Musiktheater

Standard-Folkrock in Bensheim ohne den gewissen Kick

Von 
Thomas Wilken
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Die Oysterband musste am Samstag bei ihrem Auftritt im Bensheimer Musiktheater Rex ohne ihren Geiger auskommen, der aus privaten Gründen verhindert war. Das wirkte sich auf die Songs aus, das Publikum hatte dennoch viel Spaß. © Thomas Zelinger

Bensheim. Dass mit Ian Telfer an der Geige einer der Mitgründer der Oysterband beim Konzert im Bensheimer Rex fehlte, war sehr bedauerlich. Eine andere Umbesetzung dagegen durfte vor Beginn noch sein großes Solo-Können zeigen: Cellist Ray Cooper, bereits bis 2013 ein Vierteljahrhundert Jahre lang Mitglied der Folkrockband. Ohne Geige waren die Songs aber genau das: Standard-Folkrock ohne den gewissen Kick.

Sänger John Jones ist dieses Mal gut drauf. Als die Gruppe vor drei Jahren in der früheren Güterhalle zu Gast war, hatte er noch ein paar stimmliche Probleme. Und auch Alan Prosser, wie er und Telfer eines der drei verbliebenen Gründungsmitglieder, zeigt sich auf der Höhe seines Schaffens. Besonders schön kommt das rüber, wenn er bei manchen Stücken die akustische Klampfe auspackt.

Auch ohne ihren Geiger, der bei seiner kranken Frau weilt, kann die Oysterband auf ihre eingeschworene Fangemeinde bauen. Die freut sich einfach nur, die Briten trotz Brexit wieder in Deutschland zu sehen. Dass die Truppe rein gar nichts davon hält, dass Großbritannien nicht mehr der EU angehört, macht der Sänger ein ums andere Mal ziemlich unverblümt deutlich.

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„Read the Sky“ heißt die aktuelle Scheibe, mit denen die fünf statt sechs Austern auf Tour sind. Gefälliger Folkrock, aber was die Zuschauer natürlich hören wollen, sind die Songs der beiden Klassiker-Alben: „Holy Bandits“ und „The Shouting End of Life“. Gerade letzterer Titelsong hat richtigen Abgeh- und Mitgrölcharakter und wird entsprechend gefeiert.

Die Geige fehlt

„By Northern Light“ ist ein gefälliges Stück. Bei dem steht – eigentlich – wie so oft in den Liedern die Geige im Mittelpunkt. Ohne die ist’s leider ein wenig gewöhnlich: eine beliebige Folkband aus irgendeinem britischen Pub. Die Fans sind trotzdem ein dankbares Publikum, das gerne in die Mitsingaufforderung einstimmt und dabei locker vergessen lässt, dass das Rex zwar gut gefüllt, aber weit weg von ausverkauft ist.

Bei „Native Son“ und dem „Uncommercial Song“ erhöht die Band deutlich die Schlagzahl. „Here Comes the Flood“ hat mit seinem dominanten akustischen Gitarrentönen was von Styx’ „Boat on the River“. Mal ausgesprochen fetzig, mal wieder ganz dezent, fast a cappella, eine Prise Folk, gewürzt mit etlichen Rock-Elementen, die das Salz in der Suppe sind: Die Austern können doch aus ihrer Wohlfühl-Schale raus – im Rahmen der geigenlosen Möglichkeiten.

Auch wenn die Lieder sowieso immer sehr gefällig sind, hat sich die Oysterband natürlich ihre größten Erfolge bis zum Schluss aufgehoben. „When I’m Up I Can’t Get Down“ ist der wohl bekannteste Hit, der mit dem Cover durch die kanadische Band „Great Big Sea“ noch größere Bekanntheit erlangte.

Wenn Jones die Ziehharmonika auspackt, die Mitgrölrefrains anstimmt, dann gibt’s kein Halten mehr. „Everywhere I Go“ findet als Singalong kein Ende. „Put Out The Lights“ dreht dann wirklich die Lichter auf der Bühne aus. Die Musiker hauen noch einmal so richtig rein zum Ende, was sich ins Auditorium überträgt. Die Zuschauer können nicht genug kriegen von der sympathischen Truppe.

Die hat an dem Abend im Bensheimer Musiktheater gezeigt, dass auch 47 Jahre nach der Bandgründung viel Feuer drinsteckt – wenn es denn angezündet wird. Geboten wird ein Rundumschlag aller Schaffensphasen von den Anfängen bis zum aktuellen Album. Und natürlich mit Mandoline, Akkordeon, Cello und Geige ein paar flotte Folk Tunes, wie es sich für eine anständige Folkband gehört.

Freier Autor Freier Journalist für Tageszeitungen im südlichen Kreis Bergstraße und Odenwaldkreis

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