Bensheim. Heute öffnet die Stadtbibliothek Bensheim offiziell ihre Türen in der Alten Gerberei. Nach monatelangen Umbauarbeiten, provisorischen Zwischenlösungen und heftigen politischen Diskussionen bekommt die Stadt damit wieder eine öffentliche Bibliothek – wenn auch in deutlich kleinerem Umfang als früher. Die neue Heimat im historischen Gebäude an der Platanenallee markiert einen Neuanfang. Denn die Bensheimer Stadtbibliothek hat in den vergangenen Jahren eine wechselvolle Geschichte durchlaufen, die von Standortproblemen, politischen Auseinandersetzungen und finanziellen Belastungen geprägt war. Was als Notwendigkeit begann – der Auszug aus dem maroden Neumarkt-Center – entwickelte sich zu einer kommunalpolitischen Dauerbaustelle mit immer neuen Wendungen.
Der schwierige Standort im Neumarkt
Beheimatet war die Stadtbibliothek seit 2010 im Neumarkt. Bereits seit 2011 kam es dort immer wieder zu gravierenden Problemen: Wassereinbrüche, Schimmelbefall, Schäden am Estrich sowie wiederholte Abstellungen von Strom, Gas und Wasser machten den Betrieb zunehmend unzumutbar.
Im Juli 2023 führte ein erneuter massiver Wasserschaden zur Schließung der Einrichtung in der Innenstadt. Der Eigentümer kam seinen Instandhaltungspflichten über Jahre hinweg nicht nach, so dass die Stadt gezwungen war, nach Alternativen zu suchen. Mit der im Mai dieses Jahres eröffneten Insolvenz des Neumarkt-Eigentümers war endgültig klar, dass der Standort keine Zukunft mehr haben sollte.
In der Folge entwickelte die Stadt ein Übergangskonzept, das zunächst zwei Standorte vorsah. Der Großteil des Bestands und die Arbeitsplätze für die Mitarbeiter sollten in einem Bürogebäude in der Schwanheimer Straße 151 untergebracht werden, während die Alte Gerberei in der Innenstadt als kleinere Anlaufstelle für Kinder- und Veranstaltungsangeboten dienen sollte. Dieses Modell erhielt anfangs breite Unterstützung, auch weil Fachstellen und externe Gutachter es als praktikable Zwischenlösung einschätzten – verbunden mit der Empfehlung, mittelfristig eine zentrale Innenstadtlösung anzustreben.
Schon bald zeigte sich jedoch, dass die ursprüngliche Kostenschätzung von 200.000 Euro für den Umzug und die Herrichtung nicht zu halten war. Zusätzliche Auflagen für Umbauten, Elektroinstallationen, Beleuchtung führten zu einer massiven Kostensteigerung. Am Ende stand eine Summe von rund 520.000 Euro im Raum. Kritiker aus der Politik sprachen von einer „Salamitaktik“ seitens der Verwaltung, die die Kosten „scheibchenweise“ nachgereicht habe, um Mehrheiten zu sichern. Die Verwaltung wies dies zurück und erklärte, dass genaue Zahlen erst nach Vorarbeiten und Gutachten hätten ermittelt werden können.
Politische Kehrtwende im vergangenen Herbst
Im Herbst 2024 kam es schließlich zu einer politischen Kehrtwende. Angesichts der explodierenden Kosten und Sicherheitsmängel an der Blitzschutzanlage des Gebäudes in der Schwanheimer Straße, die das Haus aus Sicht der Stadt als unsicher und nicht versicherbar erscheinen ließen, entschied die Stadtverordnetenversammlung, den Standort aufzugeben. Stattdessen sollte die Stadtbibliothek vollständig in die Alte Gerberei umziehen. Die Kündigung des Mietvertrags für die Schwanheimer Straße führte zur Klage des Eigentümers, für die die Stadt vorsorglich Rücklagen gebildet hat. Nach wie vor befindet sich die Verwaltung allerdings in Gesprächen mit dem Eigentümer. Ziel von Seiten der Stadt ist es, eine einvernehmliche n Lösung in der Angelegenheit zu erreichen.
Die Entscheidung für die Alte Gerberei stieß auf geteiltes Echo. Die Befürworter, vor allem CDU und SPD, lobten die Lösung als pragmatisch, kostenschonend und als klares Bekenntnis zur Innenstadt. Die Gegner, allen voran Grüne, FWG und VuA, warnten vor einem Bedeutungsverlust: Das Gebäude sei zu klein, nicht barrierefrei und biete weder genug Platz für den vollen Bestand noch für größere Veranstaltungen.
Umbauarbeiten begannen Ende 2024
Die Umbauarbeiten in der Alten Gerberei begannen schließlich Ende 2024. Neben einer kompletten Erneuerung der Elektrik und Beleuchtung wurden die Bühne umgestaltet, eine Sitzstufen für Kinderveranstaltungen eingebaut und die große Theke im Erdgeschoss zurückgebaut, um Platz für zusätzliche Regale zu schaffen. Auf der Galerie befinden sich Lese- und Arbeitsplätze sowie eine Zeitschriften- und Sachbuchabteilung.
Trotz dieser Maßnahmen bleibt die Lösung mit Einschränkungen verbunden. Die Alte Gerberei ist nicht barrierefrei, Aufzüge fehlen, so dass Teile des Bestands für mobilitätseingeschränkte Besucher nicht erreichbar sind. Arbeitsplätze für die Mitarbeiter müssen teilweise in anderen städtischen Immobilien eingerichtet werden, da die Fläche nicht ausreicht.
Seit Anfang August begann schließlich der Umzug in die Alte Gerberei. Auch wenn sich der neue Standort in der Innenstadt befindet, bleibt er vermutlich nur eine Zwischenlösung. Politisch herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Bibliothek langfristig in einer zentralen, vollwertigen Immobilie zusammengeführt werden muss, um ihrem Anspruch als kultureller Mittelpunkt gerecht zu werden. Ob die Alte Gerberei sich in den kommenden Jahren als pragmatischer Übergangsort bewährt, wird die Zeit zeigen.
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