Bensheim. Der Angriffskrieg von Wladimir Putin gegen die Ukraine bestimmt seit drei Wochen die Nachrichtenlage – mit Bildern, die erschüttern, betroffen und hilflos machen. Viele Menschen in der Region eint ein ungläubiges Entsetzen ob der Handlungen des russischen Präsidenten und die Bereitschaft, sich solidarisch mit den Betroffenen in der Ukraine zu zeigen, anzupacken und sich zu engagieren.
Beispiele von großen und kleinen Taten, aufmunternden und ermutigenden Gesten lassen sich viele in Bensheim und Umgebung finden. Kinder organisieren Hofflohmärkte, um Verkaufserlöse spenden zu können. Oder sie packen Spielsachen und Süßigkeiten für Hilfstransporte.
In Schulen mehren sich nicht nur blau-gelbe Veranstaltungen mit hoher Symbolkraft, es gibt ebenso verstärkt Spendenaufrufe. Vereine beladen Transporter und machen sich auf den Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze. Menschen stellen Wohnraum zur Verfügung. Die Solidarität verläuft dabei quer durch die gesamte Gesellschaft.
Ein deutliches Ausrufezeichen hat nun auch der Verein Wir sind Bergstraße in Kooperation mit der Tour der Hoffnung gesetzt. „Wir haben uns gefunden und sind gemeinsam stark“, fasst Vorsitzende Bianca Scholz zusammen. Wie stark das Miteinander tatsächlich ist, sieht man in der Lagerhalle der Firma Sartorius in Bensheim.
Von dort aus startete bereits am Dienstag ein 40-Tonner, beladen mit Sachspenden, in die Ukraine. Innerhalb von vier Tagen sammelten die Helfer Güter für 47 Euro-Paletten ein.
Am Mittwoch packten die Ehrenamtlichen einen Laster mit 20 Tonnen Fracht bis unter die Decke voll. „Wir haben täglich direkten Kontakt zu den Koordinatoren in den Auffanglagern an der Grenze zur Ukraine in Chelm. Wir haben auch den direkten Kontakt innerhalb der Ukraine zu Unterkünften und ärztlichen Einrichtungen, deren Bedarf wir genau und tagesaktuell kennen. Diese Kontakte stammen von einem Besuch in Chelm durch Jürgen Pfliegensdörfer“, erläuterte Bianca Scholz.
Babys kommen im Lager zur Welt
Der pensionierte Kriminalbeamte war mit einem Hilfstransport der Polizeigewerkschaft unterwegs (wir haben berichtet) und ist zudem zweiter Vorsitzender des Vereins Tour der Hoffnung. Am Mittwoch saß er beim Pressetermin im Gabelstapler und verlud die letzten Paletten. Die Pakete sind passgenau verpackt und beschriftet: Hygieneartikel, warme Winterkleidung, Decken, Schlafsäcke, Isomatten, ein paar Lebensmittel, Wasserflaschen, Windeln und Zelte sowie Gartenpavillons treten die Reise nach Osten an.
Ein Teil davon wird schließlich im Auffanglager abgeladen, der Rest geht in die Ukraine, „in Einrichtungen, die wir kennen“, so Scholz. Durch den regelmäßigen Austausch mit den Verantwortlichen vor Ort wisse man genau, was gebraucht werde und könne sicherstellen, dass nichts versande.
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Durch die Rückmeldungen wisse man, wie dringend die Unterstützung benötigt werde. In den Lagern halten sich vorwiegend Frauen mit vielen kleinen Kinder auf, darunter Babys, die dort erst auf die Welt kamen. Auch für sie und die jungen Mütter benötige man Hygieneartikel.
Nachdem die letzte Palette verstaut war, gab es in der Halle zwar wieder ordentlich Stauraum. Aber allzu lange dürfte dieser Zustand nicht anhalten. „Das Netzwerk ist so groß und stark, dass wir von überall her Unterstützung erfahren und die Hilfsangebote bündeln und koordinieren – nicht zu vergessen die große Anzahl freiwilliger Helfer, die im Ehrenamt packen, transportieren und koordinieren. Dazu die Verpflegung der Helfer, aber auch ihre Versorgung mit Masken und Handschuhen. Alle halten zusammen. Es ist wirklich überwältigend“, konstatierte Bianca Scholz, die allen, die sich einsetzen, herzlich dankte.
40 000 Euro Spenden gesammelt
Für sie und ihre Mitstreiter sowie für Jürgen Pfliegensdörfer und die Tour der Hoffnung ist noch lange nicht Feierabend. Voraussichtlich Anfang nächster Woche wird ein weiterer Lastwagen Bensheim Richtung Kriegsgebiet verlassen. Die Macher denken aber längst zweigleisig. Tag für Tag kommen in der Region mehr Geflüchtete an, sie will man ebenfalls unterstützen.
Es wird deshalb weiter um Geldspenden geworben und öffentlich über das Projekt informiert. Immerhin kamen binnen einer Woche schon mehr als 40 000 Euro zusammen. „Damit können wir weiter im großen Stil besorgen, was gebraucht wird – sowohl in der Ukraine als auch vor Ort für die Familien, die wir an der Bergstraße aufnehmen“, bemerkte die Vorsitzende.
Wer Sachspenden abgeben möchte, soll sich direkt mit dem Verein unter Telefon 0171/9517657 in Verbindung setzen. Über die Abholung oder Koordination wird dann im jeweiligen Einzelfall entschieden. „Was nicht gebraucht wird, ist Kleidung. Aber davon abgesehen sind Hygieneartikel, Lebensmittel, die man ohne Besteck essen kann, Wasser, Verbrauchsmaterial eben, immer willkommen“, fasst Pfliegensdörfer zusammen.
Er steht mit Kontaktleuten im Ausland ebenso in Verbindung wie mit Entscheidungsträgern an der Bergstraße, darunter Landrat Christian Engelhardt. Wenn es darum geht, die Geflüchteten zu versorgen, die im ehemaligen Luisenkrankenhaus in Lindenfels unterkommen sollen, will man einen Beitrag leisten.
Das ehrenamtliche und uneigennützige Einbringen, das Zusammenstehen in dieser Kriegs- und Krisenzeit hilft somit nicht nur konkret in der Ukraine. Es ist auch ein Leuchtfeuer der Hoffnung aus unserer wohlhabenden Region. Die Bergstraße zeigt in diesem internationalen Schreckensszenario, was Nächstenliebe, Mitgefühl und Zusammenhalt bedeuten. Das stimmt zuversichtlich, denn die Herausforderungen dürften in der nächsten Zeit nicht kleiner werden. „Wir machen weiter und freuen uns über jede Hilfe, die wir erhalten“, kündigten Scholz und Pfliegensdörfer an.
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