Traditionsverein

Heimatvereinigung Oald Bensem feiert 95. Geburtstag

Die Heimatvereinigung wurde 1930 ins Leben gerufen – heute zählt sie 380 Mitglieder

Von 
Jeanette Spielmann
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Doris Walter als Fraa vun Bensem ist sicher das bekannteste Mitglied der Heimatvereinigung Oald Bensem. Beim Winzerfestumzug darf sie nicht fehlen. © Thomas Zelinger

Bensheim. Es war ihm ein großes Anliegen, den Bensheimern zu vermitteln, wie stolz sie auf sich und ihre Stadt sein konnten und dafür hat er viel getan. Der ehrenamtliche Beigeordnete, Lehrer an der gewerblichen Berufsschule und Vorsitzende des Kur- und Verkehrsvereins Josef Stoll (1879-1956) war nicht nur seiner Heimatstadt eng verbunden, es war ihm auch wichtig, altes Kulturgut zu erhalten und heimatliches Brauchtum zu pflegen.

Mit den von ihm initiierten Maßnahmen verschönerte er das Stadtbild und intensivierte den Fremdenverkehr. Auf ihn zurückzuführen ist unter anderem die Anlegung des Stadtparks, die Errichtung des Bürgerwehrbrunnens (unter Verwendung der klassizistischen Säule des ehemaligen Marktbrunnens) und die Gestaltung des Weinbrunnens auf dem Hospitalplatz.

Generationen überdauert hat auch seine vor 95 Jahren ins Leben gerufene Heimatvereinigung Oald Bensem. Motivation war damals, arbeitslose Jugendliche für heimatliche Geschichte und Mundart zu begeistern. Ein Jahr später folgte daraus die Gründung der historischen Bensheimer Bürgerwehr. Zum einen, um auch außerhalb der Stadt für Bensheim zu werben, aber auch, um beim Bergsträßer Winzerfest, das 1929 erstmalig gefeiert wurde, eine Gruppe Stadtsoldaten mitwirken zu lassen.

Seit 42 Jahren verkörpert Doris Walter die Fraa vun Bensem

Im 95. Jahr des Bestehens hat sich für die 380 Mitglieder der Heimatvereinigung an der von Gründer Josef Stoll zugrunde gelegten Philosophie des Vereins nichts geändert. Aber Oald Bensem ist gewachsen. Zur Bürgerwehr ist die Biedermeiergruppe dazugekommen, die Vorsitzender Heinz Walter gerne als „die fleißigen Hände von Oald Bensem“ bezeichnet. Seit 42 Jahren lässt Doris Walter als Fraa vun Bensem Stadtgeschichte aus dem 17. Jahrhundert lebendig werden. Ihren ersten Auftritt beim Winzerfestzug hatte die Symbolfigur der Stadt bereits 1954.

1979 wurde der Spielmannszug gegründet, dessen Spielleute mit Trommeln, Becken, Flöten, Lyra und Pauke auf vielen Festen in und außerhalb Bensheims präsent sind. Alle zwei Jahre füllt „Oald Bensem“ das Parktheater, wenn die Theatergruppe mit ihren in Mundart gesprochenen Theaterstücken das Publikum begeistert. Seit 2023 ist auch die Bensheimer Blütenkönigin Teil der Heimatvereinigung und hat ihre „Residenz“ im Walderdorffer Hof.

Dieser alte Adelshof in der Obergasse gilt als das älteste Fachwerkhaus im südhessischen Raum und ist ein Beispiel für ein weiteres Aufgabenfeld der Heimatvereinigung. Denn neben Brauchtum und Mundart geht es Oald Bensem auch um den Erhalt historischer Gebäude. Dazu zählt der Walderdorffer Hof, der 1964 in städtischen Besitz kam und dessen Sanierung 1975, buchstäblich in letzter Minute, beschlossen wurde.

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Dann nahm sich die Heimatvereinigung der Immobilie an. Erst als Mieter und dann als Eigentümer, nachdem sich eine außerordentliche Mitgliederversammlung vor der Jahrtausendwende auf Vorschlag des damaligen Vorsitzenden Werner Rödel für den Kauf des historischen Fachwerkhauses entschieden hatte. 20 Jahre später erstrahlte der Walderdorffer Hof nicht nur in neuem Glanz, es waren dank großen Engagements und viel Eigenleistung alle Kredite für Kauf und Renovierung zurückgezahlt.

Damit war aber noch lange nicht Schluss, erinnert Heinz Walter, der 2013 den Vorsitz der Heimatvereinigung von Werner Rödel übernommen hat, die umfangreichen Aktivitäten und Investitionen in den vergangenen zehn Jahren. Das Dach des Gebäudes wurde saniert, der idyllische Innenhof neu gestaltet und die angrenzende Scheune mit dem benachbarten Gebäude angekauft. Auch hier wurde viel Hand angelegt und in Eigenleistung ein kleines Schmuckstück aus der alten Scheune gemacht, die nicht nur vom Verein – beispielsweise beim alljährlichen Adventsmarkt – sondern auch von Externen gerne genutzt wird. Inzwischen sind die Arbeiten am angrenzenden Gebäude ebenfalls schon fortgeschritten. Der hier vorgesehene Übungsraum für den Spielmannszug soll noch in diesem Jahr fertig werden und beim Dachgeschoss rechnet Walter im Frühjahr mit der Fertigstellung. Hier soll dann vor allem die Theatergruppe ihre Proben absolvieren können, denn die nächsten Vorstellungen sind im kommenden Jahr im Herbst.

Weniger historisch, aber dafür traditionell ist die Winzerfestbucht der Heimatvereinigung, in die in diesem Jahr ebenfalls Geld und Eigenleistung für die Umgestaltung geflossen ist. Insgesamt 57 Mitglieder des Vereins werden übrigens während der neun Festtage die Gäste von Oald Bensem bewirten.

Traditionsmarsch der Bürgerwehr am zweiten Festsamstag

Ein wichtiger Bestandteil des Winzerfestes ist am zweiten Festsamstag der Traditionsmarsch der Bürgerwehr. Von 12 bis 21 Uhr ist die historische Truppe unter der Leitung des Kommandanten Alexander Kreissl unterwegs und macht überall dort Station, wo ihr Erscheinen erbeten wurde - sei es das Seniorenheim oder die Weinstube. Bürgerwehr und Spielmannszug sind „immer gern gesehen“, so der Vorsitzende Walter.

Die vielfältigen Aufgaben der Heimatvereinigung werden von den 160 weiblichen und 220 männlichen Mitgliedern alle ehrenamtlich geleistet. Darunter sind auch 31 Jugendliche, die bis zum 14. Lebensjahr beitragsfrei bleiben. Mit 20 Euro im Jahr ist aber auch der Mitgliedsbeitrag für Erwachsene eher gering.

Die Ausstattung der Mitglieder für die originalgetreuen Kleider, Anzüge und Uniformen der einzelnen Gruppen lassen sich damit nicht bezahlen. Dafür ist der Erlös aus eigenen Veranstaltungen und Festen erforderlich. Dazu gehört auch das Theaterspiel, die Bucht im Winzerdorf oder der Adventsmarkt. Wichtiger Bestandteil auf der Einnahmenseite ist auch die Vermietung der Gaststätte Walderdorffer Hof, die seit 2004 von Heinz Knapp bewirtschaftet wird.

Nicht zuletzt hat Vorsitzender Walter, der mit dem Verein schon seit über 40 Jahren eng verbunden ist, auch für Blütenkönigin Anna Bretthauer ein dickes Lob. Seit sie im Juni im Rahmen des Bürgerfestes „inthronisiert“ wurde, war sie bereits mit großem Engagement als Repräsentantin der Stadt unterwegs. Bisher sei sie rund 1500 Kilometer mit ihrem Auto in hoheitlicher Mission unterwegs gewesen.

Im 95. Jahr der Heimatvereinigung „Oald Bensem“ gibt es natürlich auch einen Jubiläumswein mit eigenem Etikett – einen weißen Burgunder vom Götzinger sowie den Bürgerwehrschoppen zum bürgerlichen Preis.

Freie Autorin

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