Bensheim. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, sowohl aus der evangelischen als auch aus der katholischen. Mit sinken der Mitgliederzahl sinken auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer, was die Institutionen unter großen finanziellen Druck setzt. Die Kirchen in Hessen müssen bereits bis zum Jahr 2035 mit einem Rückgang der kirchensteuerzahlenden Mitglieder von bis zu 30 Prozent rechnen (bezogen auf das Jahr 2020). Die Spielräume werden kleiner, was Änderungen nach sich zieht.
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So auch in der evangelischen Kirchengemeinde Schönberg/Wilmshausen: Als erste Kirchengemeinde trat man dort an die Stadt Bensheim beziehungsweise den Eigenbetrieb Kinderbetreuung heran mit dem Wunsch, das Kita-Gebäude abzugeben. Die Stadtverordnetenversammlung stimmte bei der vergangenen Sitzung dafür, dass das Gebäude im Erbbaurecht an die Stadt übergeben wird.
Die Zuständigkeit für das Grundstück und Gebäude liegt dann vollumfänglich in der Verantwortung des Eigenbetriebs. In den mit den Kirchengemeinden abgeschlossenen Verträgen ist bisher für kircheneigene Gebäude geregelt, dass der kirchliche Finanzierungsanteil bei 15 Prozent für die bauliche Unterhaltung je Maßnahme bis 10 000 Euro und 50 Prozent für Maßnahmen über diesem Betrag liegt.
Übernahmen in anderen Kommunen bereits Praxis
Die Übernahme von kirchlichen Gebäuden wurde bereits in anderen Kommunen praktiziert. In Bensheim ist der Verwaltung zufolge davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren noch weitere Kirchengemeinden Anträge auf Übernahme der Kita-Gebäude durch die Stadt stellen werden. In kirchlichem Eigentum befinden sich derzeit acht Kita-Gebäude, weitere sechs sind schon immer im Eigentum der Stadt und werden den Kirchengemeinden zur kostenfreien Nutzung für den Kita-Betrieb überlassen.
Aufgrund des hohen Bedarfs an Kitaplätzen kann auf bestehende Einrichtungen nicht verzichtet werden. Schönberg und Wilmshausen bilden gemeinsam mit Gronau und Zell eine Pfarramtliche Verbindung. In Gronau und Zell befinden sich die Gebäude der Kita schon immer im Eigentum der Stadt. Wegen der guten Erfahrung in der Kooperation mit dem Eigenbetrieb wird auch für die Kita Schönberg/Wilmshausen eine Gleichbehandlung gewünscht.
Begründet wird das durch den Rückgang der Kirchenmitglieder und vor allem der Ehrenamtlichen, die in Vergangenheit bereit waren, Arbeiten und Verantwortung zu übernehmen. Die Trägerschaft soll allerdings wie bisher kirchlich bleiben.
Stadt ist mit Übernahme vollumfänglich verantwortlich
In der Kita können bis zu 50 Kinder im Alter von zwei Jahren bis zum Schuleintritt betreut werden. Die zweigruppige Einrichtung ist ein wichtiger Baustein im Betreuungsangebot und soll auf keinen Fall wegbrechen, was durch die Einigung mit der Stadt gewährleistet ist.
Mit der Übernahme im Erbbaurecht ist die Stadt künftig vollumfänglich verantwortlich. Die Bestellung eines Erbbaurechtes für ein Gebäude ist allerdings eher unüblich, da hier ältere Bausubstanz übernommen wird. Für das Gebäude wurde daher von einem Architekturbüro ein Instandsetzungs- und Sanierungskonzept erstellt, das in kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen untergliedert wurde.
Die ermittelten Kosten belaufen sich auf 53 536 für kurzfristige, 949 810 für mittelfristige und 236 605 Euro für langfristige Maßnahmen. An erstgenannten wird sich die Kirche zu 50 Prozent beteiligen.
Mit dem Abschluss des Erbbauvertrages muss dann die Stadt beziehungsweise der Eigenbetrieb allein für die Gebäude- und Grundstückskosten aufkommen. Die Laufzeit ist auf 50 Jahre festgesetzt.
Weniger Mitglieder, weniger Kirchensteuern
Die evangelische Kirche hat im vergangenen Jahr sogar noch mehr Mitglieder verloren als im Jahr zuvor. Rund 593 000 Menschen weniger gehörten 2023 einer der 20 evangelischen Landeskirchen an, das sind fast 3,1 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahr.
Auch die Kirchenaustritte lagen mit 380 000 wieder gleich hoch wie im Vorjahr, ein Rekordwert. Bei den Einnahmen aus der Kirchensteuer verzeichnete die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), wie die Anfang Mai in Hannover veröffentlichte Statistik zeigt, ein Minus von 5,3 Prozent. Die Einnahmen sanken auf 5,91 Milliarden Euro, liegen aber immer noch auf einem hohen Niveau, vergleichbar mit dem Jahr 2019.
Zum Stichtag 31. Dezember 2023 gehörten der evangelischen Kirche laut vorläufigen Zahlen noch rund 18,6 Millionen Menschen an, das entspricht einem Anteil an der Bevölkerung von 21,9 Prozent. Im Vorjahr waren es noch 22,7 Prozent gewesen. „Wir werden eine kleinere und ärmere Kirche, dieser Tatsache müssen wir uns stellen“, so die amtierende EKD-Ratsvorsitzende, Kirsten Fehrs. Die Gründe für einen Kirchenaustritt seien vielfältig. Die Bindung an Institutionen lasse generell in wachsendem Maße nach. Zudem müsse sich die Kirche der Verantwortung stellen, durch ihr Versagen – etwa im Bereich der Aufarbeitung von Missbrauch – die Menschen enttäuscht und verloren zu haben.
Dabei sind mögliche Effekte durch die Veröffentlichung der evangelischen Missbrauchsstudie Ende Januar, die Tausende Missbrauchsfälle und einen mangelhaften Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt offenbarte, noch nicht in den jetzt veröffentlichten Zahlen abgebildet.
Aufnahmen nur noch selten
Grund für den Mitgliederschwund sind Kirchenaustritte und Sterbefälle. Die Zahl der Kirchenaustritte hat die Zahl der Sterbefälle mittlerweile überholt. 380 000 Austritten und 340 000 Sterbefällen stehen nur rund 140 000 Taufen und 20 000 Aufnahmen entgegen. Nicht erfasst in der Statistik sind Zu- und Abwanderungen, sodass sich Unterschiede zu der Gesamtzahl des Mitgliederrückgangs ergeben.
Der Einnahmen-Rückgang bei der Kirchensteuer erklärt sich zum einen durch die steuerliche Entlastung bei der Einkommensteuer, zum anderen wirkt sich auch der Mitgliederverlust erstmals deutlich aus. Im Jahr 2020 waren die Einnahmen durch die Konjunkturschwäche wegen der Corona-Pandemie zwar leicht gesunken, doch gab es in den vergangenen Jahren stets die Besonderheit, dass die Einnahmen aus der Kirchensteuer trotz Mitgliederverlusten Rekordwerte erreichten.
Noch seien die Auswirkungen der Mitgliederrückgänge auf die Finanzkraft der Kirchen nicht so stark, sagte der Religionssoziologe Detlef Pollack gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber man sehe sie bereits. Die Kirchen sorgten vor, indem sie etwa Gemeinden zusammenlegten und Gebäude abstießen. Das Vertrauen in kirchliche Einrichtungen wie Pflegeheime und Kindergärten sei aber relativ hoch, sagte er. Sinkende Kirchenmitgliederzahlen wirkten sich allerdings auf die Finanzierung von Einrichtungen in diesem Bereich aus.
Aktuelle Mitgliederzahlen für die 27 katholischen Bistümer werden erst im Sommer veröffentlicht. Nicht eingerechnet sind zudem die evangelischen Freikirchen. /dpa
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