Bensheim. „Und neues Leben blüht aus Ruinen“, schrieb der damals amtierende Bensheimer Bürgermeister Joseph Treffert anlässlich der feierlichen Wiedereröffnung und der Weihe der Stadtpfarrkirche St. Georg am 13. August 1950 im Bergsträßer Anzeiger, damals noch das Bergsträßer Anzeigeblatt. Nicht nur für die katholische Gemeinde, sondern auch für die Bensheimer Stadtgesellschaft war dieser Tag ein großes Ereignis.
„Als in den letzten Kriegstagen im Jahre 1945 neben verschiedenen Geschäftshäusern in der Hauptstraße, neben dem Kloster und dem Rathaus auch die katholische Pfarrkirche dem durch Feindeinwirkung verursachten Großbrand zum Opfer fiel, sank ein Zeuge der kulturgeschichtlichen Epoche der Stadt Bensheim in Schutt und Asche.“
Vom erst wenige Jahre zuvor restaurierten Inneren der Kirche blieben nach dem 26. März 1945 lediglich die kargen Mauern übrig, das bereits damals unter Denkmalschutz stehende Bauwerk mit seinem hoch in die Lüfte ragenden Turm war nur noch eine Ruine. Dass die Kirche an ihrem historisch bedeutsamen Standort wieder aufgebaut werden soll, war schnell klar. „Manche Schwierigkeiten mussten aus dem Weg geräumt werden, um mit der Wiederherstellung zu beginnen“, schrieb Treffert.
Geebnet wurde der Weg durch den Stadtpfarrer Joseph Kallfelz, die Umsetzung des Vorhabens lag ab 1949 weitestgehend bei seinem Nachfolger Ludwig Karl Haenlein. „Innerhalb eines Jahres ist es ihm gelungen, die Kirche soweit herzustellen, dass dort wieder Gottesdienst gehalten werden kann.“
Über den Stil des Neubaus von St. Georg verlor der damalige Rathauschef viele blumige Worte: „Wenn das Werk einmal vollendet ist, wird es der Stadt Bensheim zur Zierde gereichen. Durch den Umbau und besonders durch den Bau von vier Türmen wirkt die Kirche außerordentlich imposant und gibt dem Stadtbild sein besonderes Gepräge. Wer vom Ried nach Bensheim kommt oder wer von den nahegelegenen Hügeln und Bergen den Blick über die Stadt schweifen lässt, wird immer wieder die Stadtkirche bewundern, ohne die man sich das Bensheimer Stadtbild nicht denken kann.“
Preisausschreiben zur Neugestaltung des Marktplatzes?
Schon 1950 stellte Bürgermeister Treffert sich die Frage, inwiefern sich der neue „wuchtige und imposante“ Bau von St. Georg in die Umgebung des Marktplatzes fügt. „Wenn erst die ausgebombte Schule und der daneben liegende Platz eine Umgebung erfahren haben werden, muss es an die Neugestaltung des Marktplatzes gehen.“ Im Stadtparlament und der Presse sei bereits eifrig diskutiert worden, hierfür ein Preisausschreiben auszusetzen. „Damit im Zusammenhang steht die Frage, ob das verbomte Rathaus gänzlich verschwinden und den Blick freimachen soll auf die neue Kirche oder ob es in dieser oder jenen Form in das Stadtbild eingegliedert werden soll.“
Immer wieder gab es in den Folgejahren Vorstöße zur Gestaltung des Marktplatzes, so ähnelten etwa Entwürfe aus 1969 den Ideen, die im Rahmen des Ideenwettbewerbs 2024 gesammelt wurden (wir haben berichtet). Die haben sich im Angesicht der finanziellen Probleme der Stadt allerdings auf unabsehbare Zeit zerschlagen: Trotz des Defizits stimmten die Stadtverordneten 2024 mehrheitlich für eine Vorlage der Verwaltung, die dem Ideenwettbewerb ein „würdiges Ende“ bringen sollte und gleichzeitig die Grundlage für weitere Planungen liefert. Wann beziehungsweise ob es einen Realisierungswettbewerb geben wird, ist allerdings völlig unklar. Vorerst bleibt der „Marktplatz der Zukunft“ der Marktplatz der Gegenwart.
Ein Fahnenmeer und Tausende Gläubige
Aber zurück in die Vergangenheit: Bürgermeister Treffert rief die Bensheimerinnen und Bensheimer anlässlich der Wiedereröffnung von St. Georg dazu auf, ihre Häuser zu beflaggen. Dem kamen die Menschen bereitwillig nach: Im Bericht zur Wiedereröffnung im Bergsträßer Anzeigeblatt ist von einem Fahnenmeer und Tausenden von Gläubigen die Rede, die zur Feier mit dem „Oberhirten“ der Diözese Mainz, Bischof Dr. Albert Stohr, nach Bensheim gekommen waren. Der Andrang zu den Feierlichkeiten war so groß, dass die Ansprache und die Messe in St. Georg mit Lautsprechern auf den Kirchenvorplatz übertragen wurden. Auch die feierliche Vesper und die Ansprache des Bischofs erfolgten vor der Kirche.
Abschließend fand Treffert noch einige mahnende Worte: „Die hochragenden Türme mögen Jahrhunderte überdauern und kommende Generationen mahnen, den Frieden zu erhalten, damit sich nicht die Ereignisse des letzten Weltkrieges wiederholen und die schöne Kirche vielleicht wieder in Schutt und Asche sinkt.“
Am 15. Oktober 2023 hat die Kirchengemeinde St. Georg anlässlich „70 Jahre Vollendung Wiederaufbau St. Georg“ ein Festamt mit Weihbischof Dr. Udo Bentz gefeiert, verbunden mit dem Abschluss der Außenrenovierung des Westwerks der Kirche. Im Anschluss gab es noch ein Gemeindefest rund um die Kirche, und in Zusammenarbeit mit dem Museum der Stadt Bensheim wurde auch die Ausstellung „Bensheimer Kostbarkeiten“ eröffnet. Am 13. August 2025 ist vonseiten der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist an der Bergstraße keine Veranstaltung geplant.
Weitere Informationen zur baulichen Geschichte von St. Georg
Schon 771 ist am heutigen Standort von St. Georg eine dem heiligen Michael geweihte Kirche belegt. Im 12. Jahrhundert wurde dann ein dem heiligen Georg geweihter Neubau errichtet, eine flachgedeckte Pfeilerbasilika mit fast quadratischem Langhaus und fünf Arkaden. Vor dem Westgiebel erhob sich ein fünfgeschossiger Turm, der im 16. Jahrhundert um ein weiteres Geschoss und eine spitze Turmhaube ergänzt wurde. In der Spätgotik folgte ein größerer Chor mit Maßwerkfenstern, dazu kamen eine Sakristei im Norden und eine kleine Kapelle im Süden. Im 17. Jahrhundert wurden Emporen eingebaut, um mehr Platz zu schaffen.
Schon im frühen 18. Jahrhundert drängte man wegen Platzmangel und baulicher Mängel auf einen Neubau, der jedoch erst 1826 begann. Der Darmstädter Architekt Georg Moller plante eine streng klassizistische Kirche nach dem Vorbild der römischen Basilika San Paolo fuori le mura. Der romanische Westturm blieb zunächst erhalten. Unter Leitung von Ignaz Opfermann und Karl Balthasar Harres entstand bis 1830 ein dreischiffiger Bau mit halbrunder Apsis und korinthischen Säulen, die ein Tonnengewölbe trugen. Die Belichtung erfolgte durch hohe Rundbogenfenster in den Seitenschiffen.
Rund 40 Jahre später nahmen die Mainzer Dombaumeister Cuypers und Lucas größere Veränderungen vor: Sie verlängerten das Langhaus und ersetzten das Tonnengewölbe durch eine kassettierte Holzdecke, wodurch das ursprüngliche Raumkonzept verändert wurde. Zwischen 1939 und 1942 erfolgte eine Restaurierung.
Am 26. März 1945 wurde die Kirche durch Brandbomben fast vollständig zerstört; nur Teile des mittelalterlichen Turmes blieben stehen. Beim Wiederaufbau in den Jahren 1949 bis 1953 orientierte man sich weitgehend an Mollers Entwurf, schuf aber ein neues Westwerk mit zwei Türmen, die er bereits in seinem ersten Plan vorgesehen hatte. So entstand eine äußere Gestalt mit romanischen Anklängen, während im Innern das klassizistische Erscheinungsbild – später durch Schaumstoffkassetten an der Decke verstärkt – weitgehend wiederhergestellt wurde.
Im und am Bau sind bis heute bedeutende Kunstwerke erhalten: Spolien aus der Vorgängerkirche wie ein Löwenrelief und ein Lamm mit Kreuzfahne, ein von Moller entworfenes Weihwasserbecken, ein barocker Steinkruzifixus, mehrere Heiligenfiguren aus dem 16. Jahrhundert sowie zwei Nazarener-Altarbilder von Philipp Veit und Johann Schraudolph aus den 1830er Jahren. Die Glocken stammen aus dem Jahr 1778, die große Orgel von 1963.
Die St.-Georgs-Kirche ist ein städtebauliches Wahrzeichen Bensheims und zählt zu den wichtigsten klassizistischen Sakralbauten in Südhessen. Zugleich ist sie ein prägnantes Beispiel für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem historische Elemente und neue architektonische Lösungen zu einem einzigartigen Gesamtbild verschmolzen sind. Quelle: Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Marktplatz 11: Kath. Pfarrkirche St. Georg, In: DenkXweb, Online-Ausgabe von „Kulturdenkmäler in Hessen“.
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