Stadtverordnetenversammlung

Doch kein Standort für die Bibliothek in der Schwanheimer Straße

Die Alte Gerberei soll die einzige Adresse sein. Ob der Mietvertrag aufgelöst werden kann, ist bisher unklar. Ein anderer Vorschlag ist es im Neumarkt zu bleiben.

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Anna Meister
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Bensheim, Stadtbibliothek, neuer Standort, Schwanheimer Straße 151, ,, Bild: Thomas Neu © Thomas Neu

Bensheim. Könnte die Stadtbibliothek wieder in den Neumarkt ziehen? Die Anträge von Grünen und FWG über eine Prüfung hierzu sind in der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend gescheitert. „Wie kann man auf so eine Idee kommen? Das zeugt von einer gehörigen Portion Realitätsverweigerung“, machte Franz Apfel (BfB) seiner Empörung Luft. Immer wieder habe der Eigentümer bewiesen, dass er sich nicht an Absprachen halten kann.

Als großen Coup verkauft die Koalition indes ihren Antrag, der mehrheitlich angenommen wurde: Der Übergangsstandort Schwanheimer Straße 151, an dem ein Großteil der Medien und die Mitarbeitenden der Einrichtung über fünf Jahre untergebracht werden sollten, soll aufgegeben werden, die Stadtbibliothek ausschließlich in die Alte Gerberei ziehen. Grund: die hohen Kosten für die Herrichtung, deren Ausmaß die Vorstellungen der Stadtverordneten weit überschritten hätten.

Dafür muss also nun geprüft werden, ob der Mietvertrag mit dem Eigentümer ohne weiteres aufgelöst werden kann. Die Mietzahlungen für diesen Standort laufen bereits seit einigen Monaten. In der Alten Gerberei gibt es weder Platz für alle Medien der Einrichtung noch für das Personal. Hierfür müssten also sehr wahrscheinlich Arbeitsplätze angemietet werden.

Während die Befürworter ihre „kleine aber feine“ Lösung feiern, sehen die Gegner die Existenz der Stadtbibliothek dadurch weiter gefährdet – jeder weitere Tag, an dem die Institution geschlossen hat, tut dabei sein Übriges.

Verwaltung wendet „Salamitaktik als gängige Methode“ an

Der Suche nach einer Lösung geht meist die Suche nach einem Schuldigen voraus. Als solchen deutet nicht nur Rolf Tiemann (FWG) die Verwaltungsspitze der Stadt heraus. „Sie wenden die Salamitaktik als gängige Methode an.“ Wie die teure Wurst seien auch die Kosten für die Herrichtung der beiden Übergangsstandorte für die Bibliothek in hauchdünnen Scheiben vorgelegt worden.

520 000 Euro soll der Umzug inklusive aller dafür nötigen Umbau-, Renovierungs- und Installationsarbeiten kosten. Ein Betrag, der bei der Freigabe von 200 000 Euro durch die Stadtverordneten im Mai dieses Jahres noch nicht beziffert werden konnte. Der Grund: Für eine genaue Kostenschätzung braucht es detaillierte Vorarbeiten, Analysen und externe Gutachten.

Im Mittelpunkt der Stadtverordnetenversammlung stand die Diskussion um dem Umzug der Stadtbibliothek. Nun soll sie statt an zwei nur an einem Übergangsstandort, der Alten Gerberei (links) unterkommen. Der Mietvertrag für den Standort in der Schwanheimer Straße (rechts) soll wieder aufgelöst werden. Eine Rückkehr in den Neumarkt (Mitte) ist keine Option. © Thomas Neu

Diese Vorarbeiten erfordern Mittel und Ressourcen, die jedoch erst nach der Bewilligung eines Vorhabens zur Verfügung stehen. Im Frühjahr dieses Jahres waren die Kosten der Gesamtmaßnahme auf 212 000 Euro beziffert worden – allerdings ohne (dieses Wort ist in der Vorlage fettgedruckt) die Kosten für EDV und Beleuchtung.

Für Tiemann ist nicht nachvollziehbar, dass die Höhe der Kosten unvorhersehbar gewesen sei. „Immer wieder werden Kosten viel zu niedrig angesetzt, mit dem Hinweis, es könnte noch teurer werden.“ Wenn man dann bereits viel Geld investiert habe, sei die Hemmschwelle höher, Projekten eine Absage zu erteilen. Rolf Kahnt (VuA) wandte ein, die Stadtverordneten hätten, was die Kostenentwicklung angeht, kritischer nachfragen müssen.

Eigentümer hat Behebung der Missstände im Neumarkt zugesagt

Zu gutgläubig, so Tiemann, sei man auch gewesen, als man der Aussage Glauben geschenkt habe, die beiden Standorte seien die einzige Option. Die Alte Gerberei sei allein aus Platzgründen nicht als alleiniges Zuhause der Einrichtung geeignet. Die FWG und die Grünen – bis auf Sina Glock, die für den Koa-Antrag stimmte – , sehen die Lösung im Verbleib in Neumarkt.

Der Eigentümer, Blackrock-Geschäftsführer Murat Karakaya, habe in einer E-Mail glaubhaft dargestellt, die Missstände bis im Frühjahr kommenden Jahres beseitigen zu können, so dass die Bibliothek dann wieder öffnen könne, sagte Doris Sterzelmaier (Grüne). Diese Aussage löste Kopfschütteln bei Bürgermeisterin Christine Klein, im Gremium ungläubiges Gelächter aus. Absichern wollten die Fraktionen das Vorhaben unter anderem mit Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung. Im November sollte die Stadtverordnetenversammlung anhand ihrer neuen Erkenntnisse entscheiden.

Dass im Neumarkt immer wieder die Energiezufuhr abgestellt wurde, weil der Eigentümer über Monate nicht zahlte (wir haben berichtet) oder beinahe jährlich Wasserschäden in der Bibliothek auf der Tagesordnung standen, scheint den Antragsstellern noch nicht Warnung genug gewesen zu sein. Sie wünschten sich einen letzten, abgesicherten Versuch, dem eine klare Absage erteilt wurde.

"Der Vermieter hat uns eiskalt im Stich gelassen"

Tobias Heinz (CDU) betonte: „Der Neumarkt war ein guter Standort. Wie sollen aber plötzlich alle Probleme, die es dort seit Jahren gibt, in nur wenigen Wochen gelöst werden? Der Vermieter hat über Jahre seine Pflichten verletzt.“ Daran werde sich bei allem guten Willen wenig ändern. Zumal der Umzug der Stadtbibliothek seit Monaten beschlossene Sache ist.

Natürlich wäre man am liebsten im Neumarkt geblieben, so Adriana Filippone (SPD). „Der Vermieter hat uns aber eiskalt im Stich gelassen.“ Mit dem Änderungsantrag der Koalition falle ihr ein Stein vom Herzen. Denn so viel Geld in die Schwanheimer Straße 151 zu investieren – ein reines Mietobjekt – habe der SPD schwer im Magen gelegen. „Wenn man schon so viel Geld in die Hand nimmt, dann bitte für eine städtische Immobilie. Mit der Alten Gerberei als alleinigem Standort bekennen wir uns klar zur Innenstadt.“

Bensheim; Neumarkt; Stadtbibliothek; Bild: Dietmar Funck © Dietmar Funck

Den Platzmangel plant die Koalition einerseits durch die Lagerung von Medien im Untergeschoss des Gebäudes und durch die Auslagerung der ursprünglich in der Gerberei vorgesehenen Veranstaltungen an andere Innenstadt-Standorte wie die Alte Faktorei, das Museum oder das Parktheater entgegenzuwirken. Für die Mitarbeitenden sollen unterdessen Arbeitsplätze anderswo bereitgestellt – sprich angemietet – werden. Auf Angebote wie die „Bibliothek der Dinge“ geht der Antrag nicht ein.

„Wunder des Alltags“ vs. „Katastrophe“

Als ein „Wunder des Alltags“ pries Lisa Marie Blumenschein (FDP) die „Lösung“ der Koalition an, die im Wesentlichen darauf fußt, einen Standort aus Kostengründen ersatzlos zu streichen und darauf zu hoffen, dass der bestehende Mietvertrag in der Schwanheimer Straße unkompliziert aufgelöst werden kann. „Wir müssen diesen Ort hinter uns lassen und mit der Alten Gerberei eine Bibliothek mitten im Leben schaffen. Durch den alleinigen Standort haben wir die volle Kontrolle und können unsere Ressourcen sinnvoll lenken.“

Thomas Götz (Grüne) bezeichnete den Antrag hingegen als „Katastrophe“: Die Stadtbibliothek müsse ihre Medien in vollem Umfang anbieten können, um ihren Charakter und ihre Stellung in der Region nicht zu verlieren. „Wie kann man aber nach dieser Vorgeschichte darauf kommen, der Neumarkt sei noch immer eine Option?“, fragte Franz Apfel.

Man habe sich von dem Schauspiel des Eigentümers, Großes für die Stadt vorzuhaben, blenden lassen. Wer die Aufstellung der baulichen Mängel des Neumarktes kenne, könne nicht ernsthaft an einen Verbleib dort denken. Gleichzeitig zeigte sich Apfel irritiert über die Euphorie der Koalition. „Es werden keine Ideen geliefert, wie der Mietvertrag für die Schwanheimer Straße aufgelöst werden soll.“

Raumangebot in den umliegenden Kulturstätten sei begrenzt

Die Angebotsfläche verkleinere sich dadurch enorm. Das sei weniger die Schaffung eines „kleinen aber feinen Angebotes“ als ein Anerkennen der Realität. Und die sehe möglicherweise so aus, dass sich die Stadt künftig nur noch dieses kleine Angebot leisten könne. „Wäre von Beginn an klar gewesen, wie teuer das Vorhaben mit zwei Standorten wird, hätten wir dem niemals zugestimmt. Die Intransparenz zieht sich wie ein roter Faden durch das Projekt“, kritisierte er. Aber wie sagt man so schön: Hinterher ist man immer schlauer. Letztlich stimmte die Fraktion dem Koa-Antrag zu, wenn auch nicht gerade euphorisch.

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„Mit dem Neumarkt reiten Sie ein totes Pferd“, stellte sich auch Rolf Kahnt hinter die Ein-Standort-Lösung. Die Mängel seien so desaströs, man könne keinen einzigen Gedanken daran verschwenden. Vielmehr müsse die Stadt bescheidener mit ihrem Anspruch an die Bildungseinrichtung werden – und ein kleines Angebot sei besser als keins. Für fraglich hält er allerdings, ob die Stadt bei dem bestehenden Mietvertrag „mit einem blauen Auge davonkommt“.

Götz sieht in der Entscheidung das Todesurteil der Institution. Wenn der Bestand nicht in vollem Umfang genutzt werden könne, würden auch keine Neuanschaffungen getätigt, das Angebot veralten. Fraktionskollegin Sterzelmaier merkte abschließend an, neben fehlendem Platz für die Mitarbeitenden sei auch das Raumangebot in den umliegenden Kulturstätten begrenzt. „Das zeigte zuletzt der Vortrag zum Baßmannpark, bei dem viele Leute nach Hause gehen mussten, weil der Saal überfüllt war.

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