Sommerbühne

Sommerbühne in Bensheim eröffnet

Von 
Eric Horn
Lesedauer: 
Das PiPaPo-Ensemble präsentierte am Samstagabend auf der Sommerbühne am Wambolter Hof in Bensheim eine erstklassige Loriot-Revue – vor 80 begeisterten Zuschauern. © Thomas Neu

Bensheim. Holleri du dödl di oder doch Holleri di dödl du? Es dauert eine Zeit lang, bis Dr. Vogler seine Schülerin Frau Hoppenstedt diesen feinen Jodel-Unterschied erklärt hat. Dass Frau Hoppenstedt bei der nächsten Sprechübung das „zweite Jodel-Futur bei Sonnenaufgang“ (dö dudl dö) falsch anwendet, ist nicht verwunderlich, schließlich steht sie erst am Anfang ihrer Ausbildung zur Diplom-Jodlerin.

In zwei Jahren hofft Frau Hoppenstedt, das Jodel-Diplom in der Tasche und somit „etwas Eigenes“ zu haben, wenn die „Kinder mal aus dem Haus sind“, erklärt sie im Interview mit dem Reporter Herr Schmoller im Anschluss an den Unterricht. Klar: Das groteske Jodel-Stück ist ein Loriot, eines von vielen Meisterwerken des Chronisten der absurden Komik deutscher (Spieß-)Bürgerlichkeit aus vergangenen Tagen.

Premiere vor 80 Zuschauern

Das PiPaPo-Theater hat einige der besten Sketche des Vicco von Bülow (Loriot) auf seiner Sommerbühne am Wambolter Hof zu einer launigen Revue zusammengefasst. Am Samstag feierte die Loriot-Show an einem wunderbaren Sommerabend Premiere vor rund 80 bestens unterhaltenen Zuschauern.

Das zehnköpfige PiPaPo-Ensemble lief unter der Regie von Jürgen Rehm zu Hochform auf. Fast schon beängstigend gut schlüpfte der grandiose Rainald Methlow in viele Loriot-Rollen. Ob als Lottomann Erwin Lindemann, als Gewinner eines Preisausschreibens („Brat fettlos mit Salamo ohne“) im klassischen Konzert, als Restaurantbesucher („Schmeckts?“) oder als Ehemann mit der „Graugrünen ins Bräunliche gehenden“ Lieblingsfarbe bei der Paartherapie - Methlow gelang es stets, seinen Figuren den passenden Gestus zu verleihen. Ein Highlight des Abends war das Lotto-Ding, in dessen Verlauf nicht nur Erwin „Lottermann“ den Überblick über seinen Namen, sein Alter (66) sowie die Höhe des Lottogewinns (500 000) verlor. Zudem war sich Erwin unter dem gnadenlosen Druck der TV-Aufnahme-Klappe nicht mehr sicher, wer denn nun mit dem Papst in Island, Rom oder Wuppertal in 66 Jahren eine Herren-Boutique eröffnen wollte.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Eine weitere Attraktion war Carolin Banasek-Richter als Fernsehansagerin. Der kurze Abriss zu den verworrenen Handlungssträngen der fiktiven englischen TV-Serie „Die Cousinen“ zwischen „North Cothelstone“ und „Nether Addlesthorpe“ entwickelte sich zu einem th-Laut-Feuerwerk, das das Publikum zum Toben brachte.

Den Streit zwischen Erich Blümel (Dirk Jäkel) und Walter Hoppenstedt (Hendrik Seidl) um die exakte Definition eines halben Kosakenzipfels vermochten auch die Ehefrauen Blümel (Tanja Weber) und Hoppenstedt (Lena Seidl) nicht zu schlichten. Der Disput endete mit wüsten Beschimpfungen („Jodelschnepfe“) und der Aufkündigung des vertraulichen Du. Schlimm - und höchst amüsant.

Eine Journalistin (Jana Meister) musste statt mit einem Astronauten ein Interview mit einem Verwaltungsinspektor (Matthias Lorenz) führen - der vorbereitete Astronauten-Fragenkatalog wurde dennoch knallhart durchgezogen. Schnellste Beschleunigung? Von Null auf Hundert in 18 Sekunden mit dem Auto. Größte Entfernung zur Erde während der Berufsausübung? Dritter Stock.

Mehr zum Thema

Wambolter Hof

Premiere für die Sommerbühne am Wambolter Hof in Bensheim

Veröffentlicht
Von
Gerlinde Scharf
Mehr erfahren

Legendäre Loriot-Szenen einer Ehe standen ebenfalls auf dem Spielplan. Die Diskussion über die Messung (Uhr oder Gefühl) der viereinhalb-minütigen Kochzeit eines Frühstückseis zwischen Rainald Methlow und Carolin Banasek-Richter, in Kittelschürze und mit irrer Perücke, endete mit einer Morddrohung. „Ich bringe sie um.“

Hermann (Jürgen Rehm) wollte einfach nur sitzen, was seiner Ehegattin (Tanja Weber in Kittelschürze und mit irrer Perücke) nicht wirklich passte. Das führte zu allerlei Vorschlägen zur sinnvollen Freizeitgestaltung und mündete in einem lauten Aufschrei Hermanns: „Ich schreie nicht!“

Das schiefe Bild

Jürgen Kotrade trug einige der schönsten Miniaturen Loriots vor. Als Literaturkritiker lobte er die sprachliche Reife eines Meisterwerks, das sich als DB-Fahrplan entpuppte und den Zuhörer in wohlfeilen Formulierungen von Landau über Pirmasens bis nach Saarbrücken lotste. Die Steuerermäßigungen, die Loriot vor vielen Jahrzehnten für 97-jährige Angestellte mit 56 Kindern errechnet hatte, waren damals übrigens in etwa gleicher Höhe auf fünfjährige Angestellte mit 124 Kindern übertragbar, wie Kotrade in schönstem Beamtendeutsch referierte.

Der tosende Schlussapplaus riss die Besucher aus der wundervoll-aberwitzigen Loriot-Welt. Der Ausblick auf das nahe Neumark-Center sorgte für einen irgendwie unsanften Aufschlag in der Gegenwart. Och nö, Kinder, musste das sein, dachte man bei diesem Anblick noch ganz gefangen im Loriot-Duktus. Plötzlich schoss einem ein destruktives Loriot-Kurzdrama in den Kopf: Das schiefe Bild.

Redaktion

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

  • Winzerfest Bensheim