Jerusalem-Duo

Mystische Momente in der Synagoge in Auerbach

Hila Ofek an der Harfe und Andre Tsirlin am Sopran- und Altsaxofon ziehen das Publikum in ihren Bann.

Von 
Gerlinde Scharf
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In der Auerbacher Synagoge spielte das Jerusalem-Duo Hila Ofek und Andre Tsirlin klassische Lieder und jüdische Volksmusik. © Thomas Zelinger

Auerbach. Bereits zum vierten Mal gastierte das Jerusalem Duo in der ehemaligen Synagoge in Auerbach. Wie schon bei ihren vorherigen drei Konzerten – das letzte davon übrigens am 12. März 2020, zwei Stunden vor Verkündung des ersten Lockdowns – schafften es die beiden Ausnahmekünstler, das Ehepaar Hila Ofek an der Harfe und Andre Tsirlin am Sopran- und Altsaxofon, von der ersten Minute, vom ersten Ton an, eine persönliche und enge Beziehung zum Publikum herzustellen.

Und das nicht etwa, weil Tsirlin anfangs mit augenzwinkerndem Charme bekundete, dass die Synagoge „einen großen Platz in ihrer beiden Herzen“ einnehme, weil man hier vor Jahren das erste Mal in Deutschland überhaupt öffentlich aufgetreten ist.

Von Klassik bis Weltmusik

Es ist vielmehr die universelle Sprache der Musik, die direkte Interaktion mit den Zuhörern auf Augenhöhe und das bewusst ausgewählte, lebendige, berührende und manches Mal gar ekstatische, konventionelle Grenzen überschreitende Cross Over-Repertoire mit eigenen Arrangements von Klassik und jüdischer Volksmusik („unsere Wurzeln“) bis zur Weltmusik, das die Faszination ausmachte und den Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis machte.

Ein drei Jahre altes Kind sei es gewesen, so Andre Tsirlin, welches dem Musikprogramm des Jerusalem Duos den passenden Namen gegeben habe: Regenbogen – „man sieht alle Farben, aber man sieht nicht wo Anfang und Ende sind.“ Logisch, dass nach dieser kleinen Anekdote, unweigerlich das Lied „Somewhere over the rainbow“ folgte, das von der Hoffnung handelt, dass die schlimmen Zeiten irgendwann vorbei sein werden. Aktueller geht nicht!

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Dass das 2012 gegründete Jerusalem Duo mittlerweile zu den außergewöhnlichsten und innovativsten Ensembles der Kammermusikwelt zählt, zeigen die Lobeshymen in der überregionalen Presse und die vielen ersten Preise welche die klassisch ausgebildete Harfinistin und der Saxofonist als Solisten und im Duo bei internationalen Wettbewerben gewonnen haben. In ganz Europa und in Israel werden die Künstler zu Musikfestivals eingeladen.

Zwischen den einzelnen Musikstücken und den vielen ergreifenden, teils mystischen Momenten – beispielsweise bei dem „hebräischen Gebet ohne Text“, das Wünsche nach einer besseren Welt zum Ausdruck bringt – erklärt Andre Tsirlin dem Auerbacher Publikum die Besonderheiten ihrer beiden Instrumente und lässt es auch am Alltag des Duos teilhaben. So wie am ersten Treppenhaus-Konzert mit den Nachbarn zu Corona-Zeiten, das sage und schreibe 35 Treppenhaus-Konzerte in ganz Deutschland und eine Förderung der Hessischen Kulturstiftung nach sich gezogen habe.

Harmonisches Miteinander

Und der 35-Jährige berichtete weiter vom Auftritt am Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober 2017 im Mainzer Dom mit Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Steinmeier.

Eine Stunde lang ließen sich die Konzertbesucher in der ehemaligen Synagoge von dem harmonischen Miteinander von Harfe und Saxofon und der einzigartigen Sprache der Musik, die keine Worte braucht, mitreißen. Und wer bislang glaubte, die Harfe könne ihre Einzigartigkeit nur im Ensemble zum Ausdruck bringen und sei als eigenständiges Instrument ungeeignet, wurde von Hila Ofek und ihren wasserfallartigen, zarten, dann wieder beinharten Soli eines Besseren belehrt.

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Sehr persönlich wurde Tsirlin, als er von seiner Familie, seiner Geburt in Russland erzählte und wie dankbar er seinen Eltern für die frühe Immigration nach Israel ist. „Mich verbindet nichts mit Russland, außer die Sprache, die Literatur und die Musik“, formulierte er seine gespaltenen Gefühle und ergänzte: „Ich schäme mich für den Krieg gegen die Ukraine.“ Auch dafür dass er nach Deutschland gegangen ist, habe er sich oft erklären müssen, „aber wir Menschen funktionieren alle gleich, egal an welchen Gott wir glauben.“

Michael Löbl, stellvertretender Vorsitzender des Auerbacher Synagogenvereins hatte zu Konzertbeginn Künstler und Besucher begrüßt.

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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