brückler. Investiert wird zum Beispiel in Mikrofone, Kameras, Tonauszeichnungsgeräte und sonstige Hardware.
Die aktuelle Video-AG besteht aus 16 Schülern und ist damit quantitativ bislang eine der am stärksten besetzten. Die meisten Teilnehmer besuchen die fünften und sechsten Klassen. Die neuste Produktion soll im Sommer beendet sein.
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