Bensheim. Den Abschluss in der Tasche, aber die beruflichen Perspektiven fehlen noch? Eine frühe und umfangreiche Orientierung ist Gold wert, um die Brücke von der Schule ins Berufsleben besser meistern zu können. Denn viele Jugendliche setzen sich deutlich zu spät mit ihrem eigenen Berufswunsch auseinander. Außerdem sind die Möglichkeiten, Berufe in Echtzeit zu erleben, in der Regel auf wenige Praktika begrenzt.
Die Strahlemann-Stiftung aus Heppenheim bietet mit ihrem „Talent Company“-Konzept Schülern die Chance, die eigenen Stärken und Interessen zu erkunden und gleichzeitig praxisnahe Kontakte in die Wirtschaft zu knüpfen.
71 Schulen in ganz Deutschland sind bereits im Boot. Auch der Kreis Bergstraße hat das Potenzial des Konzepts erkannt. 2011 öffnete eine Talent Company an der Martin-Buber-Schule in Heppenheim, 2019 hatte Landrat Christian Engelhardt eine Kooperationsvereinbarung für fünf Talent Companies an der Bergstraße unterzeichnet. Mit der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) in Bensheim folgt nun der vierte Standort. Der Umbau geht gerade ins Finale. Zwei Räume werden umgebaut und zu einer großen Talent Company vereint. Am 26. November um 14.30 Uhr wird die zentrale Anlaufstelle offiziell eröffnet. Neben einem Seminar- und Workshopbereich gibt es eine Lounge für den lockeren Austausch von Schülern und Unternehmensvertretern. An separaten PC-Arbeitsplätzen können junge Leute online recherchieren und Bewerbungen schreiben.
Ein Fachraum für Berufsorientierung
Eine Talent Company ist ein institutionalisierter Fachraum für Berufsorientierung, erklärte Projektleiter Andreas Hofer am Dienstag im Forum der Kooperativen Gesamtschule, die mit rund 1500 Schülern in Haupt- und Realschule sowie einem gymnasialen Zweig genügend junge Köpfe anzubieten hat. Die Zielgruppe ist also vorhanden. Jetzt will die Stiftung weitere Partner aus der Wirtschaft gewinnen, um das Angebot dauerhaft etablieren und finanzieren zu können. Auch eine Synergiebildung mit regionalen Ausbildungsbetrieben wird angestrebt. Einige große Namen sind bereits dabei, darunter die GGEW AG und Dentsply Sirona.
Die kooperierenden Betriebe halten regelmäßige Workshops und Infoveranstaltungen in der Talent Company ab und bieten einen direkten Einblick in die Ausbildungsberufe – direkt vor Ort in der Schule. Mit dem Konzept will man Jugendlichen nachhaltig helfen, eine Entscheidung für den späteren Karriereweg zu treffen. Über die sogenannte Job Wall werden aktuelle Ausbildungsmöglichkeiten der Kooperationspartner kommuniziert. Ziel ist es nicht nur, den Jugendlichen zu helfen, ihre Talente beruflich zu nutzen, sondern außerdem Unternehmen aktiv im Kampf gegen den Fachkräftemangel zu unterstützen, so Andreas Hofer und seine Kollegin Jasmin Kugler vor Gästen aus regionalen Unternehmen.
Zukunftsperspektiven der Schüler verbessern
Schulleiter Thomas Stricker freute sich, einen neuen Qualitätsbaustein für den Bereich der Berufs- und Studienorientierung zu gewinnen, um dadurch die individuellen Zukunftsperspektiven der Schüler vor Ort zu verbessern. Die Geschwister-Scholl-Schule bereite ihre Schüler intensiv auf das Berufsleben vor. Durch ein breites Angebot sei man bestrebt, den Prozess der beruflichen Orientierung individuell zu begleiten und den Übergang in das Berufsleben zu optimieren. Neben berufsbezogenen Unterrichtsinhalten lege man großen Wert auf die Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern und Wirtschaftsunternehmen aus der Region. Berufsorientierung beginne bereits in Klasse fünf und werde ab Stufe sieben konkret, so Marcel Keller, der sich in der GSS federführend um dieses Thema kümmert. Die Talent Company richtet sich in erster Linie an die Klassen sieben bis zehn.
Unter den bisherigen Job-Wall-Partnern sind weiterhin die Wirtschafts-Vereinigung Bensheim, die Neumüller-Becker Unternehmensstiftung aus Heppenheim sowie deren Tochtergesellschaft OMS Prüfservice, die Hannewald-Stiftung und das Unternehmen workflow plus. Sie alle können in Workshops in den Austausch mit Jugendlichen treten, ihr Unternehmen vorstellen und konkrete Bedarfe signalisieren.
Andreas Hofer bezeichnet die Company als „Anker für Schüler“, der Halt und Sicherheit vermittle. Finanziert wird die Job Wall von den Unternehmen, die dafür 800 Euro im Jahr zahlen. Jeweils die Hälfte geht an den Förderverein der Schule, der mit dem Geld den Raum samt Ausstattung betreibt, und an die Stiftung. Einmal im Jahr findet ein Netzwerktreffen statt, um sich auszutauschen und das Angebot konstruktiv weiter zu entwickeln.
Laut Projektleiter genießen die Partner greifbare Vorteile: Über die Hälfte der Unternehmen haben dadurch mindestens einen Praktikumsplatz besetzt, mehr als 42 Prozent eine oder mehrere Ausbildungsstellen. Fast alle Betriebe hätten durch die Beteiligung eine dauerhafte Kooperation mit der jeweiligen Schule etabliert. Die Bildungshäuser wiederum setzten sich präventiv gegen Ausbildungsabbrüche und unbesetzte Ausbildungsplätze ein, was langfristig die Jugendarbeitslosigkeit verringere, so Hofer. Die ersten drei Jahre werden die Lehrer durch die Stiftung begleitet, danach finden regelmäßig Fortbildungen statt, die Pädagogen die Techniken und Methoden zur Moderation vermitteln, um Schüler bei der Berufsorientierung effektiv zu begleiten.
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