Kommunalpolitik

Streit um Neubaugebiet an der Rodauer Straße in Fehlheim

Seit 2021 wird in Bensheim über die geplante Bebauung an der „Rodauer Straße Nord“ beraten. Nun hat die Stadtverordnetenversammlung den Bebauungsplan beschlossen, trotz Ablehnung des Fehlheimer Ortsbeirats.

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Alicia Diry
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Auf dieser Fläche an der Rodauer Straße Nord soll ein neues Wohngebiet entstehen. © Thomas Neu

Bensheim. Seit fast fünf Jahren sorgt die geplante Bebauung an der „Rodauer Straße Nord“ für Diskussionen. Was 2021 mit einer Bauvoranfrage für fünf Mehrfamilienhäuser begann, hat sich inzwischen zu einem politischen Dauerbrenner entwickelt. Immer wieder stand das Projekt auf den Tagesordnungen von Bauausschuss und Stadtverordnetenversammlung und hat dort zuletzt zu hitzigen Debatten geführt.

Erste Pläne und erste Bedenken

Den Ausgangspunkt bildete im Jahr 2021 die Bauvoranfrage für fünf Gebäude mit bis zu 40 Wohnungen auf rund 3300 Quadratmetern. Für den Fehlheimer Ortsbeirat war das ein außergewöhnlich großes Vorhaben. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss deshalb, die Entwicklung über einen Bebauungsplan zu steuern. Schon damals äußerte der Ortsbeirat seine Skepsis und forderte eine Bebauung in ortsüblicher Dichte und Kubatur.

Im Mai 2024 legte der Bensheimer Investor KB Immobilien ein erweitertes Konzept vor. Nun war von sechs Häusern mit insgesamt 43 Wohnungen die Rede, davon elf im sozialen Wohnungsbau. Die Grundstücksfläche wurde auf 4200 Quadratmeter vergrößert. Unterschiedliche Wohnungsgrößen und barrierefreie Zugänge sollten einen Nutzungsmix für verschiedene Altersgruppen ermöglichen.

Damals reagierte der Ortsbeirat mit deutlicher Kritik. Ortsvorsteher Stefan Stözel verwies auf die Vorgaben des Regierungspräsidiums Darmstadt. Im ländlichen Raum seien maximal 40 Wohneinheiten pro Hektar vorgesehen. Mit 43 Wohnungen auf nur 4200 Quadratmetern sei diese Grenze überschritten. Auch die geplanten Gebäudehöhen stießen auf Ablehnung. Statt drei sollten höchstens zwei Vollgeschosse plus Dachgeschoss erlaubt werden, um das Dorfbild zu bewahren.

Hinzu kamen Bedenken zur Infrastruktur, zu 70 Prozent Flächenversiegelung und zur geplanten Tiefgarage. Oberirdische Stellplätze waren nicht vorgesehen, die geringe Überdeckung der Garage lasse kaum eine Baumbepflanzung zu. Außerdem sprach sich das Gremium für den Erhalt der städtischen Streuobstwiese aus. Mit einer Reduzierung auf 26 statt 38 Wohneinheiten auf der ursprünglichen Fläche könne man sich abfinden, nicht aber mit der höheren Dichte.

Bauausschuss diskutiert über Dachformen und Energieversorgung

Ende August dieses Jahres verlagerte sich die Diskussion zunehmend auf Detailfragen. Besonders heftig wurde im Bauausschuss über die Dachformen gestritten. Die Stadtverordneten hatten im Mai 2024 noch Satteldächer vorgeschrieben, doch inzwischen setzte sich der Investor überwiegend für Flachdächer ein, um genügend Fläche für Photovoltaikanlagen zu schaffen. „Wir reden hier von 110 Kilowatt Strom. Alle Fakten sprechen dafür – von Umwelt über Energie bis zum Wohnkontingent“, betonte Altin Kalanxhi, Geschäftsführer von KB Immobilien.

Stadträtin Nicole Rauber-Jung verteidigte die Anpassung: „Es ist viel Geld in das Projekt geflossen. Diese Variante ist das Ergebnis aus April. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, das gilt alles nicht mehr, dafür fehlt mir jedes Verständnis.“ Von Seiten der CDU kam jedoch Widerspruch. Ingrid Schich-Kiefer kritisierte die wechselnden Beschlüsse und warnte vor einem Verlust an Verlässlichkeit. Kalanxhi verwies erneut auf die Dauer des Verfahrens: „Fast fünf Jahre Planung – wir sind dem Ortsbeirat in allen Punkten nachgekommen.“

Änderungsantrag der BfB scheitert klar

Unmittelbar vor der entscheidenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in der vergangenen Woche legte die BfB einen Änderungsantrag vor. Sie beantragte, die Bebauungspläne für die „Rodauer Straße Nord“ zunächst zurückzustellen und stattdessen eine gemeinsame Sitzung des Ortsbeirates Fehlheim, des Bauausschusses und des Investors einzuberufen. Ziel sei es, eine Lösung zu erarbeiten, die auch die Zustimmung des Ortsbeirates finde.

In der Begründung hieß es, der gesamte Ortsbeirat habe beide Vorlagen geschlossen abgelehnt. Für die BfB-Fraktion sei es eine schwierige Situation, über Beschlussvorlagen zu entscheiden, die vor Ort keine Akzeptanz fänden. Deshalb solle nochmals der Versuch unternommen werden, einen Kompromiss zu erreichen.

Doch die Stadtverordneten folgten diesem Kurs nicht. Der Antrag wurde mit 24 Nein-Stimmen, vier Enthaltungen und nur zehn Befürwortern deutlich abgelehnt.

Mehrheit setzt Magistratsvorlage durch

Die anschließende Debatte zeigte erneut die unterschiedlichen Linien der Fraktionen. Franz Apfel (BfB) machte deutlich: „Wir wollen als Bürger für Bensheim nichts unversucht lassen, doch noch eine gemeinsame Linie zwischen Ortsbeirat Fehlheim und Stadtverordnetenversammlung zu erreichen.“ Er kritisierte, dass der Ortsbeirat übergangen werde, obwohl dort Einigkeit bestehe. Unterstützung erhielt er von seiner Fraktionskollegin Ulrike Vogt-Saggau, die betonte, es sei Aufgabe der Stadtverordnetenversammlung, die Interessen der Bürger zu vertreten, und wenn der Ortsbeirat einstimmig dagegen sei, müsse das respektiert werden.

Von der CDU kamen gegensätzliche Töne. Bernhard Stenger sprach von einem „Trauerspiel“, weil fast fünf Jahre von der ersten Idee bis zum Beschluss vergangen seien. Zugleich betonte er, man müsse sich auch darüber freuen, dass neuer Wohnraum geschaffen werde. Tobias Heinz ergänzte, „Augen zu und durch ist das falsche Rezept“, mahnte jedoch zugleich, die Grundsatzbeschlüsse dürften nicht ignoriert werden.

Auch die SPD übte deutliche Kritik. Jürgen Kaltwasser sprach von einem „Paradebeispiel für eine völlig verkorkste Herangehensweise“. Über Jahre hinweg sei mit Investor und Dezernat B verhandelt worden, doch am Ende habe man zentrale Beschlüsse nicht konsequent umgesetzt.

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Die Grünen hingegen stellten sich hinter die Pläne. Thomas Götz lobte das Projekt als „nachhaltiges und zeitgemäßes Quartier“ und hob das Energiekonzept hervor. Damit treffe man „immer einen Nerv“ bei seiner Fraktion.

Die FDP pochte vor allem auf die Dringlichkeit. Thorsten Eschborn erinnerte daran, dass am 11. September der Tag der Wohnungslosen stattgefunden habe. Man könne entweder Wohnraum fordern oder Wohnraum schaffen, sagte er. Elf der geplanten 38 Wohnungen seien sozial gefördert, dazu komme ein fast autarkes Energiekonzept. Auch Lisa-Marie Blumenschein (FDP) unterstrich: „Es geht nicht nur um Fehlheim, sondern um ganz Bensheim. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum.“

Zweifel blieben jedoch auch bei den kleineren Fraktionen. Rolf Tiemann (FWG) kündigte an, seine Partei könne wegen der massiven Bedenken des Ortsbeirats nicht zustimmen. Ähnlich äußerte sich Rolf Kahnt (VuA), der betonte, der Ortsbeirat sei nicht grundsätzlich gegen eine Bebauung, doch seine Einwände müssten ernst genommen werden.

Am Ende setzten sich die Befürworter durch. Bei den getrennten Abstimmungen zur Magistratsvorlage votierten die Stadtverordneten zu Punkt A (Flächennutzungsplan) mit 27 Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen und drei Enthaltungen für die Vorlage. Bei Punkt B (Bebauungsplan „Rodauer Straße Nord“) gab es 26 Ja-Stimmen, neun Gegenstimmen und vier Enthaltungen.

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